14. Juni 2018 in Kommentar
Die Gleichstellung zwischen Mann und Frau sollte eingehalten werden, ebenso die Gleichstellung der Religionen. Ein staatlich anerkannter Islam steht zur Debatte. Gastkommentar von Giuseppe Gracia/Blick.CH
Chur (kath.net/Blick.CH)
Kürzlich wurde ich vom Schweizer Fernsehen in die Sendung «Club» eingeladen. Es ging um den Vorschlag der SP, den Islam staatlich anzuerkennen, sofern Prinzipien wie die Gleichstellung von Mann und Frau eingehalten werden. Die Hoffnung: ein angepasster Schweizer Islam. Die Realität: Schon grosse Nachbarn wie Frankreich und Deutschland scheitern an der staatlichen Heranzüchtung eines Euro-Islam, während weltweit gesehen alle islamisch geprägten Länder totalitär sind und die Scharia über die Menschenrechte stellen.
Trotzdem ist die Integration der Muslime in der Schweiz ein wichtiges Anliegen. Ein moderner Rechtsstaat soll Menschen jedoch nicht religiös integrieren, sondern gesellschaftlich und kulturell: über Schule, Arbeitsmarkt, Sportvereine, Kulturvereine. Der Staat muss religionsneutral den Einzelnen adressieren, statt auf Glaubensgruppen zu setzen, sonst schiebt er zwischen sich und seine Bürger religiöse Institutionen und Autoritäten und stärkt diese. Ein liberaler Staat soll grundsätzlich keine Religionen organisieren und finanzieren. Das verhindert die Trennung von Staat und Religion.
Formale Gleichbehandlung
Natürlich ist der Ruf nach Gleichbehandlung aller Religionen legitim. Früher waren die meisten Schweizerinnen und Schweizer entweder reformiert oder katholisch, heute herrscht ein grosser Pluralismus. Es ist nicht gerecht, wenn weiterhin nur die klassischen Kirchen privilegiert werden. Aber statt wie die SP vorschlägt, nun auch den Islam ins mittelalterliche System einer staatlich organisierten Religion aufzunehmen, könnte man umgekehrt allen Religionen die Privilegien wegnehmen. Auf diesem Weg könnte der Staat ebenfalls formale Gleichbehandlung erreichen ganz ähnlich wie die USA, die alle Religionen als private Organisationen gleich behandeln und seit Jahrzehnten vorbildlich darin sind, verschiedenste Gruppen zu integrieren.
Bald startet die Fussball-WM in Russland, dann können wir unsere Nationalmannschaft anfeuern. Diese ist für mich ein Spiegel der bunten Schweiz: Menschen unterschiedlichster Herkunft und Religion, und doch alle in der gleichen Mannschaft. Für mich ein grossartiges Beispiel für gelungene Integration, ganz aus der Kraft der Zivilgesellschaft. Eine Kraft, an die man auch ohne Religion glauben kann.
Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.
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