Gottes Ansprüche sind hoch

20. November 2018 in Kommentar


"Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer hat gesagt, der Mitgliederschwund der Kirche liege an den hohen moralischen Ansprüchen der Kirche, am fehlenden Frauenpriestertum und am Missbrauchsskandal." Kommentar von Claudia Sperlich


Essen (kath.net/Blog "Katholisch? Logisch!") Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer hat kürzlich gesagt, der bedauerliche Mitgliederschwund der Kirche liege an den hohen moralischen Ansprüchen der Kirche. Und daran, daß Frauen nicht Priester werden können. Und natürlich am Mißbrauchsskandal.

Die Mißbräuche sind, kein Zweifel, ein Schandfleck, und Ehrlichkeit, Aufarbeitung und Prävention sind dringend vonnöten. Nur sind sie nicht das Wesen der Kirche, und auch nicht das Wesen des Zölibats. Sie sind die Folge von kranker, suchthafter Macht- und Sexgier (kommt in allen Gesellschaftsschichten und Berufszweigen vor) und von mangelhafter Katechese, mangelhaftem Glaubensleben, mangelhafter Gebetspraxis, mangelhafter Disziplin. Man möge mir doch nicht erzählen, ein Priester, der fest von der Wahrheit Jesu Christi überzeugt ist und täglich mit Innigkeit sein Stundenbuch benutzt, wird zu einem verlogenen Monster, das jahrelang Schutzbefohlene verführt und mißbraucht. Es mag sein, daß ein frommer Priester sich irgendwann in einer schwachen Stunde mit seiner ebenso schwachen Haushälterin im Bette findet, oder auch mit einem Seminaristen. Aber daß er (also: der nicht scheinheilige, sondern wirklich fromme Priester) dann nicht bereut, beichtet und an sich arbeitet, um die Versuchung zu meiden oder zu bekämpfen – daß ein solcher Mann sich stattdessen fortgesetzt und auch noch an Schutzbefohlenen vergeht, das glaube ich nicht. Die Pfaffen, die kleine Kinder kaputtgemacht haben, haben es doch lange vorher an geistlichem Leben fehlen lassen (auch wenn es vielleicht keiner gemerkt hat).

Und nein, Frauen können nicht Priester werden. Ich würde jetzt gerne sagen „Ich war ja auch mal jung und dumm und habe gedacht, das ginge“ – aber der Herr Generalvikar ist nicht jung, und über seine intellektuellen Fähigkeiten steht mir kein Urteil zu. Zum Thema „Priesterweihe“ habe ich auf meinem alten Blog geschrieben.

Sicher treten auch Leute aus der Kirche aus, weil sie die Anforderungen übertrieben finden. Die meisten Austritte geschehen aber deshalb, weil Leute nicht glauben, was die Kirche lehrt und was in der Bibel steht. Das wiederum liegt sehr oft nicht daran, daß die Leute zu blöd sind, es zu begreifen, sondern daran, daß die Kirche (einschließlich Religionslehrer) versucht, die tiefen Wahrheiten und hohen Moralansprüche wie Zuckerwatte aussehen zu lassen. Kein Mensch mag Zuckerwatte im Übermaß. Menschen (Kinder, Jugendliche und Erwachsene, um genau zu sein) suchen Klarheit. Wenn die Kirche ihnen die kristallen klare und harte Wahrheit Jesu Christi in rosa Zuckerwatte verpackt bis zur Unkenntlichkeit, dann werden sie sich ihre Kristalle im Esoterikschuppen kaufen. Dabei ist es gar nicht so schwer, ihnen die Schönheit des Evangeliums und der Kirche nahezubringen. Schauen Sie doch mal, wovon die erfolgreichsten Bücher und Filme handeln – von Heldentum, Opfermut und Leidensfähigkeit. Man kann also Menschen dafür begeistern, ihre eigenen Triebe zu beherrschen (damit meine ich nicht nur und nicht einmal an erster Stelle den Sexualtrieb) und sich bis über die eigenen Grenzen hinaus einzusetzen für Wahrheit und Gerechtigkeit. Selbst so zu sein und andere dafür zu begeistern ist übrigens Aufgabe aller Christen, zumindest ab Firmung, aber ganz besonders ist es die Aufgabe der Hirten.

Kurz gesagt, die Kirchenaustritte kommen nicht vom überzogenen Moralanspruch der Kirche – sondern von der Verwässerung kirchlicher Moral. In einen Klub, der sich an seine eigenen Regeln nicht hält, würde ich auch nicht eintreten.

Kirchenaustritte sind für den Herrn Generalvikar „bedrohlich, weil unser Bistum so abhängig von der Kirchensteuer ist.“

Ach daher weht der Wind? Kirchenaustritte sind nicht etwa bedrohlich für die Seelen derer, die die Kirche verlassen, und ein Jammer ebenso wie eine klare Aufgabe zur Mission, sondern einfach blöd, weil die Ortskirche dann weniger Geld hat? Und die Ortskirche – Kirche! Braut Christi! – fühlt sich von ein bißchen Armut bedroht? In den meisten Ländern ist die Kirche wirklich arm. Bedroht ist die Kirche natürlich überall vom Satan, das weiß sie auch, aber sie hat ja einen Bräutigam, der stärker ist und ganz eindeutig versprochen hat, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden. Übrigens steht Satan eher im Ruf, mit irdischem Reichtum zu locken. Wenn also die Kirche in Deutschland materiell arm wird, liegt es wohl nicht an ihm.

Die Moralansprüche der Kirche sind so hoch, weil Gott uns nichts Geringeres zumutet. Er ist der Auffassung, wir verdienen es, ernstgenommen zu werden. Er hält uns für fähig, Härten durchzustehen. Er will nicht, daß wir verwöhnte Sandkastenkinder sind, denen noch der dümmste Wunsch sofort erfüllt wird, sondern daß wir die ewige Seligkeit erlangen. Er hat uns die Kirche zur Mutter gegeben und die Sakramente als Hilfsmittel geschenkt – weil Kirche und Sakramente heilsnotwendig sind. Er umgibt uns im Übrigen in diesem schwierigen Leben mit unfassbar viel Schönheit und Liebe.

Da wird man sich ja wohl mal an ein paar simple Regeln halten können.


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