Wir fragen, was Gott gemäß ist

17. Oktober 2017 in Kommentar


Ob etwas zeitgemäß ist, kümmert uns wenig. Wir fragen, was Gott gemäß ist. Diakrisis am Dienstag - Von Sebastian Moll


Linz (kath.net)
Sind Sie zeitgemäß? Entspricht Ihre Lebensweise, entsprechen Ihre Ansichten der Zeit, in der Sie leben? Für viele Menschen scheint diese Frage von entscheidender Wichtigkeit zu sein. Wie bei Teenagern, denen es immer darum geht, ‚cool‘ zu sein, auch wenn niemand so recht weiß, was damit eigentlich gemeint ist, so geht es vielen Erwachsenen darum, zeitgemäß zu leben und zu denken. Das bedeutet keineswegs nur, im Besitz des neuen Samsung Galaxy S7 zu sein, während sich der rückständige Nachbar noch mit dem Samsung Galaxy J3 herumplagt, sondern auch, stets seine Einstellung zu gesellschaftlichen Frage auf Aktualität hin zu überprüfen.

In unserer heutigen Zeit sind es vor allem Fragen im Bereich Sexualität, an denen die Zeitgemäßheit gemessen wird, sei es die sexuelle Orientierung oder die sexuelle Identität. Der ‚Journalist‘ Louis Klamroth etwa erklärte kürzlich bei Markus Lanz: „Es ist 2017. Wenn man jetzt noch denkt, dass homosexuelle Leute nicht die Ehe schließen sollten, dann ist das Bullshit.“ Diese Aussage traf er übrigens, nachdem er kurz zuvor erläutert hatte, wie wichtig es sei, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen und nicht in seiner eigenen Echokammer zu verweilen. Einen Widerspruch zwischen beiden Stellungnahmen konnte er offenbar nicht feststellen. Ebenso wenig gelingt es ‚zeitgemäßen Denkern‘, einen Widerspruch zwischen ihrer Betrachtung der sexuellen Orientierung einerseits und der sexuellen Identität andererseits zu erkennen. Während erstere nämlich als frei wählbar bezeichnet wird, gilt letztere als unveränderlich gegeben. Das heißt: Ein neugeborenes Kind hat kein festgelegtes Geschlecht, aber eine eindeutige sexuelle Orientierung.

Solche Sichtweisen sind mit dem Wort ‚Ungereimtheiten‘ sehr wohlwollend umschrieben. In Wirklichkeit sprechen sie jeder ernstzunehmenden Wissenschaft Hohn. Allerdings sollte der Verweis auf die wissenschaftlichen Standards generell mit Vorsicht genossen werden. Wissenschaftliche Standards allein stellen noch keine Legitimierung dar. Man erinnere sich, dass etwa die Schädelforschung (Phrenologie) im 19. Jahrhundert vergleichbare Standards vorzuweisen hatte. In Edinburgh wurde 1820 die Phrenological Society gegründet, viele weitere Einrichtungen auf der ganzen Welt folgten. Das Hauptwerk ihres Gründers George Combe („The Constitution of Man“) wurde zu einem der meistverkauften Bücher des 19. Jahrhunderts. Und was folgte? Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden die Theorien der Schädelforschung als wissenschaftlicher Humbug vollständig verworfen, weil man erkannte, dass alle wissenschaftlichen Standards bedeutungslos sind, wenn die Grundannahme, auf der diese Standards beruhen, falsch ist.

Glücklicherweise hat man rechtzeitig erkannt, dass die grundlegende Prämisse der Phrenologie, also die Vorstellung, aufgrund der Schädelformation eines Menschen auf dessen Eigenschaften schließen zu können, Unfug war. Es bleibt zu hoffen, dass es der Genderforschung ähnlich ergehen wird.

Nahezu alle neuen Bewegungen treten mit dem Anspruch auf, neue Erkenntnisse gewonnen zu haben und diese verwirklichen zu wollen. Das gilt auch für solche Bewegungen, die gemeinhin als reaktionär wahrgenommen werden. So schrieb beispielsweise der ‚Reichsleiter‘ Martin Bormann über das Verhältnis des Nationalsozialismus zum Christentum: „Die christlichen Kirchen bauen auf der Unwissenheit der Menschen auf und sind bemüht, die Unwissenheit möglichst weiter Teile der Bevölkerung zu erhalten, denn nur so können die christlichen Kirchen ihre Macht bewahren.

Demgegenüber beruht der Nationalsozialismus auf wissenschaftlichen Fundamenten. Das Christentum hat unveränderliche Grundsätze, die vor fast 2000 Jahren gesetzt und immer mehr zu wirklichkeitsfremden Dogmen erstarrt sind. Der Nationalsozialismus dagegen muß, wenn er seine Aufgabe auch weiterhin erfüllen soll, stets nach den neuesten Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung ausgerichtet werden.“
Die Geschichte des Dritten Reiches hat uns allerdings gelehrt, dass sich die unveränderlichen Grundsätze des Christentums für die Menschheit als hilfreicher erwiesen haben als die „wissenschaftlichen Fundamente“ des Nationalsozialismus. Gleichwohl kam diese Erkenntnis für viele Kirchenvertreter – wie leider so oft – erst im Nachhinein. Die Evangelische Kirche betrieb in jener Zeit das „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“, dessen Leiter Walter Grundmann, Professor für Neues Testament an der Universität Jena, unter anderem Schriften wie Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche herausgab. Gelernt hat die Evangelische Kirche, entgegen aller Beteuerungen, daraus nichts.

Heute betreibt sie das „Studienzentrum für Genderfragen in Kirche und Theologie“ mit dem Ziel, „zur Gestaltung einer Kirche beizutragen, in der die Vielfalt menschlicher Begabungen auf allen Ebenen unabhängig von Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten zum Tragen kommt“. Wieder einmal macht sich die Evangelische Kirche zur willigen Dienerin der herrschenden Ideologie, die in fundamentalem Gegensatz zur biblischen Schöpfungsordnung steht. Die Konsequenzen mögen weniger gravierend sein, der Irrtum ist es nicht.

Als Christen sind wir, Gott sei Dank, nicht darauf angewiesen, jeder neuen Mode und jeder angeblich neuen ‚Erkenntnis‘ hinterherzulaufen. Das bedeutet im Gegenzug natürlich nicht, sich sämtlichen Neuerungen zu verschließen. Es ist kein Zeichen standfesten Glaubens, auf ein Smartphone zu verzichten. Dennoch gilt für uns: Ob etwas zeitgemäß ist, kümmert uns wenig. Wir fragen, was Gott gemäß ist.


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