10. April 2018 in Kommentar
Widersprüchlich, ähnlich wie leider auch der Papst, der von Freimut und Barmherzigkeit spricht, aber Kardinäle abweist, wenn sie mit Einwänden zu ihm kommen wollen, um ein offenes Gespräch zu führen. kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun
Linz (kath.net) Walter Kardinal Kasper möchte in seinem kleinen Buch Die Botschaft von Amoris laetitia: Ein freundlicher Disput zeigen, dass das Lehrschreiben AL (= Amoris laetitia) keine neue Lehre vertritt, sondern auf dem Boden des Evangeliums eine schöpferische Erneuerung der Tradition darstellt . und sie vorsichtig weiterführt1. Auch bekennt er sich nachdrücklich zum Freimut in einer offenen Diskussion, wie ihn der Papst selbst gefordert hat.2 Soweit so gut, allerdings hält er dieses Ideal selbst nicht ganz durch, weil dazu die Diffamierung anders Denkender als verengt3 und als Vertreter einer enggeführten und eigensinnigen4 Diskussion nicht recht passen will. Widersprüchlich, ähnlich wie leider auch der Papst selbst, der von Freimut und Barmherzigkeit spricht, aber sogar Kardinäle abweist, wenn sie mit Einwänden gegen seine Lehre zu ihm kommen wollen, um ein offenes, also freies und brüderliches Gespräch zu führen.
Kasper redet in seinem Buch von einem Paradigmenwechsel der Moraltheologie. Gemeint sei damit nicht eine Änderung von Gesetzen, sondern dieser Stelle die Gesetze nur in einen neuen, in diesem Fall ursprünglichen Horizont und wendet sie barmherzig so an, dass sie der konkreten Lebenssituation des konkreten Menschen gerecht werden5. Auf die mögliche Bedeutung einer barmherzigen Anwendung eines gerechten, der Wahrheit entsprechenden Gesetzes geht Kasper nicht ein. An uns liegt es, das Charisma der Unterscheidung neu kennen zu lernen und einzuüben6. Die Wichtigkeit der Unterscheidung betont auch der Papst. Dies tut auch Kasper, aber merkwürdig ist dann, warum er Kasuistik so vehement ablehnt, die ja nichts anderes ist als Unterscheidung konkreter Situationen. Das heute gerne gebrauchte Fremdwort Paradigmenwechsel statt möglichen deutschen Begriffen bleibt sehr unscharf, unter anderem, weil Kasper Kasuistik, wie gesagt, zur Veranschaulichung ablehnt und dadurch weitgehend unverständlich bleibt, was er eigentlich meint. Das Jesus mit seinen Geschichten und Gleichnissen sich der Kasuistik sehr oft bedient hat, scheint ihm nicht aufgefallen zu sein.
Beim Thema der Verhütung und Humane vitae tritt der Mangel besonders hervor: Das Schweigen von Amoris laetitia über kasuistische Fragen bezüglich der Methoden der Familienplanung sei kein Ausweichen vor den Problemen, sondern halte im Gegenteil den Problemen stand aufgrund einer tieferen moraltheologischen Reflexion.7 Welche Reflexion dies sein soll, erfährt der Leser nicht, der Verweis auf Thomas von Aquin hilft vor allem dem normalen Leser absolut nicht weiter, und auch dem Fachmann nicht, wenn sich dieser die Mühe macht, den lateinischen Text nachzuprüfen. Kasper verspricht, darauf später nochmals einzugehen, aber man sucht dieses Eingehen vergeblich.
Aber zurück zu AL: Der Papst lege die Lehre von der verantwortlichen Elternschaft und Familienplanung, wie sie das Konzil und dann Paul VI. gelehrt hat, in die verantwortliche Gewissensentscheidung der Eltern8. Bei der konkreten Findung des Einvernehmens in dieser Frage sei es besonders wichtig, die Würde des anderen zu wahren8. Es ist nicht zu sehen, wo es in dieser Auslegung einen Unterschied zur deutschen Königsteiner Erklärung zu Humanae vitae geben könnte, die der hl. Papst Johannes Paul II. bekanntlich ebenso ablehnte wie die Maria-Troster-Erklärung des österreichischen Episkopats. Schwer vorstellbar, dass sich Kardinal Kasper dessen nicht bewusst war. Auch ist die Folgerung, der Papst habe darüber nicht geredet und dies sei von Bedeutung, ist merkwürdig.10 Tatsache ist aber: AL weist mehrfach auf HV hin11, aber immer sachlich, wenn auch ohne dabei auf konkrete Fragen klare und eindeutige Antworten zu geben wie dies die Vorgänger von Papst Franziskus taten.12
Wie das neue Paradigma der Moral im Sinn von Kasper verstanden werden könnte, zeigen spätere Passagen, man entdeckt dabei eigenartige, AL sogar direkt widersprechende Aussagen Zunächst merkt Kasper richtig an, dass nach der Lehre von AL Zivilehe, De-facto-Partnerschaften, zivil wiederverheiratet Geschiedene und gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht dem christlichen Eheverständnis entsprechen13. Dann aber schreibt Kasper dem Papst die Meinung zu, dass manche dieser Partnerschaften teilweise und in analoger Weise Elemente einer christlichen Ehe verwirklichen können.14 Dafür kann sich Kasper zwar nicht ganz unrichtig auf AL 292 berufen, aber zugleich übergeht er dabei AL 251, wo AL die homosexuellen Verbindungen ausdrücklich von solcher Analogie ausschließt, während Kaspers Text diese naheliegende Möglichkeit diskret übergeht, was nicht gut ist, wenn man an den Druck der heutigen öffentlichen Meinung bezüglich dieser Fragen bedenkt.
Alles zusammen gesehen: Wie die Ausführungen von Kasper eine Erneuerung der Tradition sein sollen, ist nicht erkennbar. Am Ende der Lektüre weiß man eher nicht, was er wirklich sagt, und es bleibt der bittere Nachgeschmack, dass Kasper seinen Leser zwar glauben machen will, alle Fragen seien jetzt in ein neues, freundliches Licht getaucht, in Wirklichkeit aber lässt er ihn in einem Nebel zurück. Das wird er freilich erst merken, wenn er die Wege und den Willen Gottes und die verlässlichen Antworten der Kirche auf seine Fragen, die Antworten so konkret wie die Fragen, zu suchen beginnt.
Anmerkungen
1 Vgl. Kasper 8
2 Vgl. Kasper 20
3 Vgl. Kasper 7
4 Vgl. Kasper 92
5 Vgl. Kasper 87
6 Vgl. Kasper 92
7 W. Kasper, Die Botschaft von Amoris laetitia , Freiburg 2018, 62
8 Vgl. Kasper, 62
9 Vgl. Kasper, 62 63.
10 Vgl. Kasper 62.
11 AL 68, 82, 222.
12 Vgl. Kasper 62
13 Vgl. Kasper 71. Vgl. AL 291, 250f.
14 Vgl. Kasper 72
Diese Bemerkungen beziehen sich auf folgendes Buch:
Die Botschaft von Amoris laetitia
Ein freundlicher Disput
Von Walter Kasper
Hardcover, 96 Seiten,
2018 Herder, Freiburg
ISBN 978-3-451-38101-0
Preis Österreich 15.50 EUR
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