Ist es Zeit für Papst Franziskus zurückzutreten?

5. September 2018 in Kommentar


Wenn die brisanten Behauptungen eines Erzbischofs gerechtfertigt sind, dann muss das jetzige Papstamt zu Ende gehen. Von Robert P. George / Wallstreet Journal


USA (kath.net)
Vor kurzem hat die ganze Welt erfahren, dass Erzbischof Theodore McCarrick Seminaristen sexuell belästigt und verführt, und sogar Kinder geschändet hat. Fassungslose und wütende Katholiken fragen wie es sein kann, dass die Kirchenführer es versäumt haben seinen jahrzentelangen Taten Einhalt zu gebieten. Am Samstag dann, kam eine vermeintliche Antwort. Erzbischof Carlo Maria Viganò veröffentlichte einen „Bericht“, in dem er mehrere Kirchenführer – darunter Papst Franziskus – beschuldigt Erzbischof McCarrick, der auch Kardinal war, zu viel Einfluss gewährt zu haben, obwohl seine bösen Taten bekannt waren. Erzbischof Viganò, ehemaliger päpstlicher Nuntius (oder Botschafter) in den USA, hat den Papst aufgefordert zurückzutreten.

Viele Katholiken sind einverstanden, dass der Papst zurücktreten müsse, falls die Anschuldigungen stimmen sollten. Was wusste der Papst über die McCarrick-Affäre und ab wann wusste er davon?

Nach Erzbischof Viganò, hat Papst Benedikt XVI Kardinal McCarrick befohlen das Priesterseminar, in dem er lebte, zu verlassen, sich dem stillen Gebet und der Buße zu widmen und das öffentliche Leben in der Kirche zu meiden. Erzbischof Viganò erzählt, dass für all seine öffentlichen Auftritte nach diesem Zeitpunkt, sogar während der Amtszeit von Papst Benedikt (und manchmal mit Erzbischof Viganò selbst), die Freunde des Kardinals in der römischen Kurie, mit legendär guten Beziehungen, in die andere Richtung geschaut hätten, als er die gegen die Sanktionen verstieß.

Erzbischof Viganò behauptet, dass der Nachfolger von Erzbischof McCarrick in Washington, Donald Kardinal Wuerl, schamlos lügt, wenn er erklärt, dass er nichts von der Unmoral und der Kriminalität seines Vorgängers wusste. Kardinal Wuerl bestreitet auch vehement von offizieller Seite Dokumente und Informationen über die Sanktionen gegen seinen Vorgänger erhalten zu haben. Irgendjemand sagt hier nicht die Wahrheit!

Der Bericht von Viganò enthält Zitate und Details über Daten und Meetings – aber auch Schlussfolgerungen und Unterstellungen. Skeptiker argumentieren, dass er beleidigt und verärgert ist, dass er nicht zum Kardinal gemacht wird oder dass er sich an jenen Kirchenmännern rächen möchte, die seine „konservative“ Theologie verwerfen. Andere verteidigen ihn, indem sie seine Integrität und seine Liebe für die Kirche unterstreichen.

Diese weisen auch darauf hin, dass nur weniges und auch nur Teile der Anschuldigungen von den Beschuldigten verleugnet werden.
Und doch ist die Debatte um Viganò zweitrangig. Die tatsächlichen Behauptungen seines Berichtes, die auch mit stichhaltigen Beweisen überprüft werden können, sind viel wichtiger. Ich stimme der katholischen Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten zu: Die Fragen, die Erzbischof Viganò aufwirft, „verdienen Antworten, die einzig und allein auf Beweisen beruhen“, denn „ohne diese Antworten, könnten unschuldige Männer von falschen Anschuldigungen schlecht gemacht werden und den Schuldigen würde es ermöglicht werden, die Sünden der Vergangenheit zu wiederholen“. Wir müssen die Beweise die bereits öffentlich sind, berücksichtigen und uns fragen, wie auch der Rest noch ans Licht gebracht werden kann.

Der „National Catholic Register“ hat berichtet, dass jemand aus dem nahen Umfeld von Papst Benedikt bestätigt habe, dass der zurückgetretene Pontifex sich daran erinnert, Sanktionen gegen McCarrick verhangen zu haben. Monsignore Jean-Francois Lantheaume, Ratgeber in der Nuntiatur unter Viganò, hat der Katholischen Nachrichtenagentur mitgeteilt, dass „Viganò die Wahrheit sagt, sonst nichts!“.

Erzbischof Viganò hat außerdem erklärt, dass Monsignore Lantheaume bereit sei zu bezeugen, dass sein Vorgänger in der Nuntiatur, die Sanktionen von Papst Benedikt an Kardinal McCarrick übermittelt habe. In seinem Bericht stellt Viganò stellt fest, dass „alle Memos, Briefe und anderen Dokumente, die hier erwähnt werden, im Staatssekretariat des Heiligen Stuhls oder in der apostolischen Nuntiatur in Washington, DC liegen“.

Mehrere Dokumente könnten ein für alle Mal klären wer lügt:

• der Bericht des ehemaligen Nuntius Gabriel Montalvo aus dem Jahre 2009, in dem er den Vatikan von den Vergehen von Kardinal McCarrick in den 1980er und 1990er Jahren in Kenntnis setzt

• die an den Vatikan gerichteten Memos von Erzbischof Viganò aus den Jahren 2006 und 2008 bezüglich dieses Themas

• und die Anweisungen von Papst Benedikt an den Staatssekretär, die Sanktionen zu verhängen.

Die Briefe vom Vatikan an die Nuntiatur, vom Vatikan an Kardinal Wuerl und von einem Angestellten des Vatikans an Erzbischof Viganò bezüglich der Sanktionen, wären ebenso von Interesse.

Es sollte auch ermittelt werden, ob Erzbischof Viganò am 23. Juni 2013 Papst Franziskus zwischen der Morgenmesse und dem Mittagsangelus getroffen hat. Denn zu diesem Zeitpunkt, behauptet er, den Papst von der Akte McCarrick unterrichtet zu haben. Auch diese Akte sollte öffentlich gemacht werden.

Jegliches Material, dass aufzeigt, dass der Papst etwas von den Sanktionen gegen McCarrick vor dem Treffen am 19.Juni 2013 wusste, wäre entscheidend. Der Bericht von Erzbischof Viganò enthält keine klaren Aussagen darüber, ob Papst Franziskus die Sanktionen „aufgehoben“ hat, auch wenn einige Berichte dies behaupten. Aber er sagt, dass Papst Franziskus seit zumindest Ende 2013 von einer Akte wusste, in der schwere sexuelle Vergehen genau beschrieben werden.

Wenn der Papst von dieser Akte wusste und den Kardinal trotzdem ermächtigt hat, fünf Jahre lang die Kirche zu repräsentieren und zu beeinflussen, dann gibt es die größten Zweifel an der Zukunft des Pontifex.

Papst Franziskus hat Reportern am Sonntag mitgeteilt, dass er kein Wort zu den Behauptungen von Erzbischof Viganò sagen würde. Er fügte hinzu, dass sie selbst eine Entscheidung treffen müssten. Das ist nur möglich, wenn der Papst den Kirchenführern in allen Ämtern, in denen sich einschlägige Dokumente befinden, anordnet, diese zu veröffentlichen. Dann werden wir die Wahrheit kennen.

Der Artikel erschien ursprünglich im Wallstreet Journal. Copyright der Übersetzung by kath.net, Übersetzung durch Stefanie Schelch

Robert P. George ist Professor für Rechtssprechung an der Princton Universität und Gastdozent an der juristischen Fakultät von Harvard. Er war Berater von 3 US-Präsidenten und gilt als einer der wichtigsten Laienkatholiken der USA.

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