8. Jänner 2018 in Weltkirche
"Ich vermute, dass dies lateinamerikanische Bischöfe auf der Amazonassynode 2019 beschließen werden. Der Papst dürfte ihnen die Rückendeckung geben" - Anders als Franziskus sei Johannes Paul II. ein "um die Einheit besorgter Zentralist" gewesen
Wien (kath.net/KAP) Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner rechnet mit einer baldigen Öffnung des katholisch-kirchlichen Priesteramtes für verheiratete Männer. "Ich vermute, dass dies lateinamerikanische Bischöfe auf der Amazonassynode 2019 beschließen werden. Der Papst dürfte ihnen die Rückendeckung geben", so Zulehner am Samstag in einem Interview mit dem "Kurier". Das werde andere unter Druck setzten, dem Beispiel der Lateinamerikaner zu folgen und auf diese Weise die Kirche verändern. "Es ist eine der wichtigsten Entscheidungen in diesem Pontifikat, dass der Papst den Zentralismus überwindet", so die Einschätzung des Theologen.
Bisher habe alle Welt nach der "römischen Pfeife" getanzt, das werde sich künftig aber ändern und zu einer "Revolution" führen. Rom sei bereit, in die "Schule der Regionen, der Kontinente, der Bischofskonferenzen" zu gehen, dort zu lernen und Entscheidungen regional zuzulassen oder für die Weltkirche zu übernehmen. Und auch Bischöfe könnten sich künftig etwa im Umgang mit Kirchenvolksbegehren nicht mehr alleinige auf Vorgaben aus Rom berufen.
Anders als Franziskus sei Papst Johannes Paul II. laut dem Theologen ein "um die Einheit besorgter Zentralist" gewesen, der verhindert habe, dass vieles, das sich regional entwickelt habe, in die Politik der Weltkirche einging. Diesen Entwicklungsverlust, diese Stagnation mache Papst Franziskus jetzt wett, "indem er sagt: Der Heilige Geist ist nicht nur in Rom".
Papst mutet Kirche neue pastorale Kultur zu
Der Papst mute der Kirche auch eine neue pastorale Kultur zu, die nicht mehr Gesetze, sondern den konkreten Menschen und seine Beziehung zur Kirche in den Mittelpunkt stelle. "Man spricht weniger von Sünden der Menschen, sondern von ihren Wunden, man moralisiert nicht, sondern man heilt." Der Papst sei weniger Ideologe, sondern Hirte, der sich um den einzelnen Menschen in seiner je einzelnen Situation kümmere, so Zulehner.
Die Schlüsselfrage laute: "Wie kann der Mensch Gott verbunden sein und von da her in einer unglaublichen Freiheit Mensch sein? Wer sein Knie vor Gott beugt, beugt es nie mehr vor einer Partei, vor der Wirtschaft, vor sozialen Medien. Der trägt seine Autonomie als Geschenk Gottes in sich: eine unantastbare Freiheit des Gewissens."
Kirche sozialer geworden
Unter Franziskus sei die Kirche auch sozialer geworden. "Der Papst hat aus erster Hand gelernt, dass die Kirche nicht in erster Linie die Reichen zu unterstützen hat, sondern dass vor allem die, die unter die Räder kommen, die bevorzugten Adressaten sind, darum wünscht er sich eine arme Kirche an der Seite der Armen und von den Reichen bittet er, mit ihm für die Armen zu wirken." Für die reichen Länder erwachse daraus die Frage, was es heiße, eine Option für die Schwächeren abzugeben. Dem Einzelnen zu helfen, sei dabei zu wenig, gefordert sei, so der Theologe, vielmehr eine Sozialpolitik zur Überwindung der Armut.
Deutlich erkennbar werde im Pontifikat Franziskus außerdem die Zunahme außereuropäischen Einflusses auf die Kirche. Zulehner rechnet damit, dass auch der nächste Papst kein Europäer sein wird. Das nächste Konvent werde hart, "was sich jetzt in Kleingefechten abspielt, wird sich dort im Großen abspielen" und es werde sich zeigen, ob der Kurs des jetzigen Papstes weitergeführt wird.
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