Die Stunde der Propheten

10. September 2018 in Kommentar


Was können Laien nach dem Fanal von Pennsylvania tun? Ohnmächtig stehen manche vor dieser medialen Katastrophe. Wie kann, wie soll man sich aktuell gegenüber nichtkatholischen Freunden und Kollegen positionieren? - Ein Kommentar von Fingolfin


Rom (kath.net)
Im Licht der jüngsten Ereignisse würde sich meine Beziehung zur Kirche mit Facebook so beschreiben lassen: Its complicated. Ich denke, da spreche ich für viele. Die alten (V)erklärungsversuche, der Whataboutismus, die die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle prägte zieht einfach nicht mehr. Wir müssen schweren Herzens akzeptieren, dass die der Missbrauch in der Kirche ein globales Thema ist. Und wir müssen, noch schweren Herzens, akzeptieren, dass anscheinend alles bisher getane nicht wirklich geholfen hat.

Sicherlich gibt es gute Ansätze und wirklich heiliges Wirken von Menschen, die beispielsweise Missbrauchsopfern beistehen, aber ob der Rauch Satans damit aus der Kirche verschwunden ist? Wohl kaum; man mag aktuell kaum darauf warten, was für Abgründe sich in einer anderen Diözese der Welt auftun. Das Vertrauen in die diesseitige Kirche ist aktuell sehr angeschlagen.

Noch schlimmer sieht es bei anderen Laien aus, hat sich dort doch schon lange vor Pennsylvania ein Graben aufgetan. Überspitzt formuliert lässt sich das (Fuß-)Volk Gottes in zwei Lager aufteilen: Die Franziskusfresser und die Papal Fanboys. Bei den einen hat man fast den Eindruck, als würde ihnen die Welle an Missbrauchsvorwürfen nur recht kommen. Der Papst solle jetzt abdanken rufen sie. Seltsam, dass gerade traditionell gesinnte Katholiken fordern, dass der Papst sich dem Ruf der Laien beugen soll…

Auf der anderen Seite des Spektrums sieht es nicht besser aus: Jene meinen, dass ein Papst per definition immer recht hat. Der Papst hat aus deren Sicht immer recht, es sei denn ein anderer ist Papst. Dann hat dieser andere recht. Unwillkürlich muss ich dabei immer an die Flagge in Dantes göttlicher Komödie denken, die unstete Fahne, der die Massen des Limbus im Kreis hinterherrennen. Das ist nicht katholisch! Gehorsam, Loyalität bedeutet nicht, einen Wendehals zu haben und auch nicht, seine Vernunft an der Kirchenpforte abzugeben.

Der Ruf der Laien - das Werk der Propheten

So weit, so bitter. “Complicated” ist aber was anderes als getrennt. Mein Glaube in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche brennt weiterhin, ja, vielleicht sogar heller denn je. Die Kirche ist so unendlich viel größer als die hienieden streitende Kirche und hat keinen geringeren als Gott auf ihrer Seite. Ist Gott mit uns, wer ist dann gegen uns?

Gott ist “der Treue und Wahrhaftige”. Wir Christen sollen vollkommen sein, wie es der Vater im Himmel ist. So sollen wir also Treu sein. Stehen wir zu dieser Kirche, diesem im Augenblick an vielen Stellen schrecklichen Misthaufen! Beten wir für sie, Fasten, Büßen wir für sie. Und ja, ich denke, gerade was das Fasten und Büßen betrifft kann jeder Christ an sich arbeiten. Hier können wir uns an der Katholikenszene Amerikas orientieren. Ein Program wie Exodus 90 (https://exodus90.com) wäre in der Lage, eine neue Generation von Heiligen zu schaffen. Auch jene, wie mir, denen das Programm von Exodus 90 noch zu hart ist kann es eine gute Inspiration und Orientierung sein, speziell in Zeiten des Gebets, des Fastens und der Buße.

Doch wir sollen auch Wahrhaftig sein! Nein, wir sind nicht einfach brave Betschwestern, die nun für die Missetaten, das Vertuschen und das Schweigen verschiedener Würdenträger geradestehen, als Gottes Volk haben wir Anteil am Prophetenamt Christi! Und ich denke, das ist es, was die Welt braucht: Propheten. Was ist ein Prophet? Der Prophet ist die Stimme aus dem Off, das unerwartete Wort Gottes. An Amos sehen wir das im Extrem, er ist eigentlich ein Maulbeerenritzer. Und doch erging das Wort Gottes an ihn in einer solchen Intensität, dass er nicht schweigen konnte.

Wo ist Amos heute? Wo sind Jeremiah, Jesaja, Ezechiel? Und wer würde heute auf sie hören? Ich denke, dass das Amt des Propheten das Amt ist, welches seit langen bagatellisiert wurde. Während der König für die weltliche und der Priester für die geistliche Macht steht steht der Prophet für das Wort Gottes, welches überraschend, ungeachtet des Amtes kommen kann. Das jüdische Volk hatte zwar immer eine Haßliebe zu den Propheten, aber niemand kann behaupten, dass sie ignoriert wurden. Im denken des alten Israels, war immer ein Bewußtsein um diese Stimme Gottes vorhanden: Bei den Mächtigen als Menetekel, bei den Armen als Hoffnung und vielleicht als Aufgabe.

Das ist es, was wir brauchen: Christen, die laut eine heilige Kirche fordern! Weder Whataboutismus noch Rücktrittsforderungen, sondern den Ruf nach einer Reinigung des Augiasstalls, der die Kirche aktuell ist! Ich wünsche mir Demonstrationen der Laien und des niederen Klerus, die genau das darstellen: Keine kleinlautes, trotziges “trotzdem katholisch”, sondern eine Stimme in der Wüste, die lautes, wütendes Schreien nach Gerechtigkeit und Heiligkeit!

Ich wünsche mir einen lauten Protest, ein Aufbegehren, nicht gegen die Kirche, nicht gegen den Papst, sondern für die Kirche, für eine heilige Kirche!


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