7. Oktober 2018 in Buchtipp
Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft. Ein neues Buch von Rod Dreher. Jeden Sonntag um 18 Uhr Leseprobe. Leseprobe 1
Linz (kath.net)
Leseprobe 1 (aus Kapitel 1)
Uns Christen im Westen droht unsere eigene Jahrtausendflut oder, wenn man dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Glauben schenken mag, eine Eineinhalb-Jahrtausende-Flut: Im Jahr 2012 sagte der damalige Pontifex, die spirituelle Krise, die den Westen ergreift, sei die gravierendste seit dem Untergang des Römischen Reiches gegen Ende des 5. Jahrhunderts. Das Licht des Christentums ist überall im Westen am Verlöschen. [ ]
Die Gewitterwolken haben sich schon seit Jahrzehnten am Himmel zusammengeballt, aber die meisten von uns Gläubigen haben sich der Illusion hingegeben, sie würden vorüberziehen. Der Zusammenbruch der natürlichen Familie, der Verlust tradierter moralischer Normen und die allgemeine Fragmentierung der Gesellschaft waren Entwicklungen, die uns zwar beunruhigten, von denen wir aber meinten, sie würden sich wieder beheben lassen. Zumindest sahen wir darin kein Anzeichen dafür, dass mit unserer Herangehensweise an den Glauben etwas Grundlegendes nicht in Ordnung sein könnte. [
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Auch das vermeintliche Hochplateau unserer Kirchen ist kein sicherer Boden mehr. Man könnte ja denken: Na, was macht das schon, wenn die Leute um uns herum unsere Moralvorstellungen nicht teilen? Wir können unseren Glauben und unsere Lehren immer noch innerhalb unserer Kirchenwände bewahren. Aber diese Annahme setzt ein ungerechtfertigtes Vertrauen in die Gesundheit unserer religiösen Institutionen. Die Veränderungen, die den Westen in der modernen Zeit ergriffen haben, haben absolut alles revolutioniert sogar die Kirche, die nicht mehr Seelen formt, sondern Egos verpflegt. [
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Viele Kirchen [...] werden von einer heimtückischen Art von Säkularismus ausgehöhlt, der dazu führt, dass dort eine Version von Christentum gelehrt wird, der jedwede Kraft und Lebensfähigkeit fehlt. [
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Im Jahr 2005 untersuchten die Soziologen Christian Smith und Melinda Lundquist Denton das religiöse und spirituelle Leben amerikanischer Teenager aus einer Vielzahl unterschiedlicher Herkunftsmilieus und stellten fest, dass [...] nur 40 Prozent der befragten jungen Christen angaben, ihre persönlichen Moralvorstellungen gründeten auf der Bibel oder irgendeiner anderen Form religiösen Bewusstseins. Selbst von diesen Gläubigen ist kaum anzunehmen, dass ihr Glaube biblisch kohärent ist. Viele dieser Christen sind in Wirklichkeit entschiedene moralische Individualisten, die eine kohärente biblisch begründete Moral nicht einmal kennen, geschweige denn praktizieren. [ ]
Dies sind keine schlechten Leute. Vielmehr sind es junge Erwachsene, die von ihrer Familie, ihrer Kirche und anderen Institutionen, die ihr Gewissen und ihre Vorstellungskraft gebildet oder vielmehr gerade nicht gebildet haben, furchtbar im Stich gelassen wurden. [ ]
Es geht nicht nur um unser eigenes Überleben. Wenn wir für die Welt das sein wollen, von dem Christus will, dass wir es seien, dann werden wir mehr Zeit abseits von der Welt verbringen müssen, in tiefem Gebet und umfangreichem spirituellem Training ebenso wie Jesus sich zum Gebet in die Wüste zurückzog, ehe Er die Menschen lehrte. Wir können der Welt nicht geben, was wir selbst nicht haben. Wären die alten Hebräer von der Kultur Babylons assimiliert worden, hätten sie aufgehört, ein Licht für die Welt zu sein. Und genauso ist es mit der Kirche. [ ]
Es steckt ein verborgener Segen in dieser Krise, wenn wir ihn nur wahrnehmen wollten. So wie Gott im Alten Testament Züchtigungen benutzte, um Sein Volk zu rufen, zu Ihm zurückzukehren, so sendet Er womöglich einer Kirche und einem Volk, die durch Egoismus, Hedonismus und Materialismus erkaltet sind, ein ähnliches Gericht. Der kommende Sturm könnte das Mittel sein, mit dem Gott uns rettet.
kath.net Buchtipp
Die Benedikt-Option
Von Rod Dreher
Übersetzer: Tobias Klein
Fe-Medienverlag 2018
400 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-86357-205-1
Preis: Euro 19,95
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