6. März 2018 in Kommentar
Ich würde mir zumindest wünschen, dass die Kirche Polens in der Weltkirche eine noch größere Rolle spielt. Als Vorbild, als Richtschnur, als Anführerin - Diakrisis am Dienstag von Stefan Meetschen
Linz (kath.net)
Geben wir es zu: Die Polen haben die besten Skispringer, die schönsten Frauen und die leckersten Piroggen. Etwas vergessen? Ach ja, die Polen haben auch eine großartige Kirche. Schließlich zählt die Kirche Polens zu den vitalsten und faszinierendsten nationalen Einheiten des Katholizismus auf der ganzen Welt. Sie ist Jesus wird ihr dies sicher verzeihen materiell gesehen nicht so reich wie etwa die Kirche Deutschlands, Österreichs oder der Vereinigten Staaten, aber als Bewahrerin der katholischen Lehre und Kultur ist sie aus meiner persönlichen Beobachtung als Deutscher, der seit zehn Jahren in Polen lebt, grandios. Mag die Zahl der Gottesdienstbesucher und die Zahl der Berufungen aufgrund unguter Einflüsse aus dem Westen (Materialismus, Pop- und Konsumkultur) auch zurückgehen, nach wie vor kann man in der Kirche Polens eine klare katholische und lebendige Spiritualität erleben, die in Europa ihresgleichen sucht. Junge Menschen stehen an den Beichtstühlen Schlange, um ihre Sünden zu bekennen; manche von diesen spüren die Berufung, Priester oder Ordensfrau zu werden; heilige und tatsächlich auch würdig gefeierte Messen gibt es rund um die Uhr (Gebete zum Erzengel Michael inklusive); und der Einfluss von Laien ist so geregelt, wie es das Zweite Vatikanum vorsieht: sie sollen das Evangelium in die Welt tragen, nicht auf den Altar. Probleme mit der Mundkommunion (auf Knien) gibt es nicht.
Sicherlich tragen die großen Gestalten des polnischen Katholizismus der Vergangenheit, allen voran der Jahrtausend-Primas Kardinal Stefan Wyszyński und der Zweijahrtausend-Papst Johannes Paul II., einen entscheidenden Anteil an diesem Glückszustand. Es ist ihr geistliches Erbe, das Erbe der Freiheit und der Gerechtigkeit. Doch die Kirche Polens hat viele große Heilige hervorgebracht, die heute weltweit und nicht nur von Exil-Polen verehrt werden: die mystische-begabte Schwester Faustina (Göttliche Barmherzigkeit), der Journalist, Franziskaner und Märtyrer Maximilian Maria Kolbe (Ritter der Immakulata) oder der hoffentlich bald heiliggesprochene antikommunistische Widerstands-Bekenner Jerzy Popiełuszko, der im Rahmen der Messen für das Vaterland lehrte, wie man Das Böse mit dem Guten überwindet, seien hier genannt. Nicht zu reden von den 108 polnischen Märtyrern, die in Dachau von den Nazis ermordet wurden wie so viele Polen, die in deutschen Konzentrationslagern ihr Leben verloren. Oder von den mehr als 6500 Polen, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben riskierten, um jüdischen Polen und Mitbürgern zu helfen. In Yad Vashem führen diese Heldinnen und Helden, unter denen auch viele Ordensfrauen und -männer waren, die Liste der Gerechten unter den Völkern an. Nationale Scham und tiefen Respekt empfinde ich als Deutscher angesichts dieser Persönlichkeiten, ihres Mutes und ihrer Mitmenschlichkeit.
Nun ist 2018 in vieler Hinsicht ein besonderes Jahr für Polen und für die Kirche des Landes. Im November jährt sich die Unabhängigkeit des Landes, die durch das Ende des Ersten Weltkriegs ermöglicht wurde, zum 100. Mal. Lange hielt sie bekanntlich nicht, weil die dämonischen Ideologen westlich und östlich des Landes keine Ruhe gaben, doch das Datum bleibt wichtig für die nationale Identität, das gesellschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl, das im Zeitalter der Globalisierung eine besondere Bedeutung für den Frieden hat. Viele Feierlichkeiten und Veranstaltungen finden in Erinnerung an 1918 statt. Mir gefällt besonders die Idee des Metropoliten von Krakau, Erzbischof Marek Jędraszewski, dem ich als Journalist mehrmals begegnet bin und den ich (genauso wie den Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, Stanisław Gądecki, den Erzbischof von Posen) für einen sehr integeren Mann des Glaubens halte: Seit Mitte Februar lässt Jędraszewski in seiner Diözese eine monatliche Novene beten, in der es um Dankbarkeit für die Freiheit und Verantwortung für die Zukunft des Landes geht. In jedem Monat steht ein polnischer Heiliger als Patron im Mittelpunkt der Betrachtung.
Verantwortung für die Zukunft des Landes. Verantwortung für die Weltkirche. Damit komme ich abschließend zu meinem polnischen Geheimtipp, dem Franziskaner Czesław Klimuszko, der von 1905 bis 1980 in der Nähe von Danzig lebte. Als junger Mann von der Gestapo verhaftet, erlebte dieser geheimnisvolle Mensch eine Art Freisetzung prophetischer Fähigkeiten. Er sah mit seinem inneren Auge, wo sich Personen, die als verschollen galten, aufhielten. Und er konnte auch in die Zukunft sehen. Unvergessen ist bei den Franziskanern Polens seine traurige Stimmung nach der Wahl von Johannes Paul I. (Albino Luciani) im Jahr 1978. Auf die Frage seiner Mitbrüder, warum er so traurig sei, entgegnete Klimuszko, der sich auch sehr für Kräuter und natürliche Heilmittel interessierte: Er wird nicht lange leben. Was man trotz Klimuszkos Reputation mit Kopfschütteln quittierte. Als dieser italienische Papst bald darauf starb, war man allerdings doch neugierig und wollte von Klimuszko wissen, wie es nun weitergehe. Der Mann mit dem durchdringenden Blick soll daraufhin leise gesagt haben: Vielleicht wird es nun Karol Wojtyła aus Krakau
Obwohl das auch am Ende von Klimuszkos Leben von den Kommunisten besetzte Polen alles andere als ein Paradies war, schwärmte er von seiner Heimat und meinte, es gebe zukünftig kein besseres Land, in dem man leben könne wie er überhaupt für den Osten Europas eine stabile christliche Zukunft prophezeite. Auch einen wachsenden kulturellen Einfluss Polens auf die Welt sah Klimuszko so unmittelbar vor Einführung des Kriegsrechts voraus; wofür man damals bei allem Respekt gegenüber den Philosophen Leszek Kołakowski und Józef Tischner wohl wirklich ein Prophet sein musste. Doch wer weiß. Bisher hat mein polnischer Geheimtipp immer Recht behalten. Ich würde mir zumindest wünschen, dass die Kirche Polens in der Weltkirche eine noch größere Rolle spielt. Als Vorbild, als Richtschnur, als Anführerin. Ich weiß und ich spüre (obwohl ich kein Prophet bin!), dass viele katholische Europäer und Weltbürger so denken und diese Sehnsucht teilen. Laien, aber auch Priester und Bischöfe. Ein Hirte, der es gut mit seiner Herde meint, wird deshalb sehr genau auf das hören, was diese Kirche der Helden und Heiligen ihm und der Welt zu sagen hat.
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