Jubel und Betroffenheitslyrik

15. Dezember 2018 in Spirituelles


„Eine düstere Stimmung liegt über der Kirche, nicht nur in Deutschland, aber die Kirche in Deutschland ist sicherlich Spitze, wenn es um Selbstbezichtigungslitaneien und Betroffenheitslyrik geht.“ Zum Sonntag „Gaudete“. Von Prälat Wilhelm Imkamp


Regensburg (kath.net) Zum 3. Adventsonntag Lesejahr C, Lk,3,10-18) Wenn in der Kirche unserer Tage etwas fehlt, dann ist es Jubel und Freude. Eine düstere Stimmung liegt über der Kirche, nicht nur in Deutschland, aber die Kirche in Deutschland ist sicherlich Spitze, wenn es um Selbstbezichtigungslitaneien und Betroffenheitslyrik geht.

Da könnte der heutige „Sonntag der Freude“ einen Gegenakzent setzen.

Der Prophet Zephanja, den wir in der ersten Lesung hören, ruft erst in den letzten elf Versen seiner Botschaft zur Freude auf. Die setzt erst ein, wenn die Götzenverehrung abgeschafft ist, reiche Geschäftemacher und die Heidenvölker entmachtet sind, und auch Jerusalem durch den Zorn Gottes gereinigt ist. Gejubelt wird erst an dem Tag, an dem sich das auserwählte Volk nicht mehr zu schämen braucht für seine gegen Gott gerichteten Taten. Das Volk wird demütig und gering sein, es wird kein Unrecht mehr tun, das ist Israels Rest (vgl. Zef 3,11-13). Jubeln wird also der (heilige) Rest; das wollen sie gewiss nicht sein die Nostalgiker einer (vorkonziliaren) Volkskirche. Sie träumen von der „Augenhöhe“ mit (Partei-) Politikern und sie reden auch so.

Auch Paulus hat bei einer Aufforderung zur Freude keine Massenveranstaltung im Blick: „Sorgt auch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott“. Demut setzt Gelassenheit voraus und diese führt zu Bitte und Dank.

Um was der Gelassene bitten soll, das zeigt uns Johannes der Täufer. Seine Predigt war weder sanft noch elegant, sie war hart und konfrontativ und vor allem glasklar, kein Wischiwaschi. Trotzdem (nein, deswegen) kamen die Menschen zu ihm. Sie suchten keine Streicheleinheiten, sondern Klarheit, und die bekamen sie auf ihre Frage: „Was sollen wir tun?“ Die Antwort lautet nicht: „Ihr sollt nach eurem Gewissen handeln“, sondern war klar und konkret. Als Beispiel werden die Steuerunternehmer (Zöllner) und Soldaten angeführt. Die ersten sollen sich an die gesetzliche Ordnung halten und die Soldaten sollten mit ihrem festgesetzten Sold zufrieden sein. Johannes lässt sich nicht als Sozialkritiker oder Pazifist vereinnahmen und Umweltbeauftragter für ein Heuschreckenbiotop war er gewiss auch nicht. Seine Antworten sind im wahrsten Sinne des Worts radikal, gerade weil er nicht zu einem Berufswechsel aufruft, obwohl doch die Steuerunternehmer, wie die Soldaten Säulen der verhassten römischen Besatzungsmacht waren. Johannes macht sich nicht größer als er in Wirklichkeit ist. Er steht weit unter dem von ihm angekündigten Messias.

Heute ist der Sonntag der Freude, nicht der Gaudisonntag der Beliebigkeit. Freude definiert sich nicht über die Höhe der Kirchensteuereinnahmen und auch nicht über gesellschafts- und wirtschaftspolitische Aktivitäten, sondern über die Erlösung durch Jesus Christus. Und diese Erlösung setzt das Gefühl der Erlösungsbedürftigkeit voraus. Freude, das ist keine anarchische Ekstase, keine folkloristische Anpassung klerikaler Selbstgefälligkeiten und auch nicht destruktives Imponiergehabe von Gremien, Räten und Funktionären, sondern ein demütiges Sicheinfügen in die Ordnung der Heilsgeschichte, wie sie uns in den Sakramenten der hl. Kirche, unserer Mutter, entgegentritt.

Der Rest ist das, was bleibt nach dem die Spreu vom Weizen getrennt wurde und im nie erlöschenden Feuer verbrennt. Zum Rest gehören wir nur, wenn wir die Frage stellen: „Was sollen wir tun?“ und die Antwort beherzigen.

Symbolbild dritter Advent Gaudete


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