Teilerfolg gegen LGBT-Maulkorb?

5. Dezember 2018 in Kommentar


Schweizer Parlament beschloss Erweiterung der Antidiskriminierungsstrafnorm um Kriterium der sexuellen Orientierung, doch Ausdehnung auf gefühlte Geschlechtsidentität ging dem Ständerat zu weit. Gastbeitrag von Dominik Lusser, Stiftung Zukunft CH


Winterthur (kath.net/Stiftung Zukunft CH) Intensives Lobbyieren engagierter Bürger und die im Vergleich zum Nationalrat etwas größere Nüchternheit des Ständerats konnten verhindern, dass die LGBT-Ideologie in der Schweiz künftig einen umfassenden strafrechtlichen Schutz genießt. Doch die drohenden Konsequenzen der Ausweitung von Art. 261bis StGB – der heute Personen aufgrund der Rasse, der Ethnie und der Religion schützt – auf die sexuelle Orientierung sind schlimm genug. Beschlossen wurde diese im Ständerat am 28. November 2018 mit einer deutlichen Mehrheit von 32 zu 10 Stimmen, während die Ausweitung auf die Geschlechtsidentität (Transgender) mit 23 zu 18 Stimmen verworfen wurde.

Ideologieanfällige Christdemokraten

Die Christdemokraten (CVP) spielten dabei, wie so oft in gesellschaftspolitischen Fragen, das Zünglein an der Waage. Die CVP, mit 13 Sitzen im 46-köpfigen Ständerat immer noch die stärkste Kraft, stimmte immerhin großmehrheitlich gegen das Kriterium der Geschlechtsidentität und brachte dieses zu Fall. Allerdings stimmten ihre Vertreter dann geschlossen dafür, die sexuelle Orientierung unter strafrechtlichen Sonderschutz zu stellen. Widerstand gegen die gesamte Vorlage kam einzig von der SVP und von konsequent liberalen FDP-Politikern.

Der Ständerat folgte mehrheitlich der Ansicht des Bundesrats, der in seiner Stellungnahme zur Vorlage dringend davon abgeraten hatte, die Geschlechtsidentität ins Strafrecht aufzunehmen. „Es sollte auf jeden Fall darauf verzichtet werden, (…) Artikel 261bis StGB (…) um ein unbestimmtes Kriterium, dessen Tragweite nicht ausreichend voraussehbar ist, zu ergänzen.“ Der Begriff der Geschlechtsidentität sei unklar, „da er einem individuellen und zutiefst privaten Gefühl entspringt, das unabhängig vom biologischen Geschlecht, dem Zivilstand und der sexuellen Orientierung besteht.“ Es gebe keine klare Grenze für ihren Umfang, was zu einer extensiven Auslegung führen und sich als problematisch im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit des Strafrechts herausstellen könnte, so die Schweizer Regierung.

Diffuse Begriffe im Strafrecht?

Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Erweiterung der Strafnorm um die gefühlte Geschlechtsidentität ganz spezifische Probleme mit sich gebracht hätte. So wäre es beispielsweise einer Trans-„Frau“ (also einem Mann, der sich als Frau fühlt, obwohl er unter Umständen anatomisch nach wie vor wie ein Mann aussieht und möglicherweise auch entsprechende sexuelle Interessen hat) ermöglicht worden, den Betreiber eines Fitnessstudios wegen verweigertem Zutritt zum Damenumkleideraum strafrechtlich zu belangen. Die Trans-„Frau“ wäre durch die Gesetzesverschärfung absurderweise rechtlich in die gleiche Lage versetzt worden wie die Schwarzafrikanerin, der wegen ihrer Hautfarbe der Zutritt zur Damenumkleide verwehrt wird. Ein Strafrechtsartikel, der das irrige Gefühl, im falschen Körper geboren zu sein, als „Geschlechtsidentität“ schützt, hätte massive Einschnitte in das gesellschaftliche und private Leben vieler Bürger bedeutet. Um möglichen Problemen und Klagen präventiv aus dem Weg zu gehen, hätten Anbieter von Dienstleistungen von sich aus damit begonnen, geschlechterspezifische Angebote abzubauen.

Vor solchen Szenarien hatte der Ständerat im Unterschied zum Nationalrat, wo die CVP am 25. September fast geschlossen zugunsten beider Kriterien gestimmt hatte, offensichtlich Respekt. Inzwischen hat sich der Nationalrat am 3. Dezember 2018 dem Willen des Ständerats gefügt, „nur“ die sexuelle Orientierung strafrechtlich zu schützen. Doch auch dieser – scheinbar gut schweizerische – Kompromiss, der nun nur noch durch ein Referendum aufzuhalten ist (Bedingung wären 50‘000 Unterschriften innerhalb von 100 Tagen), wird zu massiven Problemen führen.

Entgegen der Ansicht von Bundesrat und der Mehrheit des Parlaments ist nämlich auch die sexuelle Orientierung ein diffuser Begriff. Die von der Rechtskommission des Nationalrats behauptete klare begriffliche Abgrenzung zwischen sexueller Orientierung (der „Fähigkeit eines Menschen, sich emotional und sexuell intensiv zu Personen desselben oder eines anderen Geschlechts oder mehr als eines Geschlechts hingezogen zu fühlen“) und sexueller Präferenz (worunter auch krankhafte Vorlieben wie Sadomasochismus, Fetischismus oder Pädophilie fallen sollen) ist willkürlich.

Sexualwissenschaftliche Forschungen (Gerard van den Aardweg, 2010) zeigen beispielsweise, dass sich die Androphilie (gleichgeschlechtliche sexuelle Vorliebe für reife Männer), die Ephebophilie (… Vorliebe für männliche Jugendliche) und die homosexuelle Pädophilie (… Vorliebe für vorpubertäre Jungen) nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen, sondern dass es zwischen diesen drei Typen homosexueller Präferenz empirisch nachweisbare Überschneidungen (sowohl zwischen Androphilie und Ephebophilie wie auch zwischen Ephebophilie und homosexueller Pädophilie) gibt.

Mythos sexuelle Orientierung

Wie widersprüchlich der Begriff der „sexuellen Orientierung“ ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass auch die Bisexualität eine solche sein soll. „Die Bisexualität als Orientierung ist wie ein Kompass, der zugleich nach Norden und Süden zeigt, was die Orientierung ziemlich schwierig macht“, hatte SVP-Vertreter Yves Nidegger seinen Kollegen im Nationalrat zu bedenken gegeben.

Bekam der Nationalrat immerhin die klugen Einwände Nideggers zu hören, blieb der Versuch, die sexuelle Orientierung (analog zur Rassenzugehörigkeit) zu einem beständigen Identitätsmerkmal der Person zu machen, im Ständerat gänzlich unwidersprochen. Dort konnte SP-Vertreter Daniel Jositsch mit großer Selbstverständlichkeit das Mantra der LGBT-Lobby wiederholen, wonach die sexuelle Orientierung unveränderbar und von der Natur vorgegeben sei. Damit widersprach er dem Stand der Wissenschaft, den Lawrence S. Mayer und Paul R. McHugh in der weltweit umfangreichsten Metastudie zur vorliegenden Frage zusammengetragen haben: „Die Vorstellung, dass sexuelle Orientierung eine angeborene, biologisch festgelegte Eigenschaft des Menschen ist – die Vorstellung also, dass Menschen ‚so geboren‘ sind – wird von wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gestützt.“ (Sex and Gender, The New Atlantis, 2016; deutsche Zusammenfassung unter: www.dijg.de)

Auch gebe es, so Mayer und McHugh, „mittlerweile beträchtliche wissenschaftliche Belege dafür, dass sich sexuelles Begehren, sexuelle Anziehung, Verhalten und sogar die Identität im Lauf der Zeit verändern können, und dies manchmal auch tun“. Gemäss der Metaanalyse, für welche die beiden US-Forscher Hunderte von Studien und Fachartikel ausgewertet haben, kann das sexuelle Begehren bei einer beträchtlichen Anzahl von Personen schwankend oder „fließend“ sein, also spontanen Veränderungen unterliegen, was besonders für die Zeit der Adoleszenz zutrifft. Für ein ganzheitlicheres Bild davon, wie sich sexuelles Begehren entwickelt, ist es – so Mayer und McHugh – „notwendig, die Faktoren Entwicklung, Umwelt, Erfahrung, soziales Umfeld und persönlicher Wille zu berücksichtigen.“

Ein politischer Begriff?

Grundsätzlich halten die beiden Wissenschaftler fest, dass der Begriff „sexuelle Orientierung“ weder klar noch eindeutig definiert ist. Noch unklarer ist die Identifikation einer Person mit ihrer sexuellen Orientierung. So gibt es laut Mayer und McHugh reichlich Belege dafür, dass sexuelle Anziehung, sexuelles Verhalten und angenommene Selbst-Identität keineswegs miteinander übereinstimmen müssen. Bei der Selbst-Identifikation mit einer sexuellen Orientierung können sogar politische Erwägungen im Spiel sein, wie ein von den beiden Autoren zitiertes Beispiel aus dem „New York Times Magazine“ von 2014 zeigt:

Der Journalist Benoit Denizet-Lewis, der sich seit seiner College-Zeit als schwul identifiziert, schildert unter dem Titel „The Scientific Quest to Prove Bisexuality Exists“ die Arbeit von Wissenschaftlern, die den Versuch unternahmen, zu beweisen, dass Bisexualität als stabile Orientierung existiert. Der Journalist nahm dazu selbst an Reaktionstests teil. Dabei wurde er zu seiner Verwunderung bei der Vorführung eines pornografischen Frauenfilms sexuell erregt, worauf er die Frage aufwarf, ob er nun selbst bisexuell sei? In seinem Bericht drückt er auch seine Besorgnis darüber aus, dass diese öffentlich geteilte Unsicherheit hinsichtlich seiner schwulen „Identität“ für politische Gegner der Gay-Bewegung ein „gefundenes Fressen“ sein könnte.

Zusammenfassend lässt der Forschungsüberblick von Mayer und McHugh den Schluss zu, dass es sich bei der sexuellen Orientierung weder um eine biologische, noch um eine feststehende psychologische Eigenschaft eines Menschen handelt, sondern um ein vages Konzept, das subjektiv eingefärbt und darum für die Wissenschaft wenig brauchbar ist.

Die klaren Worte von CVP-Ständerat Beat Rieder, es gebe für den Begriff der Geschlechtsidentität keine verbindliche wissenschaftlich anerkannte Definition, weswegen dieser Begriff im Strafrecht nichts zu suchen hätte, gelten demnach genauso für die sexuelle Orientierung. Doch Rieder und seine Parteikollegen stimmten dafür, diesen nicht minder diffusen Begriff im Strafrecht festzuschreiben.

Damit hat das Schweizer Parlament der Gesellschaft eine schwere Hypothek eingebrockt, deren Folgen sich noch zeigen werden. Die beschlossene Verschärfung verfolgt nämlich nicht das legitime Ziel, gleichgeschlechtlich empfindende Menschen gegen Angriffe auf ihre Ehre und Persönlichkeit zu schützen. Denn diese Möglichkeiten bieten Zivil- und Strafgesetz Schwulen und Lesben wie jedem anderen Bürger bereits heute. Der erweiterte Antidiskriminierungsparagraph richtet sich vielmehr auch gegen allgemein gehaltene sogenannt „homophobe“ Äußerungen und macht diese zum Offizialdelikt.

Schwere Hypothek

Demnach soll künftig „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft“ werden, „wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung gerichtet sind“. Auf „Herabsetzung“ im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB gerichtet ist nach gängiger Rechtslehre eine Ideologie dann, wenn sie die Aussage enthält, dass eine Person oder eine Gruppe von Personen gegenüber anderen Gruppen minderwertig sei. Dies ist z.B. bei Ideologien gegeben, die einen Vorrang der weißen Rasse gegenüber anderen Rassen behaupten. Nun stellt sich die Frage, wie die gängige Rechtsprechung und Lehre auf das neue Kriterium der sexuellen Orientierung übertragen wird.

Unzweifelhaft ist, dass die mindere Bewertung der Hautfarbe eines Menschen direkt auf die Menschenwürde zielt, da die Hautfarbe von der Person nicht zu trennen ist. Es ist rassistischen Ideologien eigen, in einer bestimmten Hautfarbe eine Manifestation eines Menschentyps zu sehen, der als Mensch weniger Wert sein soll. Im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima, das vom Angeborensein der Homosexualität ausgeht und sexuelle Splittergruppen als „Lieblinge des Zeitgeists“ (Weltwoche) verehrt, ist es naheliegend, dass ein Gericht eine Kritik an der sexuellen Orientierung bzw. an entsprechendem Verhalten ähnlich bewerten würde wie die Kritik einer bestimmten Hautfarbe, nämlich als Herabsetzung der Menschenwürde.

In dieser wissenschaftlich nicht begründbaren „Ontologisierung“ der Homosexualität liegt denn auch eine der Hauptgefahren eines Diskriminierungsschutzes für Menschen mit homosexuellen Empfindungen. Die christliche Sichtweise der Homosexualität, die in der homosexuellen Neigung eine Anomalie (theologisch: eine Folge der Erbsünde) und in der homosexuellen Praxis eine moralische Verirrung sieht, ohne aber den Wert des homosexuell empfindenden Menschen herabzumindern, hätte einen schweren Stand. Wie die Rechtsprechung auf der Grundlage ähnlicher Gesetzte im nahen Ausland (z.B. in Frankreich oder Schweden) und auch durch den EGMR (Tor Fredrik Vejdeland 2012) zeigt, wird nicht sachgemäß zwischen Person und Empfindung bzw. Person und Handlung unterschieden. Im Gegenteil wird die homosexuelle Empfindung, und was aus ihr folgt, geschützt, als ob sie zum Wesenskern der Menschenwürde gehörte.

Strategische Klagen

Sodann ist der Schweizer Antidiskriminierungsartikel kein reiner „Hate Speech“-Paragraph. Mit Absatz 5 umfasst er auch eine Gleichbehandlungsbestimmung, welche die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Privaten betrifft. Diese besagt, dass Leistungen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, Personen nicht aufgrund der geschützten Kriterien verweigert werden dürfen. Damit werden auch Fälle denkbar wie derjenige eines Bäckers, der strafrechtlich belangt wird, weil er sich weigert, für ein Homo-Paar eine Hochzeitstorte anzufertigen. Ob ein Schweizer Gericht in solchen Fällen künftig den Gewissensvorbehalt als sachlichen Grund für die Leistungsverweigerung gelten lassen würde, ist äusserst fraglich.

Während die meisten gleichgeschlechtlichen Paare wohl kein Problem damit hätten, ihre Torte dann halt eben beim Bäcker in der nächsten Strasse zu bestellen, dürfte sich die bestens vernetzte LGBT-Lobby mit solchen Abweichlern kaum abfinden. „Erfahrungsgemäss führen Gleichbehandlungsgesetze zu strategisch motivierten Klagen“, schreibt die Juristin und Expertin für soziale Diskriminierung Gudrun Kugler im Österreichischen Jahrbuch für Politik 2013. In England gehöre es zur Tagesordnung, dass radikale Lobbys die Interaktion mit Unternehmen suchten, von denen sie wüssten, dass sie anders dächten, um sie anschliessend zu verklagen.

Der Bundesrat hielt in seiner Stellungnahme der hier diskutierten Gesetzesverschärfung grundsätzlich entgegen, dass der Gesetzgeber im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips „das Strafrecht (…) nur als Ultima Ratio einsetzen“ sollte, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien, „um den Rechtsgüterschutz zu gewährleisten“. Da die Schweiz weiß Gott kein homophobes Land ist, erstaunt die Vehemenz, mit der diese empfindliche und freiheitsfeindliche Gesetzesverschärfung in beiden Parlamentskammern verteidigt wurde. Die einzige Erklärung dafür liegt im gewaltigen Einfluss, den die LGBT-Lobby sich über die letzten Jahrzehnte aufgebaut hat.

Sieg der LGBT-Lobby?

SP-Nationalrat Mathias Reynard, der das Gesetzesprojekt 2013 mit einer parlamentarischen Initiative initiiert hat, ist eines ihrer politischen Sprachrohre. Und nun verfügt die Lobby endlich über den lang ersehnten strafrechtlichen Hammer, all diejenigen unter Androhung von Strafe zum Schweigen zu bringen, welche zur Homosexualität eine divergierende Meinung vertreten. Damit aber wird niemand vor Diskriminierung geschützt. Im Gegenteil: Es werden damit viele Bürger und insbesondere Christen zu potentiellen Opfern eines totalitären Gesetzes gemacht.

Noch besteht allerdings ein kleiner Funken Hoffnung, diesen fatalen legislativen Fehlgriff zu korrigieren. Die Schweizer verfügen mit dem Referendum über das direktdemokratische Mittel, das Blatt doch noch zu Gunsten von Freiheit und Verstand zu wenden.

Der Autor leitet den Fachbereich Werte und Gesellschaft bei Zukunft CH, einer überkonfessionell christlichen Stiftung mit Sitz in Engelberg. Diese setzt sich ein für zukunftstragende Werte, insbesondere für die Menschenrechte (1948) sowie für Ehe und Familie: www.zukunft-ch.ch.


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