'Warum sollten die Medjugorje-Erscheinungen nicht glaubwürdig sein?'

23. August 2017 in Interview


Interview mit Pater Tomislav Pervan über Medjugorje. Von Žarko Ivković


Medjugorje (kath.net) "Warum sollten nun die Begebenheiten von Medjugorje nicht glaubwürdig sein, wo es doch von Anfang an Audio-Aufnahmen und Dokumente über die ersten genauen Befragungen gibt – ganz zu schweigen von den wissenschaftlichen Untersuchungen?" Das stellt der Franziskanerpater Tomislav Pervan im Interview mit Žarko Ivković, dem Hauptredakteur der kroatischen Tageszeitung „Večernji List“, fest. Pervan war von 1982 bis 1988 war der Gemeindepfarrer in Medjugorje und gilt als denkbar naher Kenner der Vorgänge rund um die Erscheinungen und um die Seher.

<Das Interview von Žarko Ivković, Hauptredakteur der kroatischen Tageszeitung „Večernji List“, mit Pater Tomislav Pervan am 22. Juli 2017, exklusiv in deutscher Sprache auf kath.net:

Žarko Ivković: Der Vatikanist Andrea Tornielli, dessen Informationen sehr verlässlich sind, meldete vor kurzem, dass die Vatikanische Kommission, die von Papst Benedikt XVI. eingesetzt worden war, zur Erkenntnis gelangte, dass die ersten Erscheinungen der Mutter Gottes, nämlich die vom 24. Juni bis zum 3. Juli, übernatürlich und authentisch, die übrigen jedoch suspekt seien. Wie würden Sie das kommentieren? Kann man Medjugorje nach Phasen beurteilen?

Pater Tomislav Pervan: Dieses Limitieren der Erscheinungen auf die ersten zehn Tage ist mir unerklärlich. Ich kann nicht verstehen, von welchen Kriterien die Kommissionsmitglieder ausgehen, um zu diesem terminus ad quem zu gelangen. Denn in den Tonaufnahmen (man kann sie auch in den sozialen Netzwerken nachhören) ist zu vernehmen, was am 25. Juli 1981, am Fest des hl. Jakobus, der Ortsbischof Mons. Pavao Žanić anlässlich der Firmspendung vor dem ganzen Volk in Medjugorje gesagt hat. Er kritisierte die damaligen Medien und die offizielle atheistische Politik und wiederholte mehrmals: „Die Kinder lügen nicht.“ Wir wissen, dass der atheistische Agitprop genau am „Tag des Kämpfers“ (4. Juli) orchestriert aus allen Rohren über die Massenmedien gegen die „Konterrevolution der Ustaša“ in Medjugorje „schoss“.

Vielleicht treffen die Mitglieder der Kommission eine Unterscheidung zwischen „Erscheinungen“ und „Visionen“, was tatsächlich nicht dasselbe ist. Die Erscheinungen kommen von außen, Visionen können dem Subjekt selbst entstammen.

Doch ich frage mich, warum die bisherigen Stellungnahmen die wissenschaftlichen Untersuchungen außer Acht ließen, die an den Sehern im Laufe von zwanzig Jahren durchgeführt wurden. Es gibt z. B. Befunde über die Übereinstimmung, Synchronisation und Gleichzeitigkeit der Reaktionen der Seher, wenn die Erscheinung beginnt bzw. aufhört.

Unverständlich ist mir auch der turning point (die Wendung), den der Ortsbischof vollzogen hat in Bezug auf seine ursprünglich positive und befürwortende Position, die mindestens einen Monat anhielt; seine ursprüngliche Überzeugung war, dass es sich nicht um Lüge und Manipulation handle, und dass die Franziskaner das in keiner Weise initiiert haben. Der Ortspfarrer kam ja erst vier Tage nach Beginn der Ereignisse in die Pfarre zurück. Erst recht muss man P. Tomislav Vlašić als Initiator ausschließen, der erst im September nach Medjugorje kam, und ebenso P. Slavko Barbarić, der sich zu dieser Zeit zum Studium im Ausland befand. Was den Bischof dazu brachte, seine frühere Stellung zu ändern und in den folgenden Jahren einzelne Franziskaner, Charismatiker und auch andere anzuklagen, sie hätten das ganze inszeniert, das bleibt mir bis heute ein Rätsel. Vielleicht werden die Zeit oder irgendwelche Dokumente etwas ans Licht bringen.

Ivković: Den Kommissionsmitgliedern scheinen die Seher am problematischsten zu sein. Sie betrachten sie zwar als psychisch gesund und sind davon überzeugt, dass sie von den Franziskanern nicht instruiert wurden, glauben ihnen aber nicht, dass die Mutter Gottes jedem einzelnen weiterhin erschienen ist.

Pervan: Erscheinungen machen den Menschen nicht durch irgendwelche innere Automatik heilig. Der Mensch muss zeit seines Lebens mit der Gnade kooperieren und in der Heiligkeit wachsen. Ich denke, man muss auch die anfängliche Verwirrung und Konfusion in Betracht ziehen, die den Sehern und ihrer Umgebung zu schaffen machte. Etwas Neues, Unbekanntes! Die Partei, die Miliz, Drohungen, Entführungen – das alles verunsicherte sie zunächst, besonders der orchestrierte Lärm und die Verurteilung in den Medien.

Auch der Pfarrer selbst war sich nicht im Klaren, was da überhaupt vor sich gehe, wie das Ganze enden werde: Will ihm der kommunistische Staatssicherheitsdienst eine Untergrabung des Regimes unterstellen, denn der war schon davor gegen ihn aktiv gewesen? Was ging ihm in den ersten Tagen nicht alles durch den Kopf!

Ivković: Der Kommission ist die „Programmiertheit“ der Erscheinungen suspekt, weil diese eine Fortsetzung fanden, obwohl die Seher gesagt hatten, sie würden aufhören.

Pervan: Was die „Programmiertheit“ betrifft, denke ich, dass da nichts einzuwenden ist. Auch in Fatima sagte Maria den kleinen Hirten, sie mögen an den gleichen Ort zur selben Tageszeit jeweils am 13. des Monats kommen. Auch in Lourdes sagte Maria zu Bernadette, sie würde ihr in den folgenden Monaten erscheinen, von Februar bis Juli. Die letzte Erscheinung war am 16. Juli, am Gedenktag der Mutter Gottes vom Berge Karmel. Sehr zahlreich waren auch die Erscheinungen in Kibeho, die irgendwie synchron zu denen von Medjugorje bis 1988 stattfanden. Auch dort kündigte die Gottesmutter jeweils die folgende Erscheinung an. Der zuständige Bischof bildete eine Kommission von Theologen, Psychologen, Ärzten und sonstigen Fachleuten und bei drei von den Sehern anerkannte die Kirche die Erscheinungen.

Ivković: Laut den Nachrichten aus dem Vatikan ist auch das Benehmen einiger Seher im sog. Herzegowinischen Fall problematisch, im Streit zwischen dem Bischof Žanić und den Franziskanern Prusina und Vego.

Pervan: Ich denke, es ist ganz falsch, Maria und ihre Erscheinungen in die laufenden Streitigkeiten und kontroverse (theologische) Fragen in der Kirche einzubeziehen, die damals in der Herzegowina aktuell waren. Maria löst niemals alltägliche kontroverse Zwistigkeiten, sondern sie kommt als Königin der Apostel, um der Welt zu sagen, was zu tun ist. Sie kommt immer als Vorläuferin ihres Sohnes, verweist bei allen ihren Erscheinungen auf ihn, und die Erscheinungen ereignen sich in der Kraft des Hl. Geistes. Ohne ihn gibt es keine Erscheinung. Die Erscheinungen sind de facto eine Aktualisierung und Realisierung des Evangeliums. Sie dienen der Umkehr und Evangelisation und betreffen alle Menschen.

Vielleicht dachte der Ortsbischof, die Mutter Gottes würde ihm durch ihre Erscheinungen helfen, dass die Franziskaner die Pfarren, die ihm durch ein römisches Urteil zugefallen sind, übergeben. Schade, dass zu diesem Zeitpunkt der Bischof nicht ruhiger und diskreter aufgetreten ist, ohne öffentliche Denunziation der Seher und der Patres. So hätte man eine Menge Probleme vermeiden können, es gäbe weniger Bitterkeit in den Herzen aller Akteure.

Die Seher sind in die ganze Auseinandersetzung im Fall der Kapläne P. Ivan Prusina und Ivica Vego indirekt miteinbezogen worden, die in ihrer Not bei den Sehern Zuflucht suchten, als sie von der eigenen Leitung und vom Ortsordinariat belangt wurden. Wenn die Antwort Marias lautete, der Bischof habe vorschnell gehandelt, was wäre daran schändlich? Sollte die Mutter Gottes den Bischof nicht kritisieren dürfen? (Wir wissen doch aus der Geschichte, dass verschiedene heilige Frauen sogar Päpste kritisierten, z. B. Katharina von Siena und Brigitta von Schweden.) In der Folge der Ereignisse wurden die oben genannten Kapläne vollkommen rehabilitiert. Vego suchte einen anderen Weg, P. Ivan wirkt seit Ende der achtziger Jahre regulär in der Kirche und leitet die katholische Mission in Zürich.

Ivković: Den Sehern wird ständig vorgeworfen, kein einziger von ihnen habe den Ordens- oder Priesterstand gewählt, sie hätten sich bereichert usw. Wie würden Sie sie heute beurteilen, kann man sie als verlässliche Zeugen ansehen?

Pervan: Die Seher sind Menschen mit Schwächen und Stärken, sympathisch und manchmal weniger sympathisch. Sie sind nicht vollkommen, bleiben menschlich eingeschränkt und sind nicht automatisch heilig. Wir erwarten das aber von ihnen, uns selber dispensieren wir jedoch vom Weg der Heiligkeit.

Ivković: Bei dreien der Seher hörten die Erscheinungen auf, ohne dass sie das wollten. Bei Jakov hörten sie in Amerika 1998 auf. (Das meldete er aus Amerika weinend dem nunmehr verstorbenen P. Slavko Barbarić.) Das war genau drei Jahre vor dem Angriff auf den New Yorker Twintower am 11. September 2001. Ein Zufall?

Pervan: Die Kirche anerkannte die Erscheinungen in La Salette in Frankreich 1846. Die dortigen zwei Seher, Mélanie und Maximin, hatten nach den Erscheinungen ein ziemlich stürmisches Leben. Maximin starb vor Beendigung seines 40. Lebensjahres.

Auch Bernadette aus Lourdes hatte kein angenehmes Leben wegen der Torturen im Kloster und aus anderen Gründen. Das Leben derer, die im Brennpunkt stehen, ist ganz und gar nicht leicht. So hatten auch die sechs Seher von Medjugorje keinerlei Privatsphäre mehr nach den ersten Erscheinungen. Sie wurden Tag und Nacht belagert. Man kann es frei heraussagen: Es wurde ihnen die Kindheit und Jugendzeit genommen.

Was kann man über ihr weiteres Leben sagen? Sie blieben bei ihren Beteuerungen, trotz aller Bedrängnis, Bedrohung und Verdächtigung, und obwohl sie Ende Juni 1981 aus ihrem Alltagsleben herausgeworfen und in ein Spiel hineingezogen wurden, das sie nicht voraussahen und auch nicht wollten.

Ivković: Warum entschieden sie sich nicht für das Ordensleben?

Pervan: Maria überließ ihnen die freie Entscheidung. Gott zwingt niemanden. Meinen Sie, dass das Leben in der Familie leichter ist als das im Kloster? Wenn die Seherin Lucia aus Fatima in ihren Notizen beteuert, dass der entscheidende Kampf heutzutage im Bereich der Ehe und Familie ausgefochten wird, dann ist die Entscheidung der Seher für Ehe und Familie vor der ganzen Welt eine Bezeugung des Wertes der Familie – zu einer Zeit, wo Familien zerrissen werden, wo die Ehe als heilige Gemeinschaft von Mann und Frau unterminiert wird, weil Parlamente gleichgeschlechtliche Verbindungen per Gesetz als „Ehen“ definieren usw.

Dieses Jahr wird der 100. Jahrestag der Erscheinungen von Fatima gefeiert. Man vergaß die Tatsache, dass der Seher Francisco die Gottesmutter nur gesehen hat, dass Jacinta sie gesehen und gehört hat und dass nur Lucia mit ihr gesprochen hat. Alle ihre Notizen über die Erscheinungen machte sie erst fast ein Viertel Jahrhundert danach im Kloster. (Ähnlich ist es bei den Evangelien, die erst frühestens 30 Jahre nach der Verherrlichung des Herrn aufgeschrieben wurden.) Warum sollten nun die Begebenheiten von Medjugorje nicht glaubwürdig sein, wo es doch von Anfang an Audio-Aufnahmen und Dokumente über die ersten genauen Befragungen gibt – ganz zu schweigen von den wissenschaftlichen Untersuchungen?

Der slowenische Psychiater und Parapsychologe Ludvik Stopar hat Ende 1982 genaue Anamnesen und Aufzeichnungen über die Seher gemacht. Enorm viele Texte über Befragungen und Zeugnisse hinterließ Frau Darija Klanac. Weiters sind zu nennen diverse Ärzte aus Milano, die ihre Untersuchungen vornahmen. Dann Dr. Henri Joyeux aus Montpellier oder der Psychologe und Parapsychologe Prof. Andreas Resch aus Innsbruck.

Weiters René Laurentin, der größte Mariologe des vergangenen Jahrhunderts und anerkannter Diagnostiker der Erscheinungen von Lourdes. Er untersuchte die Seher von Medjugorje und die Phänomene bereits Ende 1982. Warum werden seine Untersuchungsergebnisse im Fall von Medjugorje vernachlässigt, von denen er selbst behauptet, sie sprächen deutlicher für die Echtheit von Medjugorje als die über Lourdes. Gibt es eine selektive Wahrheit über Medjugorje oder wird sie aus irgendwelchen Interessen unter den Teppich gekehrt?

Denken wir auch an ein anderes Ereignis des letzten Jahrhunderts. Es liegt nicht so weit zurück (1958), da hat das Heilige Offizium – die heutige Glaubenskongregation – die Visionen und die Schriften der hl. Faustina Kovalska verurteilt. Man stellte sie auf den Index der verbotenen Bücher. Erst der hl. Johannes Paul II. hat ihr Werk ganz rehabilitiert und gefördert. Es gibt kaum jemand, der nicht ihr Tagebuch kennt und nicht den Barmherzigkeitsrosenkranz betet. Sie ist die erste, die im neuen Jahrtausend heiliggesprochen wurde. Wer hat sich also geirrt? Wer hat Fehler begangen? Die Entdeckung der Wahrheit dauert länger, aber sie bricht schließlich durch.

Ivković: Kontroversen gibt es auch hinsichtlich der Geheimnisse: Sind es zehn oder mehr? In den Achtzigerjahren sagten die Seher, dass manche Geheimnisse die Pfarre betreffen, andere die Welt, andere sogar das ehemalige Jugoslawien. Kein einziges ist offen gelegt. Man fragt sich logischerweise, welchen Sinn ein Geheimnis haben soll, das einen längst untergegangenen Staat betrifft?! Oder das Geheimnis um das große Zeichen auf dem Erscheinungsberg, das angeblich schon hätte kommen sollen. Was sagen Sie dazu?

Pervan: Zu den erwähnten „Geheimnissen“ kann ich aus eigener Erfahrung Folgendes sagen: Im August 1982 wurde ich Pfarrer von Medjugorje. Am Vorabend des Festes der Unbefleckten Empfängnis (7. Dezember 1982) bat ich die Seherin Ivanka, sie möge in meinem Namen der Mutter Gottes einige Fragen stellen. Während der Erscheinung waren die anwesenden Seher Jakov, Marija, Vicka und Ivanka außergewöhnlich ernst. Danach zogen sie sich in eine Ecke des Raumes zurück. Ich fragte Ivanka, was los war. Sie antwortete mir, dass sie der Mutter Gottes meine Fragen nicht stellen konnte, denn sie habe ihnen ein neues Geheimnis anvertraut. Über den Inhalt wollte und konnte sie nichts sagen, aber man sah an ihren Gesichtern, dass es sich um etwas sehr Ernsthaftes handeln musste. Was sie gesehen oder erlebt haben, wissen wir nicht.

Aber ich frage mich, wie könnten diese einfachen, ungebildeten Jugendlichen von „Geheimnissen“ reden, ohne dass sie etwas „von der anderen Seite“ gehört hätten? Wir können nur mutmaßen, denn sie selber schweigen darüber.

Niemand konnte – egal wer er war oder welche Tricks er anwandte – aus dem Jüngsten von ihnen, dem Jakov, etwas darüber herauslocken. Über alles andere redete er unbekümmert, wie eben ein Kind seines Alters. Aber wenn es um die Geheimnisse ging, schwieg er beharrlich.

Ich selber drang nicht in die Seher ein. Ich hörte bloß, dass die Seherin Mirjana schon zehn Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens von einem freien Kroatien sprach. Die Seherin Lucia von Fatima schrieb auf das Ersuchen des Bischofs aus Gehorsam dem kirchlichen Hirten gegenüber die Geheimnisse auf. Im Fall von Medjugorje hat sich niemand von den Verantwortlichen der Hierarchie damit ernsthaft befasst. In Kibeho kündigten die Seher den Genozid an, der sich 1994 tatsächlich ereignete.

Ivković: Was ist der momentane Status von Medjugorje? Viele bezeichnen es als „Heiligtum“, obwohl weder der Ortsbischof noch die Bischofskonferenz noch der Heilige Stuhl diesen Status bekannt gaben.

Pervan: Medjugorje könnte man als „Gebetsstätte“ bezeichnen, ähnlich wie Heroldsbach in Deutschland, wo Maria erschienen sein soll, ohne dass es die Kirche anerkannt hat. Den jetzigen Status verdankt Medjugorje hauptsächlich dem emeritierten Papst Benedikt, der dem Ortsbischof die Jurisdiktion bezüglich Medjugorje 1985 entzog – wegen der offensichtlichen Voreingenommenheit – und sie der Bischofskonferenz und Kardinal Kuharić übertrug. Diese Kommission gab 1991 in kompetenter Weise ihre Entscheidung ab, unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges in Jugoslawien. Man musste fast 20 Jahre warten, bis Papst Benedikt eine Vatikanische Kommission über die Geschehnisse in Medjugorje einsetzte. In diesen Jahren gab es viel Pro und Contra auf allen Ebenen, von hitzigen Gegnern und feurigen Befürwortern. Die Kommission hat ihre Arbeit beendet und die Dokumentation den Vatikanischen Ämtern übergeben. Der heutige Papst wiederholte oftmals, dass die Kommission „eine gute, eine sehr gute Arbeit“ geleistet habe.

Ivković: Die Pilger kommen weiterhin und kümmern sich offensichtlich nicht um eine offizielle Anerkennung.

Pervan: Viele wundert nicht wenig die Sorglosigkeit der Ortsbischöfe, mit der sie Millionen von Pilgern übergehen. In der Praxis wird Medjugorje wie alle anderen Pfarren behandelt, doch die Fakten zeigen eine völlig andere Situation in Medjugorje als anderswo. Es gibt Millionen von Pilgern, unter ihnen abertausende Priester. In den letzten Jahren bemerkt man hauptsächlich Pilger aus Osteuropa, aus dem Baltikum, vor allem aus Polen. Warum kommen sie nach Medjugorje, wo sie doch ihr Tschenstochau haben? Oft dauert die Reise mit den leistungsschwachen Autobussen zwei, drei Tage. Was zieht sie hierher? Ich glaube, sie kommen, weil sie hier positive Erfahrungen machen. Die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium betont, dass die Gesamtheit der Gläubigen durch die Salbung und die Kraft des Hl. Geistes im Glauben nicht irren kann, und dass sich diese besondere Eigenschaft durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes zeigt (LG12). Von Beginn an haben wir in der Kirche das Prinzip, dass die Gesetzmäßigkeit des Betens der Gesetzmäßigkeit des Glaubens entspricht (lex orandi – lex credendi ). Und lex orandi statuit legem credendi. Das heißt: Die Gesetzmäßigkeit, das Reglement des Betens, der Liturgie begründet das Reglement des Glaubens. Der Glaube bzw. die Dogmen sind aus dem Gebet und dem Gottesdienst hervorgewachsen, was auch das Neue Testament bestätigt. Die Dogmen sind bloß die Interpretation des Neuen Testaments. Wenn wir in Medjugorje die allgemeine Kirche haben, von allen vier Winden, und wenn wir hier alle beten, Gott anbeten und verherrlichen, handelt es sich dann nicht um das Wirken des Hl. Geistes? Maria, die Seher und die Erscheinungen kommen erst an zweiter Stelle. Die Seher waren vielleicht am Anfang im Brennpunkt, heutzutage geht es um sie erst in zweiter Linie, denn faktisch leben manche von ihnen auch nicht auf dem Gebiet der Pfarre.

Ivković: Oft sagen Sie, für Sie sei es das größte Wunder, dass Medjugorje ein Beichtstuhl für die ganze Welt wurde. Bischof Perić sagt hingegen, dass zahlreiche Beichten, Kommunionen und mögliche Bekehrungen nicht der Beweis für die Erscheinung der Mutter Gottes sind.

Pervan: Diesen Begriff „Beichtstuhl der Welt“ verwende ich nicht gerne. Das wurde zu einer Floskel oder einem geflügelten Wort. Diesen Ausdruck haben andere geschaffen. Ich möchte herausstreichen, dass Medjugorje die schönste und beste Frucht des letzten Konzils selbst ist. Wenn das Konzil eine Erneuerung der Kirche anstrebte, die (Neu)Evangelisierung der Welt, die Hinwendung zu den Quellen, dann findet das gerade hier statt. Im Mittelpunkt stehen die Eucharistie, die Anbetung vor dem Allerheiligsten, das Gebet, der starke Glaube. Um am Tisch des Herrn teilnehmen zu können, steht als Voraussetzung das Sakrament der Versöhnung, der Buße, der Beichte. Dieses ist im Westen fast verschwunden. Alle, die in Medjugorje gebeichtet haben, fragen nicht nach der Authentizität der Erscheinungen, sondern sind glücklich über die Gnaden, die hier ausgegossen werden. In Medjugorje bin ich seit Jahrzehnten. Die letzten 15 Jahre diente ich hauptsächlich im Beichtstuhl, und da konnte ich Wunder der Gnade erleben. Menschen werden geistlich gesund, manchmal auch physisch. Das metaphysische Wunder der Umkehr ist manchmal größer und wirksamer als das der physischen, körperlichen Heilung, wenn in der Kraft der Gnade und der Berührung durch Christus z. B. das Kreuz der Krankheit angenommen wird. Heute haben wir hier an die 50 Beichtstühle. Doch man denke an die ersten Tage und Monate, als die Menschen auf dem Rasen neben der Kirche beichteten. Die damaligen Beichten waren für mich (unter anderem) der Beweis, dass sich in Medjugorje etwas Mächtiges ereignet, dass das Reich Satans zerbröckelt, dass Satan an Boden verliert, dass der Kommunismus zu Ende geht. Damals gab es erschütternde Lebensbeichten und sehr viele Menschen, die von Grund auf ihr Leben änderten. Darum erhob sich gegen Medjugorje der ganze damalige kommunistische Machtapparat, um das alles von der Wurzel her auszurotten. Das war allerdings unmöglich, denn es war nicht durch menschliches Wollen und Wünschen entstanden, sondern durch göttliche Absicht und Entscheidung.

Ivković: Wie schaut die Zukunft von Medjugorje aus?

Pervan: Die positiven Erfahrungen, die die einzelnen gemacht hatten, und ihre überzeugenden Berichte waren von Anfang an Initialzündung und Werbung dafür, dass sich in der Folge andere auf den Weg nach Medjugorje machten, obwohl man besonders in den ersten Jahren dafür Verfolgung und Schikane in Kauf nehmen musste und es keinerlei Infrastruktur gab, um die Pilgermassen aufzunehmen. Auch heute werden die Pilger betroffen gemacht und berührt durch das tägliche spirituelle Angebot in Medjugorje. Der tägliche Gebetsrhythmus und das tägliche spirituelle Programm findet sich in keinem anderen Heiligtum auf der Welt. Dort gibt es das zu bestimmten Zeiten oder getragen von bestimmten Gruppen; in Medjugorje hingegen das ganze Jahr hindurch, Tag für Tag und mehrsprachig. Das nimmt die Menschen ein, und sie wollen es in die eigene Pfarre übertragen. Auf Grund der Erfahrungen, die ich Jahre hindurch in Österreich, Deutschland und der Schweiz gewonnen habe, kann ich behaupten, dass die Medjugorjepilger in ihren Pfarren am aktivsten sind. Medjugorje braucht sich um seine Zukunft nicht zu sorgen. Jeder Baum wird an seinen Früchten erkannt, sagte der Herr selber. Wenn die Früchte gesund sind, werden sie sich mit der Zeit vermehren. Ich kann keine schwerwiegenden negativen Effekte erkennen hinsichtlich Glauben, Moral und Benehmen, die aus Medjugorje kämen und sich ausbreiteten. Klarerweise gibt es immer fanatisierte einzelne, die ihre Phantastereien der Mutter Gottes zuschreiben.

Ivković: Warum ist die Kirche hinsichtlich Medjugorje so gespalten? Der Papst selber sagt, die Mutter Gottes sei keine Postbotin, die täglich irgendwelche Nachrichten bringe.

Pervan: Ich möchte niemanden wegen dieser Spaltung im Volk und Klerus anklagen, aber ich denke, dass die ständige Negierung von klaren Fakten durch örtliche kirchliche Würdenträger 35 Jahre hindurch gerade zu dieser Spaltung geführt hat. Persönlich bin ich seit den ersten Tagen hier anwesend und schaue jetzt ernsthaft zurück auf mein Leben: Ich kann nicht erkennen, dass ich einer Lüge geglaubt habe und einer Täuschung unterlegen bin. Immer wollte ich der Kirche und dem Orden treu sein, mit der Kirche und in der Kirche, mit der Kirche mitdenken und mitfühlen, für sie leben, daran glauben, was sie glaubt. Ich habe das auch in etlichen Büchern nachgewiesen, aus Liebe zu Gott, zu Christus, zur Kirche und zu Maria. Der Glaube an Erscheinungen ist für niemanden eine Verpflichtung, aber es ist unmöglich zu behaupten, dass am Anfang von allem nicht ein direkter Eingriff von außen, vom Himmel steht, der bei Millionen auf der ganzen Welt eine positive Reaktion hervorrief.

Was die Aussage des Papstes betrifft, „die Mutter Gottes ist keine Postbotin“: Es muss nicht sein, dass er dabei ausschließlich an Medjugorje dachte. Täglich finden wir auch hier in Medjugorje irgendwelche „Zeloten“, die ihre Schriften, Visionen, Erscheinungen, apokalyptische Ereignisse und Untergangsstimmung verbreiten. Solche gibt es auch in Rom, die dem Papst täglich ihre Nachrichten schicken.

Ivković: Sie stellen die Ereignisse von Medjugorje in den historischen Kontext, Sie verbinden die Erscheinungen der Mutter Gottes mit dem, was sich bei uns und sonst in der Welt ereignet. Haben Sie in dieser Hinsicht neue Erkenntnisse?

Pervan: Vor genau 30 Jahren hielt der amerikanische Präsident Ronald Reagan im geteilten Berlin seine historische Rede, in der er den russischen Präsidenten Gorbatschow einlud, die Mauer niederzureißen, die Schande und den Spott für die ganze Welt. Wer hätte damals ahnen können, dass die Mauer in zwei Jahren fallen werde? – Niemand. Der Himmel bediente sich Marias und des polnischen Papstes, der mit den Kommunisten überhaupt keinen Dialog führen wollte. Mit dem Teufel gibt es kein Verhandeln. Der Papst gab uns damit ein Beispiel, und Maria lädt uns ebenfalls zu dieser Haltung ein. Ja. Das Böse breitet sich aus. Mit ihm gibt es kein Gespräch. Was vonnöten ist, ist Umkehr und fester Glaube. Die Zeiten sind außergewöhnlich ernst. Werte wurden verdreht. Sünde und Hölle existieren für viele nicht. Wir müssen (mehr) zu Jesus zurückkehren und tun, was er sagt. Das sind Marias Worte in Kana, die nach wie vor gelten.

Medjugorje kann mit seiner Spiritualität und seinem Gebetsangebot ein Wegweiser sein. Im Juni 1981 erlebten wir auf dem Berg Crnica eine Initialzündung, eine Detonation, die auf der ganzen Welt ein Echo fand. Das war der Anfang, nicht das Ziel der Sendung Mariens. An uns liegt es, die Glaubensfackel am Leuchten zu halten. Maria lädt uns mit mütterlicher Stimme ein. Wir können nicht behaupten, wir hätten sie nicht gehört. Mögen wir anders handeln als jene Orte, die Unerhörtes gehört und Unvorstellbares gesehen, Jesus aber mit den schwerwiegendsten Worten kritisiert haben. Wir sind Zeugen davon, dass der Mensch mit den wunderbaren Geschöpfen Gottes und dem Schöpfer selbst einen Krieg führt. Wo wird uns das hinführen? Das weiß der Himmel allein. Darum lädt uns die Mutter Gottes unermüdlich zu Umkehr, Glaube und Gebet ein, zur Hinwendung zu unserem Ursprung und Ziel.

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