Ist Abtreibung ein Auftragsmord?

6. November 2018 in Kommentar


Wer eine Abtreibung vornehmen lässt, der beauftragt jemand anderen, einen Menschen umzubringen, diese Aussage ist und bleibt wahr - Die Monatskolumne von Sebastian Moll


Linz (kath.net)
Erinnern Sie sich an die berühmte Szene zu Beginn des Films „Der Pate“? Wie Marlon Brando die Bitte eines Mannes entgegennimmt, dessen Tochter auf brutale Art missbraucht und verunstaltet wurde? Der Vater musste mitansehen, wie die Vergewaltiger seiner Tochter vom Gericht auf freien Fuß gesetzt wurden. Nun bittet er den Paten um Gerechtigkeit. Er möchte, dass die Täter bestraft werden.

Fällt es uns als Zuschauer schwer, Verständnis für diesen Mann zu empfinden? Einen Mann, der den richtigen Weg über Polizei und Gericht eingeschlagen hat, doch miterleben musste, wie dieses System scheiterte? Einen Mann, der seine Tochter über alles liebt und es nicht ertragen kann, wie ihre Vergewaltiger den Gerichtssaal grinsend verlassen haben? Nein, das fällt nicht schwer. Dennoch handelt es sich hierbei ganz eindeutig um einen Auftragsmord.

Spätestens jetzt dürfte klar geworden sein, worauf ich hinauswill. Seit Papst Franziskus Abtreibungen mit Auftragsmorden verglichen hat, nehmen die Proteste kein Ende. Das Hauptargument der Empörten lautet, der Papst habe keine Ahnung vom wirklichen Leben und vor allem kein Verständnis für die Situation der Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden.

Auch ich muss mir dieses Argument seit ewigen Zeiten anhören, wann immer ich mich kritisch zu diesem Thema äußere. Aber was ist an der Situation dieser Frauen denn so schwer zu verstehen? Ein Kind zu bekommen, ist eines der lebensveränderndsten Ereignisse, das jemandem passieren kann. Jene, die ungewollt in eine Schwangerschaft geraten, wünschen sich daher nichts sehnlicher, als diesen Zustand rückgängig zu machen und ihr Leben so weiter führen zu können wie bisher. Ich kann diesen Wunsch voll und ganz nachvollziehen. Aber etwas zu verstehen, ist eben nicht dasselbe, wie etwas gutzuheißen!

Das zweite Argument, das gegen die jüngste Äußerung des Papstes vorgebracht wird, lautet: „Was erreicht man damit?“ Als Gegenfrage möchte man formulieren: „Wen kümmert das?“ Die kirchliche Verkündigung ist der eine Raum in unserer auf Erfolg und Anpassung ausgerichteten Gesellschaft, in der Wahrheiten frei und unverfälscht ausgesprochen werden können. Der Papst hat die vielleicht einzige Position in dieser Welt, in der er frei von aller Menschenfurcht der Wahrheit dienen kann. Und wer eine Abtreibung vornehmen lässt, der beauftragt jemand anderen, einen Menschen umzubringen, diese Aussage ist und bleibt wahr.

Es war für mich immer eines der größten Rätsel, warum so viele Menschen, die eigentlich einen gesunden moralischen Kompass haben, diese simple Wahrheit nicht anerkennen wollen. Ich kann es mir so erklären, dass es sich ähnlich verhält wie bei dem illegalen Kopieren und Herunterladen von Filmen oder Musik im Internet. Ich erinnere mich noch gut, wie das vor knapp 20 Jahren anfing, und ich der einzige in meinem Freundeskreis war, der sich dagegen aussprach.

Alle anderen belächelten meine merkwürdigen Moralvorstellungen. Natürlich hätte keiner meiner damaligen Freunde es je gewagt, eine CD oder DVD aus einem Geschäft zu stehlen, oder hätte Verständnis für jemanden gezeigt, der so etwas befürwortet. Dabei weiß jeder, der klar denken kann, dass es keinen moralischen Unterschied macht, auf welche Weise man sich etwas illegal beschafft. Beide Handlungen haben exakt denselben Effekt.

Ein Auftragsmord ist für die Menschen real und greifbar, da wird jemand auf offener Straße erschossen, liegt blutend am Boden und hinterlässt eine Lücke in dieser Welt. Bei einer Abtreibung geht alles sehr sauber und technisch vor sich, jemand schaltet ein Gerät ein, drückt ein paar Knöpfe, und am Ende fühlt sich die Welt so an wie vorher. Dass Menschen moralische Unterschiede zwischen Handlungen machen, die sich zwar oberflächlich unterscheiden, im Wesentlichen aber identisch sind, ist wohl der Grund für die Empörung, die Papst Franziskus nun entgegenschlägt.


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