Kirche im Sturzflug

8. Februar 2018 in Kommentar


Die Anregung , „im Einzelfall“ homosexuelle Partnerschaften zu segnen. ist deshalb so verstörend, weil Bode und Marx Amtsträger in hoher kirchlicher Verantwortung sind. Gastkommentar von Prof. Hubert Windisch


Regensburg (kath.net) Nun also auch in der katholischen Kirche die Anregung, „im Einzelfall“ homosexuelle Partnerschaften zu segnen! So Bode, Bischof von Osnabrück, und Marx, Bischof von München-Freising. Diese Anregung ist deshalb so verstörend, weil Bode und Marx nicht irgendwelche Katholiken sind, sondern Amtsträger in hoher kirchlicher Verantwortung. Der amtliche Rückgriff auf den speziellen Einzelfall nun – ähnlich wie in Amoris Laetitia in bezug auf die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur heiligen Kommunion – ist eine Täuschung der Gläubigen, die davon ausgehen, daß immer noch die bisherige katholische Morallehre gilt, wonach homosexuelle Handlungen eine Unordnung in sich darstellen und homosexuell empfindende Menschen zur Keuschheit gerufen sind (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 2357 – 2359). Denn man mache sich nichts vor: Der amtliche Rekurs auf den Einzelfall kann nur erlaubt sein, wenn er zu rechtfertigen ist, wenn also homosexuelle Handlungen nicht mehr in sich in Unordnung sind und – in Bezug auf Amoris Laetitia – Ehebruch nicht mehr unbedingt Ehebruch ist. Das verstehe, wer wolle. Es ist letztlich amtliche moralische Schizophrenie, die bisherige Lehre der Kirche auf der Basis von Schrift und Tradition (und Katechismus) als gültig zu erklären und gleichzeitig die Ausnahme davon zu legitimieren. Ehrlich wäre es dagegen zu sagen, was bisher war, gilt nicht mehr. Aber dann wäre die Katholische Kirche auch nicht mehr katholisch.

Die Kirche befindet sich amtlicherseits zunehmend im Sturzflug, in Rom ebenso wie in deutschen Landen. Sie scheint ihre kritische Zeitgenossenschaft, mit der sie der Welt von heute zu dienen hätte, massiv verloren zu haben. Stattdessen frönt sie einer Gefälligkeitspastoral ohne Verkündigungskraft und verrät dabei sowohl Jesu Ruf zur Umkehr (vgl. Mk 1,15) als auch die Verpflichtung aus dem II. Vaticanum (vgl. Gaudium et spes Nr. 4 und 11), wonach sie die Zeichen der Zeit zwar zu entdecken, aber im Licht des Evangeliums zu deuten hat. Dagegen scheint sich die Kirche dem heidnischen Axiom aus der römischen Kaiserzeit „vox temporis vox dei“ zu unterwerfen (welch eine schreckliche Gottesvorstellung) und frei nach Kurt Tucholsky (vgl. Braut- und Sportunterricht aus dem Jahr 1930) mit heraushängender Zunge atemlos-japsend hinter der Zeit herzulaufen, um zu verschlingen, wen sie nur verschlingen kann. Es entsteht allenthalben der amtliche Anerkennungsbuckel gegenüber dem gesellschaftlichen und politischen Mainstream und der amtliche Kratzfuß vor medialem Applaus.

Was können die Gläubigen tun? Natürlich beten, ohne Zweifel, denn immer noch ist Christus der Herr seiner Kirche und ist es sein Heiliger Geist, der alle Täuschung und Lüge überwindet und immer wieder durch alle Bedrängnisse hindurch auch in die praktische Wahrheit führt. Die Gläubigen hoffen dabei auf Hirten des Widerstands, seien es Priester oder Bischöfe. Sie könnten darüber hinaus aber auch ganz konkret eine breite Bewegung ins Leben rufen, die zwischen der Kirche als einer Körperschaft öffentlichen Rechts und dem in der Zeit fortdauernden sakramentalen Leib Christi unterscheidet, und so am hergebrachten Kirchensteuersystem rütteln.

Die jetzigen Vorgänge sind auch in ökumenischer Hinsicht von Bedeutung. Viele evangelische Christen, die an den sexualethischen Zuständen in ihren jeweiligen Landeskirchen leiden und verzweifeln, schütteln nur noch den Kopf über das, was im Augenblick in der katholischen Kirche geschieht. Sie fühlen sich nicht nur katholischerseits alleingelassen, sie sind alleingelassen. Seit Jahren schon kann man diesbezüglich allerdings zum Trost auch feststellen, dass die Einheit der Kirche in Lehre und Moral auf neue Weise quer durch die Konfessionen geht, so wie auch die Spaltung der Kirche an den Abbrüchen in Lehre und Moral immer mehr quer durch die Konfessionen sichtbar wird. Wächst vielleicht in der Kirche etwas Neues, Authentisches, unabhängig vom pastoralen Gefälligkeitsgeschwätz bestimmter katholischer und evangelischer Amtsträger?

Prof. Dr. Hubert Windisch (Foto) ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.

Vergl. dazu auch Kardinal Cordes: „Vorstoß von Kardinal Marx missachtet eindeutige Offenbarung Gottes“.


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