16. September 2018 in Österreich
Emeritierter Bischof von St. Pölten: Bin dafür dankbar, dass gerade in den letzten Jahren seitens der politischen Verantwortungsträger für den Verbleib der Kreuze in den öffentlichen Gebäuden gekämpft wurde Der Glaube darf nicht verloren gehen
St. Pölten (kath.net/dsp) kath.net dokumentiert die Abschiedspredigt des emeritierten Bischofs von St. Pölten, Klaus Küng, im Dom zu St. Pölten, 16. September 2018 in voller Länge:
Verehrter Apostolischer Nuntius, lieber Erzbischof Franz, lieber Bischof Alois und alle Mitbrüder im Bischofsamt, hochw. Herren Äbte, lieber Herr Superintendent, liebe Mitglieder des Domkapitels, Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, Herr Landeshauptfraustellvertreter, Herr Bürgermeister und alle Vertreter des öffentl. Lebens, liebe Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, liebe Angehörige, liebe Brüder und Schwestern!
Die liturgischen Texte des 24. Sonntags im Jahreskreis sind für eine Danksagung und die Formulierung einiger Segenswünsche eine etwas steile Vorlage, aber nach einigem Nachdenken fand ich, dass sie eigentlich doch ganz gut passen.
Ich bin dankbar für den Weg, den ich geführt wurde. In meiner Jugend hatte ich ganz andere Pläne und Vorstellungen für mein Leben. Ich dachte nicht daran, Priester zu werden oder gar Bischof.
Es war nicht immer einfach, obwohl ich von Anfang an auch viel Schönes erfahren durfte. Oft habe ich Gegenwind gespürt, aber eigentlich hatte ich immer den Eindruck: Jesus ist gegenwärtig. Manchmal schien es mir der Jesus, den der Prophet Jesaja ankündigt, Jesus, der sich nicht wehrt, der den Rücken hinhält, der sein Gesicht nicht verbirgt vor jenen, die ihn schmähen. Zugleich wurde mir seitens vieler Gläubigen Bestärkung und Liebe zuteil. Es hat mir in diesen Jahren zugesetzt festzustellen, wie an vielen Orten die religiöse Praxis abnimmt und der Glaube zu schwinden scheint, aber fast überall bin ich auch Menschen begegnet, die wie Petrus bekennen: Du bist der Messias!
Sehr dankbar bin ich meiner Familie, meinen Eltern und vor allem meinen Geschwistern. Ich freue mich, dass heute alle da sind, auch ein Teil deren Kinder und Enkel. Die Familie war mir immer ein fester Rückhalt, irgendwie auch mein Stolz.
Dankbar bin ich meinen Mitarbeitern. Ich freue mich, dass Bischof Elmar gekommen ist. Er war in Feldkirch mein Generalvikar. Und hier in St. Pölten: waren es in den ersten Jahren Leopold Schagerl und danach Eduard Gruber. Beiden bin ich sehr verbunden. Diese Aufgabe ist nicht einfach. Sehr verbunden bin ich Weihbischof Anton, der von Anfang an eine große Hilfe war, um in der Diözese Wege zu finden, die zum Frieden führten. Da haben freilich auch noch andere mitgeholfen. Dankbar bin ich auch den vielen Mitarbeitern in den verschiedenen diözesanen pastoralen Bereichen, ebenso den Stiften für die gute Zusammenarbeit und ihren wichtigen seelsorglichen Beitrag.
Besonders freut mich, dass die Ökumene gut vertreten ist. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden.
In diesen Jahren ist mir als Bischof immer noch klarer bewusst geworden: wir stehen in der Kirche, aber auch in Gesellschaft und Politik vor sehr großen Herausforderungen.
Es freut mich sehr, dass der Herr Nationalratspräsident, der Landeshauptfraustellvertreter, der Bürgermeister der Stadt St. Pölten und viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, auch aus den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Medien bei dieser Verabschiedung anwesend sind. Ich bin sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit, die in der einen oder anderen Form in diesem Land eigentlich auf allen Ebenen gegeben ist. Das ist nicht selbstverständlich. Besonders dankbar bin ich dem em. LH Dr. Erwin Pröll für sein großartiges Engagement und die freundschaftliche Verbundenheit.
Ich denke: man darf sagen, dass die Menschen hier im Großen und Ganzen großzügig und kooperativ sind. Mich hat die Flüchtlingsfrage beeindruckt. Diese Thematik ist zwar delikat und schwierig, aber Ich erwähne sie trotzdem. Anfangs, als die Flüchtlingsfrage akut wurde und das Drängen auch von politischer Seite stärker, war es aus unterschiedlichen Gründen nicht einfach, die verschiedenen kirchlichen Einrichtungen zum Mittun zu gewinnen. Dann war ich beeindruckt, wie viele nicht nur Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellten, sondern auch zum persönlichen Engagement bereit waren. Das hat mich gefreut und mit Hoffnung erfüllt, auch in Erinnerung an das Wort des Jakobus, das wir heute in der 2. Lesung vernommen haben. Dort hieß es, ein Glaube ohne Werke sei tot, aber auch: Zeig mir deinen Glauben ohne Werke, und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund meiner Werke. Ich dachte mir; also etwas ist doch da. Ich bin davon überzeugt: wir müssen alles tun, damit wir nicht verlernen, großzügig zu sein. Europa darf sich nicht abriegeln, auch Österreich nicht. Die Probleme sind sicherlich komplex, aber jenen, die wirklich in Not sind, müssen wir helfen.
Unter den Teilnehmern dieser Abschiedsfeier befinden sich langjährige Freunde und Mitarbeiter aus den österreichweiten Bereichen Familie, Lebensschutz, Bioethik und Finanzen. Mit vielen ist im Laufe der Jahre eine persönliche Verbundenheit, ja Freundschaft entstanden, auch wenn wir nicht immer in allem einer Meinung waren. Die Familie ist und bleibt ein großes Thema, auch das Ja zum Leben. Vor einigen Tagen hat mich jemand angesprochen, ob man nicht die Gelegenheit dieses Gottesdienstes nützen könnte, um zur Unterstützung der Bürgerinitiative Fairändern einzuladen. Ich habe zur Antwort gegeben, dass ich nichts dagegen habe, im Gegenteil. Es sollte aber niemand den Eindruck bekommen, dass er überfahren wird. Diese Initiative möchte die Politiker dazu bewegen, endlich einige nötige Verbesserungen der Gesetzeslage zum Schutz des Lebens umzusetzen, die auch schon Aktion Leben wiederholt gefordert hat.
Wenn ich mich heute als Bischof von St. Pölten verabschiede, trage ich für die Diözese St. Pölten, für das Land Niederösterreich und ganz Österreich große Wünsche im Herzen.
Einer meiner wichtigsten Wünsche bezieht sich auf die Familie und den Glauben in der Familie. Ich habe vorher erwähnt, dass ich in diesen Jahren immer wieder auch wirklich gläubigen Menschen begegnet bin. Das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass ich in den Pfarren viel Not wahrgenommen habe in Bezug auf die Kinder, die sich auf die Erstkommunion vorbereiten, oder in Bezug auf die Jugendlichen, die gefirmt werden. Sehr oft fehlt diesen Kindern und Jugendlichen insbesondere bezüglich des Religiösen der Rückhalt in der Familie. Wie sollen sie den Weg zu Gott, zu Christus finden?
Der Glaube darf nicht verloren gehen. Ohne den Glauben verlieren die Menschen ihre Wurzeln, beginnt der Egoismus immer stärker Überhand zu nehmen. Auch der Wohlstand und der soziale Frieden sind langfristig bedroht, wenn jeder nur sich selbst sucht. Der Familie kommt in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Es ist ein großes Anliegen, dass die christlichen Familien und jene, die es werden möchten, befähigt werden, ihre Aufgabe in einem säkularisierten Umfeld wahrzunehmen. Ich gehe davon aus, dass sie in Zukunft in der Glaubensvermittlung tragend sein werden. Eigentlich sind sie es schon jetzt.
Aber da ist noch etwas: Mir selbst wäre wahrscheinlich für diesen Anlass der Gedanke nicht in den Sinn gekommen, aber je mehr ich darüber nachdachte, wurde mir bewusst, dass ich über den zweiten Teil des heutigen Sonntagsevangeliums nicht einfach stillschweigend hinweggehen darf.
Petrus meint, Jesus vom Leiden abhalten zu müssen und empfängt eine sehr barsche Abfuhr. In der Wohlstands- und Vergnügungsgesellschaft ist dieser Petrus, der es ja eigentlich gut meint und den Weg leichtmachen möchte, überall gegenwärtig. Es gibt aber keine Nachfolge Christi ohne Bejahung seines Kreuzes, es gibt kein Christentum ohne Bereitschaft zu Hingabe und es ist keine wahre Liebe, die meint, alles sei immer einfach und leicht. Auch diesbezüglich ist die christliche Familie die beste und wichtigste Schule.
Ich bin dafür dankbar, dass gerade in den letzten Jahren seitens der politischen Verantwortungsträger für den Verbleib der Kreuze in den öffentlichen Gebäuden gekämpft wurde. Dieser Kampf ist wichtig. Es darf aber nicht übersehen werden, dass es unser ganzes Leben betrifft. Und damit verbindet sich ein Anliegen, es betrifft die Verkündigung, die Pädagogik, die Familie und das Streben jedes Einzelnen. Es ist ein wichtiges Anliegen.
So wünsche ich der Diözese St. Pölten, dem Land Niederösterreich und ganz Österreich auch für die Zukunft eine positive Entwicklung, bei der der Glaube an Gott nicht zu kurz kommt, christliche Familien heranwachsen, die in einem säkularen Umfeld bestehen können, und bei der in den Herzen junger Menschen Gottes Rufen erwacht. Dir, lieber Bischof Alois, und allen Deinen Mitarbeitern wünsche ich den Beistand des Hl. Geistes. Möge die Mutter Gottes, die magna Mater Austriae, Fürsprecherin sein.
Archivfoto Bischof Küng (c) Diözese St. Pölten
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