25. Mai 2018 in Kommentar
Die Gesellschaft katholischer Publizisten wird zu prüfen haben, wie lange sie sich Joachim Frank (Kölner Stadtanzeiger) noch als Vorsitzenden leisten will. Gastbeitrag von Prof. Rudolf Schöttler
Bensberg (kath.net) kath.net dokumentiert den Brief Gedanken und Erinnerungen von Prof. Rudolf Schöttler an den Münsteraner Bischof Felix Genn in voller Länge:
Gedanken und Erinnerungen
Sehr geehrter Herr Bischof Genn,
bitte haben Sie Nachsicht für mein Anliegen. Als gebürtigen Münsteraner hat mich der Katholikentag besonders bewegt. Die eindrucksvollen Bilder vom Domplatz stellten sofort eine Verbindung zu unserem hochverehrten Kardinal Galen her, und die Schlossanlage erinnerte mich an meinen Vater, der im Seitengebäude rechts seinen Dienstsitz hatte.
Auslöser für dieses Schreiben war dann aber der Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers vom 10./11. Mai, nach dem Sie sich über Hetze der AfD gegen Menschen mit Behinderungen geäußert hätten. Einschlägige Negativerfahrungen mit dem Verfasser Joachim Frank machten mich stutzig, und so bat ich Ihre Pressestelle um Auskunft. Von dort erhielt ich durch Ihre Mitarbeiter Pia Albers am 10. und Thomas Mollen am 11. Mai, also in dankenswerter Rekordzeit, eine Nachricht über den wahren Sachverhalt. Danach haben Sie allgemein von Hetze gesprochen. Ein weiteres Beispiel für die besondere journalistische Arbeitsweise von Joachim Frank, der auf tragische Weise seine Talente verschleudert. Die Gesellschaft katholischer Publizisten wird zu prüfen haben, wie lange sie sich ihn als Vorsitzenden noch leisten will.
In den letzten Kriegsjahren ließ mein Vater, von Westfalen in die Diaspora nach Niedersachsen strafversetzt, mich mit großer Vorsicht in die Schreibmaschinenabschrift einer der großartigen Predigten von Bischof Galen schauen. Dessen mutigen Worte und die klaren Aussagen von Kardinal Frings mündeten viele Jahre später in meine Initiative zur Gründung Liberaler Gesprächskreis Lebensrecht Eine Initiative in der FDP. Dies wiederum führte zu meiner Podiumsbeteiligung auf dem Forum des Berliner Kirchentages zu Fragen des Lebensrechtes, zusammen mit Prof. Böckle, Bundesministerin Däubler Gmelin und anderen. Der stärkste Beifall des Publikums fiel auf meine Bemerkung zur Qualität der öffentlichen Diskussion : Wenn das Fernsehen etwa die Abläufe bei der vorgeburtlichen Tötung von Kindern mit der selben Offenheit darstellen würde, wie dort über Verbrechen, Gewalt und Sex laufend berichtet wird, dann wäre das öffentliche Meinungsbild über die Abtreibungsfragen weit wahrheitsgetreuer.
Unsere Dialogkultur hat sich zum Nachteil für den demokratischen Zusammenhalt weiter verschlechtert. Vermehrt werden statt sachbezogener Auseinandersetzung Betroffenheits- und Empörungsrituale gepflegt und vordergründig angebliche Motive unterstellt und bekämpft. Unsere Kirche wirkt nicht etwa mäßigend, sondern mischt kräftig mit. Das Gegenteil von Souveränität ist für mich etwa, wenn sie sich hier in Köln an einer Demonstration gegen den AfD-Bundesparteitag beteiligt. Nur nebenbei, ebenso nicht souverän ist die schreckliche Anpassung im Sprachlichen: Liebe Christinnen und Christen, liebe Botinnen und Boten !
Zurück zum Stichwort Hetze gegen Menschen mit Behinderungen. Die AfD hatte eine Kleine Anfrage zum Thema Schwerbehinderte gestellt. Dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, einem Parteimitglied der Linken, gelingt es zusammen mit anderen Verbänden auf raffinierte Weise, diese parlamentarische Aktion in der Öffentlichkeit massiv zu diffamieren. Im Wettlauf des Medienechos beteiligt sich leider unsere Kirche an herausragender Stelle: Prälat Jüsten, Kommissionariat der deutschen Bischöfe, bezeichnet die Anfrage als menschenverachtend und zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben unterscheidend, alles ohne Beleg. Eine Unterzeichnerin der Anfrage ist sogar selber Mutter eines behinderten Kindes
Wird nicht umgekehrt ein Schuh daraus? Ist nicht die Tabuisierung der medizinischen Zusammenhänge menschenverachtend? Nicht von ungefähr besteht bei uns das Inzestverbot, und die verbreiteten Verwandtenehen im arabischen Raum sind bekannt. Schon wird gefordert, das Inzestverbot aufzuheben - Ehe für alle! Ich empfehle den beiliegenden Text des Neuropsychologen Professor Meins. Er beschreibt die wissenschaftlichen Fakten. Vor Jahren seien diese in führenden Zeitungen sachlich diskutiert worden, und jetzt bei der AfD-Anfrage die gekünstelte Empörung. Und die Unterscheidung nach dem angeblichen Lebenswert ist bei uns doch gesellschaftliche Praxis. Kinder mit Behinderungen werden weitgehend vor ihrer Geburt getötet.
Es ist schon grotesk. Fast wahnhaft folgen führende Vertreter unserer Kirche dem derzeitigen Mainstream bei der Verteufelung der AfD. Es wird z.B. einfach nicht zur Kenntnis genommen, dass wesentliche Programmpunkte deutlich stärker als bei den übrigen Parteien christlichen Grundsätzen entsprechen Lebensrecht ungeborener Kinder, Ehe und Familie, Ablehnung von Frühsexualisierung der Kinder und Gender. Papst Franziskus bezeichnet Gender als Ideologie des Teufels.
Betrachten Sie bitte mich nicht als Protagonisten der AfD. Bei meiner Beschäftigung mit dem Eingangsproblem komme ich aber automatisch zu meinen Feststellungen. Ich bin auch sofort bereit, bei Kenntnis einschlägiger Fakten meine Beurteilung in der Frage der Schwerbehinderten zu ändern. Für Ihre Hilfe wäre ich dankbar. Einstweilen verbleibe ich wie oft in meinem Leben auf der Seite der Minderheit. Ebenso erwarte ich von Seiten der Kirche eine Richtigstellung nach Vorliegen neuer Erkenntnisse. Ein verstorbener Freund berichtete mir vor Jahren über ein Gespräch mit einem Ihrer Mitbrüder. Danach hatte er diesem vorgehalten, auch Bischöfe müßten bereuen können.
Sehr geehrter Herr Bischof Genn, die geschilderten Vorgänge und der Münsteraner Katholikentag haben auch mich sehr berührt. Großartige Ereignisse und Politspektakel haben sich abgewechselt. Die Verantwortlichen müssen schon aufpassen. Und ich habe ab und zu gedacht: Jetzt fehlt ein donnerndes Bischofswort unseres seligen Clemens August Graf von Galen!
Mit vorzüglicher Hochachtung
Prof. Dr. Rudolf Schöttler
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