Kasper: Häresie-Vorwurf gegen Papst "völlig unangebracht"

6. März 2018 in Weltkirche


Früherer deutscher Kurienkardinal und Einheitsrat-Präsident veröffentlicht zu seinem 85. Geburtstag ein neues Buch, in dem er das Lehrschreiben "Amoris laetitia" verteidigt


Rom (kath.net/KAP) Der frühere Kurienkardinal Walter Kasper hält die in der Debatte um das Schreiben "Amoris laetitia" vorgebrachten Häresie-Vorwürfe gegen Papst Franziskus für abwegig. Bezüglich der wiederverheirateten Geschieden habe Franziskus - getragen vom Selbstverständnis einer lebendigen Tradition der Kirche und "durchaus auf den Spuren von Johannes Paul II." - eine "praktische Doktrin sozusagen etwas erneuert". Der Vorwurf der Häresie sei daher "völlig unangebracht", sagte der deutsche Kardinal in einem Interview für das Portal "Vatican News" aus Anlass der Veröffentlichung seines neuen Buchs "Die Botschaft von Amoris laetitia, ein freundlicher Disput". Das Werk wird am Dienstagabend - einen Tag nach Kaspers 85. Geburtstag - in Rom vorgestellt.

"Eine Häresie ist ein hartnäckiges Festhalten an einer Position, die direkt einem formulierten Dogma entgegensteht. Ich kenne kein solches Dogma, das besteht in Bezug auf die Kommunion der wiederverheirateten Geschiedenen; das ist eine kirchliche Disziplin, zweifellos, aber kein Dogma", erklärte Kasper in dem Interview. Hier von Häresie zu reden sei "völlig abwegig", man könne "höchstens noch sagen, dass es sich um unterschiedliche Schulmeinungen handelt, und die hat es schon immer in der katholischen Kirche gegeben".

Bei Kritikern des Papstes ortet der Kardinal eine "Verhärtung einer katholischen Position", die "nicht wahrnimmt, dass natürlich auch Ehe und Familie eine geschichtliche Wirklichkeit ist, die sich heute anders darstellt als vor 100 oder 200 Jahren oder gar im Mittelalter". Dies gelte es beim Sprechen über das eheliche und familiäre Leben heute mit zu berücksichtigen, so Kasper. Die "ganz große Mehrheit" der Gläubigen hätten das Schreiben indes "sehr freudig begrüßt und aufgeatmet", fügte er hinzu.

Kardial Kasper war von 2001 bis 2010 Präsident des Päpstlichen Einheitsrates zeigte sich in den vergangenen Jahren als einer vehementesten Verteidiger der theologischen Positionen von Papst Franziskus.

Geburtstagsfeier der "Anima" in Rom

Der 85. Geburtstag Kaspers wurde am Montagabend in Rom mit einem akademischen Festakt gefeiert. Dabei dankte ihm der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin für seinen "langen, demütigen und intelligenten Einsatz für die Kirche". Kasper sei es gelungen, die Schönheit und Tiefe des christlichen Glaubens überzeugend darzustellen. Bei der Veranstaltung in der deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell'Anima, zu der die deutsche Vatikan-Botschaft eingeladen hatte, würdigten Theologen das Wirken Kaspers.

Bischof Christian Krause, früherer Präsident des lutherischen Weltbundes, schilderte das Zustandekommen der Gemeinsamen lutherisch-katholischen Erklärung zur Rechtfertigung. Diese war am 31. Oktober 1999 in Augsburg unterzeichnet worden. Krause und Kasper hatten wesentlichen Anteil an dieser Einigung in einem grundlegenden theologischen Streitpunkt der Reformation. "Der intensive theologische Diskurs ohne jegliche Kirchenpolitik war dabei ein wichtiger Ansatz", so Krause.

Johan Bonny, heute Bischof von Antwerpen, erzählte von Schlichtungsgesprächen mit koptischen Bischöfen in Ägypten, bei denen er Kasper begleitet hatte. Theologische Streitfragen des 4. und 5. Jahrhunderts seien dort immer noch virulent gewesen und hätten heute eine einigende Klärung erfahren. Bonny zitierte einen antiken Theologen, der zwei Arten christlicher Verkündigung unterschieden habe: "nach Fischer-Art" - wie Jesus und die Apostel - oder "nach Philosophen-Art", wie es die Konzilien taten. Kasper habe beides gekonnt und Gegensätze stets ehrlich zu überbrücken gesucht.

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff schließlich skizzierte das unterschiedliche Kirchenverständnis: Während im Protestantismus die Kirche für das Verhältnis des Einzelnen zu Gott weniger Bedeutung habe, spiele sie nach katholischem Verständnis eine größere Rolle. Ziel sei aber in beiden Fällen ein direktes Verhältnis der Gläubigen zu Gott.

Kardinal Kasper selber sprach in seiner Predigt im Gottesdienst zuvor davon, dass mit 85 Jahren "das Abschlussexamen des Lebens näher rückt". Da nützten einem weder Professorenhüte noch Kardinalstitel. Letzter Verlass sei nur auf eines: Gottes Zusage in Jesus Christus. Seinen bisherigen Lebenserfahrungen fasste Kasper so zusammen: "Etwas Besseres als Christsein kann es nicht geben."

EWTN-Interview mit Kardinal Kasper 2015 (englisch)


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