Vor 75 Jahren machte die SS Razzia auf die Juden Roms

7. Oktober 2018 in Chronik


Auch in Rom wurde im Herbst 1943 Jagd auf die jüdische Bevölkerung gemacht - Weil die Pläne im Vorfeld durchsickerten, konnten zahlreiche Menschen vor Verfolgung gerettet werden - Kathpress-Hintergrundbericht von Johannes Schidelko.


Rom (kath.net/ KAP)
Am frühen Morgen des 16. Oktober 1943 stürmte die deutsche SS das jüdische Ghetto in Rom. Alle Zugänge wurden abgeriegelt, bewaffnete Einheiten durchkämmten das winkelige Viertel am linken Tiberufer. Die jüdische Bevölkerung wurde auf die Straße gejagt: Binnen 20 Minuten mussten sich alle mit einem Koffer und Verpflegung für acht Tage zum Abtransport einfinden. Um 14 Uhr waren 1.259 Menschen auf dem Platz vor dem antiken Torbogen der Ottavia zusammengetrieben, 363 Männer und 896 Frauen.

Sie wurden zunächst in eine italienische Militärkaserne auf der anderen Tiberseite verbracht. Tags drauf kamen 252 wieder frei: "arische" Ehepartner und Hausangestellte. Die übrigen wurden in 18 Viehwaggons verladen und gelangten über Florenz, den Brenner, Passau und Hof eine Woche später nach Auschwitz. Von den gut 1.000 römischen Juden kehrten nur eine Frau und 14 Männer zurück.

Dabei waren die Juden Roms zunächst vor dem Schlimmsten verschont geblieben: Mussolinis Rassengesetze von 1938 verwehrten ihnen zwar den Zugang zu Schule, Militär und öffentlichem Dienst, aber es gab kaum physische Bedrohung. Das änderte sich mit der Kapitulation Italiens am 8. September 1943, seinem Frontenwechsel hin zu den Alliierten und der deutschen Besatzung. Wenige Tage später gab Reichsführer-SS Heinrich Himmler seinem römischen Statthalter Herbert Kappler telefonisch den Befehl, die "Endlösung" auch in Italien baldmöglichst durchzuführen. Allerdings ließ sich auch damals in Rom nicht alles mit deutscher Perfektion erledigen - ein Umstand, der manchem das Leben rettete. Die Planung der Razzia ließ sich nicht ganz geheim halten.

Ein anderer glücklicher Umstand war, dass Kappler der italienischen Polizei misstraute. Er verließ sich nur auf die 365 SS-Leute, mit der Folge, dass die Absperrungen an etlichen Stellen durchlässig waren. Manche Juden wurden rechtzeitig gewarnt. Allerdings holten SS und Gestapo in den folgenden Wochen manches nach, was sie beim ersten Mal nicht schafften: Einzeln oder in kleinen Gruppen wurden weitere 1.000 Juden gefasst und abtransportiert, nicht aber die erwarteten 6.000.

Dem Vatikan wurde später der Vorwurf gemacht, er habe auf die Juden-Deportation nicht reagiert. Die vom Vatikan freigegebenen Akten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs belegen für die Tage um den 16. Oktober 1943 hektische Aktivität der vatikanischen Diplomatie und anderer kirchlicher Stellen. Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione rief sofort den deutschen Vatikan-Botschafter Ernst von Weizsäcker zu sich, bat ihn, zugunsten der Betroffenen zu intervenieren und stellte einen öffentlichen Protest in Aussicht.

Aber Weizsäcker warnte vor den Konsequenzen eines solchen Schrittes. Ein öffentlicher Protest seitens des Heiligen Stuhls unterblieb. Allenfalls wiederholte die Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano" wenig später demonstrativ den Hilfsappell des Papstes für alle Kriegsopfer, "unabhängig von der Nationalität, der Religion und der Rasse".

Allerdings blieben der jüdischen Gemeinde Roms weitere große Razzien erspart. In einem Bericht von Ende Oktober 1943 an die Zentrale in Berlin schrieb von Weizsäcker, dass es in Rom fortan "zweifelsohne" keine Razzien mehr geben werde. Bis zum Ende der deutschen Besetzung Roms im Juni 1944 wurden insgesamt 2.091 römische Juden in die nationalsozialistische Konzentrationslager deportiert. Viele andere konnten der Verfolgung entkommen. 155 römische Klöster nahmen auf Anordnung des Papstes Flüchtlinge auf, öffneten ihre Klausuren, versteckten ganze Familien, darunter viele Juden. Priester boten Unterschlupf in Pfarrhäusern und Kirchen oder verhalfen zur Flucht. Auch der Vatikan bot Tausenden Obdach.

Auch nach 75 Jahren ist im historischen Ghetto um die Große Synagoge die Erinnerung an jenen 16. Oktober noch wach. In dem Viertel erinnern ein Museum, Ausstellungen, Gedenktafeln und Monumente an die Deportation und die Opfer der Barbarei. Und nicht nur zu den Jahrestagen mahnen Politiker, Rabbiner und auch Päpste, dass sich die unsägliche Schandtat der Schoah nie wiederholen dürfe.

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