Hartl „etwas zweigeteilt“ über Hochzeitspredigt von Bischof Curry

22. Mai 2018 in Aktuelles


Leiter des Gebetshauses Augsburg nach Predigt für Hochzeit der britischen Royals Prinz Harry und Meghan Markle: Er freue sich, dass „ein Weltpublikum überhaupt einmal eine mitreißende Predigt hört“, aber wesentliche Aspekte seien ihm zu kurz gekommen


Augsburg-London (kath.net/pl) „Über Nacht wurde Bischof Curry ähnlich berühmt wie das royale Brautpaar und auf sozialen Netzen bis hin zu großen Medien wie Bild und Tagesschau wurde seine Predigt als Sensation gepriesen. Christen und Nichtchristen loben sie in höchsten Tönen (auch in meinem Freundeskreis)“, doch wolle er „schildern, warum ich etwas zweigeteilt bin“. Das schrieb der Augsburger Gebetshausleiter Johannes Hartl auf Facebook. Er bezog sich auf die Predigt von Bischof Michael Curry, Oberhaupt der Episkopalkirche der USA und für seine kirchliche Gemeinschaft Bischof von Chicago, bei der Hochzeit von Prinz Harry, jüngerer Bruder des englischen Thronfolgers, und Meghan Markle in London. Natürlich könne man sich von Herzen freuen, wenn es einem Prediger auf einer so großen Bühne gelinge, „begeisternd, berührend und glaubwürdig über die Liebe Gottes zu predigen. Wenn ein Weltpublikum überhaupt einmal eine mitreißende Predigt hört! Und noch dazu, wenn es darin so sehr um das zentrale Grundanliegen Jesu geht, die Liebe“, so Hartl. Aber die berührende Predigt spreche zwar „eindeutig über die Botschaft der Liebe spricht und auch darüber, dass Jesus aus Liebe zu uns ans Kreuz gegangen ist (beides schon viel mehr als in den meisten großkirchlichen Predigten hierzulande zu erwarten wäre!)“, doch fehle ihm ein Aspekt in der Predigt. Der Predigt-Gedankengang laute: „Die Liebe hat Kraft, Jesus kam und starb um eine Bewegung der Liebe loszutreten, die Liebe hat die Kraft, die ganze Welt in ein Paradies zu verwandeln“. Dies sei zwar richtig, doch fehle der Hinweis, „warum die Menschen den lieben Jesus überhaupt ans Kreuz geschlagen haben“ und warum sie auch 2000 Jahre später noch nicht im Paradies leben. Es gebe eben „auch jene Kräfte im Herzen des Menschen, die lieber nicht lieben wollen. Oder nicht wirklich, nicht wahrhaftig, nicht selbstlos. Und wenn es noch so nett klingt: nein, wenn Menschen einander lieben, ist das noch nicht automatisch etwas Göttliches, denn auch menschliche Liebe ist gebrochen, kann zutiefst fehlgeleitet und von allen möglichen anderen Motiven durchsetzt sein.“ Jene Kräfte, die die Bibel „Sünde“ nenne, seien keineswegs „nur kleine Macken, sondern prägen unser Inneres auf so verhängnisvolle Weise, dass wir uns aus eigener Kraft daraus eben nicht befreien können. Denn wenn wir es könnten, sähe die Welt anders aus.“

Doch verwundere es ihn nicht, so Hartl, dass Currys Predigt auch bei Nichtgläubigen viel Beifall geerntet habe. „Ja, ‚All You Need is Love‘, das wussten auch schon die Beatles“, auch jeder zweite Popsong besingt die Power of Love. Doch koste dies den menschlichen Stolz deutlich weniger „als das, was das Evangelium eigentlich besagt. Dass wir ohne Jesus tot sind in unserer Sünde. Aus eigener Kraft unfähig, die Welt oder uns selbst gesund zu lieben.“ Curry habe nichts Gegenteiliges gesagt, aber es gehe „auch um Nuancen“. Denn „dass Jesus uns ein Vorbild gegeben hat und die Welt eine neue wird, wenn wir anfangen zu lieben – das ist zwar wahr, doch erstaunlich nah an der Lehre eines Mönches, der im Jahr 385 getauft worden war und danach in Rom zu predigen begann. Sein Name: Pelagius“, seine Lehre wurde später als „Pelagianismus“ bezeichnet. Hartl zitierte Papst Innozenz I., der den Pelagianismus 417 folgendermaßen verurteilte: „Das ist das fürchterliche und verborgene Gift eures Irrtums, dass ihr vorgebt, die Gnade Christi bestehe in seinem Beispiel, aber nicht in der Gabe seiner Person; und dass ihr sagt, die Menschen würden gerecht durch die Nachahmung seines Beispiels, nicht aber durch die Gabe des Heiligen Geistes.“

Ausdrücklich wies Hartl darauf hin, dass er Bischof Curry keine Pelagianismus unterstelle. „Doch so sehr ich mich an anderer Stellen über diese Predigt freue, so sehr erkenne ich auch, wie viele Christen genau das glauben: Jesus hat uns ein Beispiel gegeben und wenn wir alle den Frieden und die Liebe leben, dann wird die Welt ein besserer Ort. Das ist eine gefährliche Teilwahrheit, um nicht zu sagen überhaupt keine Wahrheit.“ Hartl erläuterte, dass er sich gewünscht hätte, „dass in der königlichen Predigt auch ein Wort gefallen wäre von unserer Unfähigkeit zu lieben, dem Scheitern so vieler Beziehungen trotz aller anfänglicher Liebe, der Gebrochenheit menschlicher Liebe (denn nicht alles was nach Liebe aussieht, ist auch wahrhaftige Liebe…), der Tatsache, dass wir einen Erlöser brauchen und dass das unfassbare Geheimnis des Evangeliums darin besteht, dass Jesus uns liebte, als wir ihn noch nicht lieben konnten. Und dass in ihm all unseren Versuchen ein perfekter Mensch zu sein zu sterben, in der Kapitulation des Glaubens etwas Neues beginnt, das die Bibel ‚Neue Geburt‘ nennt. Dass das Kreuz an uns etwas ändert und nicht nur ein Beispiel ist. Dass aus der Beziehung zu diesem Jesus und der Erfüllung mit seinem Geist ein ganz neues Leben in uns beginnt nach ganz neuen Gesetzen, den Gesetzen seines Reiches. Doch dass der Anfang all dessen echte Umkehr, Buße und Bekehrung sei“. Auch ohne dieses Element habe er die Predigt „immer noch imposant“ empfunden, „doch eben theologisch nicht wirklich solide. Bei aller Freude, dass das Wort von der Liebe und der Versöhnung so prominent verkündigt wurde, brennt in mir die Sehnsucht, dass wir lernen, das Evangelium unterscheiden zu lernen von preisreduzierten Varianten“.

Er feiere es, „dass so viele Menschen darüber gehört haben, dass das Christentum wesentlich mit Liebe zu tun hat. Andere predigen im Namen Gottes das Töten. Also: 100 Punkte an dieser Stelle“, ergänzte Hartl in einem weiteren Post, und er habe es als „gigantisch“ empfunden, „wie frei, lebendig und mitreißend Curry gepredigt hat. Auch sei es „genial, dass dadurch so viele Kirchendistanzierte einmal Predigt auf ganz erfrischende Weise“ erlebt hätten. Und „selbstverständlich“ verwende „Gott diese Predigt zum Guten. Er wird definitiv dadurch Menschen für ihn interessieren, viele werden sich auf den Weg machen, und das ist wunderbar. Wenn Gott keine unvollkommenen Predigten benutzen würde, dann sähen wir alle alt aus.“ Gleichzeitig habe aber die Aufforderung der Schrift zur Unterscheidung und Prüfung „nichts mit Richten, Sich-Überheben oder Kritiksucht zu tun“, vielmehr „mit dem mündigen Mitdenken eines Christenmenschen“.

Hartl machte darauf aufmerksam, dass es heutzutage „immer öfter als lieblos empfunden“ werde, wenn man mit jemandem nicht übereinstimme, doch dürften Christen in diesen Trend nicht mit einstimmen. „Es ist nicht lieblos, zu widersprechen. Nur so geschieht Dialog, nur so geschieht Erkenntnis. Es erschreckt mich zu sehen, für wie viele Christen es scheinbar geradezu anmaßend und unverschämt ist, wenn man den Argumentationsgang einer Predigt kritisch hinterfragt“. Gleichzeitig bitte er „jeden ausdrücklich, meine eigenen öffentlichen Aussagen kritischer Prüfung zu unterziehen und sich gerne dazu auch öffentlich zu äußern. Nur so reifen wir alle.“

Der Augsburger Theologe fasste nochmals zusammen: „Die Botschaft, dass die Liebe göttlich sei und die Liebe allein die Welt rettet: diese Botschaft ist zwar wahr, doch weder ist sie schon christlich, noch ist sie das Evangelium. Auch weite Teile des Hinduismus lehren in etwa das. Und ich behaupte, dass die große Begeisterung, die Currys Predigt ausgelöst hat, auch der Tatsache geschuldet ist, dass sie in diesem Sinne dem humanistischen Mainstream entspricht. Dass die Liebe der Weg ist… na, wer glaubt das denn nicht? Und dass Jesus dafür gestorben ist, OK das ist sicherlich für viele neu. Doch die Pointe des Evangeliums ist eine andere. Und das ist eben kein Haar in der Suppe, sondern eher eine Suppe ganz ohne das Wasser. Denn dass wir Menschen eben der Nicht-Liebe verfallen sind und deshalb aus eigener Kraft trotz aller Versuche zu lieben uns immer wieder ins Böse verstricken und dass allein das Kreuz Jesu uns aus diesem Verhängnis erlöst: das ist eben keine Nebensache. Tatsächlich kam in Currys Predigt die Aussage kurz vor, dass Jesus gestorben sei uns zu erretten. Im Gesamtflow der Predigt wirkte es aber eher in der Richtung, dass Jesus das getan habe, um uns ein Beispiel von ‚sacrificial love‘ zu geben. Und das ist zwar wahr, aber bedeutend zu wenig.“


Bischof Curry ist in seiner zur Gemeinschaft der Anglikaner gehörenden kirchlichen Gemeinschaft dafür bekannt, dass er sich für eine kirchliche Trauung von Homopaaren ausspricht, er wurde Mai 2016 vom aktuellen Anglikanischen Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, in die zehnköpfige Arbeitsgemeinschaft zur Diskussion dieser Frage ernannt. Curry wurde mit einigen anderen hochrangigen Anglikanern im Oktober 2016 von Papst Franziskus zu einer privaten Begegnung empfangen worden.

In seiner Predigt zitierte Curry verschiedene Quellen, darunter Martin Luther King, ein afro-amerikanisches Spiritual, Schriftstellen aus den neutestentlichen Briefen sowie den französischen katholischen Jesuitenpater Pierre Teilhard de Chardin.

Leiter des Gebetshauses Augsburg, Dr. Johannes Hartl, bei einem Vortrag


Episkopalbischof Michael Curry - Predigt bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle (in voller Länge,englisch)



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