Ablehnung der Organspende ist nicht weniger christlich als Zustimmung

2. Oktober 2018 in Prolife


„Wenn ein Sterbender bereit ist, Organe zu spenden, mag er dies tun. Aber er sollte wissen und akzeptieren, dass die Organentnahme ein tödlicher Eingriff in seinen Sterbeprozess ist.“ Gastkommentar von Prof. Manfred Spieker


Osnabrück (kath.net) Die christlichen Kirchen befürworten die Organspende, so ein Leitender Oberarzt eines katholischen Krankenhauses in Osnabrück. Im Hinblick auf die katholische Kirche ist das nur die halbe Wahrheit. Im Katechismus der Katholischen Kirche von 1997 heißt es in Ziffer 2296 in der Tat, die Organspende sei eine edle und verdienstvolle Tat und soll als Ausdruck großherziger Solidarität gefördert werden. Allerdings ist von der Organspende „nach dem Tod“ die Rede. Papst Benedikt XVI. unterstrich in einer Ansprache auf einem vatikanischen Kongress zum Thema Organspende am 7.11.2008, „dass die einzelnen lebenswichtigen Organe nur ex cadavere entnommen werden dürfen, d.h. wenn der Mensch tot ist“.

Damit ist die sensibelste Frage der ganzen Debatte um die Organspende berührt: Wann ist der Mensch tot? Die katholische Kirche teilt nicht die Auffassung der Transplantationschirurgen, dass der Hirntod der Tod des Menschen ist. Der Hirntod ist der Tod eines wichtigen Organs, aber nicht der Tod des ganzen Menschen. Eine hirntote Schwangere, deren Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes fortgeführt wird, ist ein lebendiger Beleg dafür. Diese Position schränkt konsequenterweise die Möglichkeiten der Transplantationschirurgie deutlich ein. Aber deshalb den Hirntod in der Debatte um die Organspende zu umgehen, ist keine Lösung. Wenn ein Sterbender bereit ist, Organe zu spenden, mag er dies tun. Aber er sollte wissen und akzeptieren, dass die Organentnahme ein tödlicher Eingriff in seinen Sterbeprozess ist.

Es ist deshalb nicht weniger christlich, diesen Eingriff zu verweigern und auch der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD vom 31.8.1990 zur Organtransplantation zu widersprechen, die behauptete, den Interessen des Organempfängers am Weiterleben und erst recht am Überleben sei, bei allem Respekt vor dem fortwirkenden Persönlichkeitsrecht des Toten, Vorrang einzuräumen. Der Hirntote ist eben kein Toter. Aus christlicher Sicht hat die Würde des Sterbenden Vorrang hat vor den Interessen des Kranken an fremden Organen. Es sollte sich deshalb niemand vor der Öffentlichkeit verstecken, wenn er die Organspende ablehnt.

Einig sind sich die beiden Kirchen, dass Organverpflanzungen nicht ohne die Einwilligung des Spenders bzw. seiner Angehörigen vorgenommen werden dürfen, so die Gemeinsame Denkschrift von EKD und Deutscher Bischofskonferenz „Gott ist ein Freund des Lebens“ von 1990. Auch der Katechismus der katholischen Kirche unterstreicht dies: Eine Organspende sei „sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben“. Damit ist klar, dass die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn favorisierte Widerspruchsregelung im Transplantationsrecht bei beiden Kirchen auf Ablehnung stößt.

Prof. Dr. Manfred Spieker (Foto) war Professor für Christliche Sozialwissenschaften am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück und ist jetzt emeritiert.


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