Piusbruderschaft-Oberer: "Dieser Papst erschüttert uns zutiefst"

16. Dezember 2018 in Aktuelles


Generaloberer Pagliarani: Eintreten des Papstes in "Amoris Laetitia" für mehr Barmherzigkeit "widerspricht der notwendigen Orientierung am Gesetz Gottes" - "Papst müsste Konzilsdekret über Religionsfreiheit als falsch erklären und korrigieren"


Salzburg, 15.12.2018 (KAP) Für den Generaloberen der lefebvreanischen Piusbruderschaft ist klar: Papst Franziskus geht in grundsätzlichen Fragen des Glauben und der Moral in jene falsche Richtung, die bereits das Zweite Vatikanische Konzil eingeschlagen habe. "Dieser Papst erschüttert uns zutiefst", urteilt daher Pater Davide Pagliarani, der seit heuer an der Spitze der mit der katholischen Kirche noch immer nicht in voller Einheit stehenden Vereinigung steht. In den Fragen bezüglich der Religionsfreiheit, des Ökumenismus und der göttlichen Verfassung der Kirche sollte die Kirche wieder zu dem zurückkehren, was die Päpste vor dem Konzil gelehrt haben: "Es genügt, ihre Lehren wieder aufzugreifen", so Pagliarini im Exklusivinterview mit den "Salzburger Nachrichten" am Samstag.

Man sei "dem Nachfolger Petri zutiefst verbunden", selbst dann, wenn sich die Piusbruderschaft den Irrtümern des Zweiten Vatikanischen Konzils entgegenstelle, so deren Oberer. "Ein Grundzug des gegenwärtigen Pontifikats erschüttert uns aber zutiefst: Die völlig neue Anwendung des Begriffs der Barmherzigkeit." Diese werde auf ein Wundermittel für alle Sünden reduziert, ohne auf die wahre Bekehrung zu drängen, auf die Umwandlung der Seele durch Gnade, Abtötung und Gebet. In seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben "Amoris Laetitia" eröffne der Papst den Christen die Möglichkeit, sich in Fragen der Ehemoral von Fall zu Fall nach ihrem persönlichen Gewissen zu entscheiden. "Das widerspricht ganz eindeutig der notwendigen und klaren Orientierung am Gesetz Gottes", urteilte Pagliarani.

In dieser Haltung könne man einen Widerhall der Spiritualität des Reformators Martin Luther erkennen, meinte Pagliarani und beschrieb sie als "ein Christentum ohne Forderung nach sittlicher Erneuerung, einen Subjektivismus, der keine allgemein gültige Wahrheit mehr anerkennt." Das habe unter den Gläubigen und dem Klerus eine "tief greifende Verwirrung" ausgelöst. Dieser Subjektivismus habe auch die Kirche erfasst, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil meine, jeder Mensch könne in seiner Religion zu Gott finden. "Das ist eine Prämisse, die den Glauben auf eine persönliche, innere Erfahrung reduziert anstelle des Festhaltens des Verstandes an der göttlichen Offenbarung."
Zentrales Anliegen der Priesterbruderschaft im Blick auf den Papst sei daher die Treue zum katholischen Glaubensgut. Pagliarani: "Wir erwarten, was jeder Katholik bei seiner Taufe von der Kirche verlangt: den Glauben. Die göttliche Offenbarung ist abgeschlossen und es ist die Aufgabe des Papstes, dieses Glaubensgut treu weiterzugeben." Der Papst müsse daher "der schrecklichen Krise ein Ende bereiten, durch die die Kirche seit 50 Jahren erschüttert wird". Diese Krise sei durch einen neuen Glaubensbegriff ausgelöst worden, "der bestimmt wird von der subjektiven Erfahrung des Einzelnen. Man meint, der einzelne Mensch selbst sei für seinen Glauben verantwortlich und könne sich frei für irgendeine Religion entscheiden, ohne Unterscheidung zwischen dem Irrtum und der Wahrheit. Das widerspricht jedoch dem objektiven göttlichen Gesetz."

Die Kirche sei "wesentlich missionarisch". Allein durch Christus könnten die Menschen gerettet werden, betonte Pagliarani. "Er hat als einzige Kirche die römische Kirche gegründet. Diese theologische Wahrheit muss verkündet werden, wie auch die Geradlinigkeit in der Moral und die Strahlkraft der traditionstreuen Messe im tridentinischen Ritus." Dieser missionarische Auftrag beziehe sich auch auf das Judentum, führte Pagliarani weiter aus. Es sei "eine unverzeihliche Sünde, das jüdische Volk von den Gütern und Schätzen der katholischen Kirche auszuschließen. Die Heilsmission der Kirche ist allumfassend, und sie kann kein Volk ausgrenzen."

Konzilsdekret über Religionsfreiheit verwerfen

Zum Zweiten Vatikanischen Konzil sagte Pagliarani, dass sich dieses "selbst zum reinen Pastoralkonzil erklärt" habe. "Tatsächlich wurden aber schwerwiegende dogmatische Entscheidungen getroffen". Das habe zu einer "völligen Umgestaltung des Glaubens" geführt. Es gehe daher nicht nur um die richtige Interpretation von Konzilstexten. "Die Priesterbruderschaft St. Pius X. verwirft alles, was im Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mit der katholischen Tradition übereinstimmt." Erst wenn das geschehen sei, sei eine volle Einigung zwischen den Piusbrüdern und der Kirche möglich. Pagliarani wörtlich: "Der Papst müsste das Dekret über die Religionsfreiheit als falsch erklären und entsprechend korrigieren. Wir sind überzeugt, dass ein Papst das eines Tages tun und zur reinen Lehre zurückkehren wird, die vor diesem Konzil maßgeblich war. Die Fragen bezüglich der Religionsfreiheit, des Ökumenismus und der göttlichen Verfassung der Kirche sind von den Päpsten vor dem Zweiten Vatikanum behandelt worden. Es genügt, ihre Lehren wieder aufzugreifen."

Zum gegenwärtigen Verhältnis der Piusbruderschaft mit der katholischen Kirche meinte Pagliarani: "Tatsächlich betrachtet Rom uns nicht als schismatisch, sondern als 'irregulär'. Wie auch immer: Ich würde die Bruderschaft sofort verlassen, wenn ich nicht die Gewissheit hätte, in der und für die römisch-katholische Kirche zu arbeiten."

Im Juli dieses Jahres hatte das Generalkapitel der "Priesterbruderschaft Pius X." im schweizerischen Econe den 47-jährigen Italiener Davide Pagliarani für eine Amtszeit von zwölf Jahren als neuen Vorsitzenden gewählt. Er folgt auf Bernard Fellay (60), der die Bruderschaft seit fast einem Vierteljahrhundert im Bischofsrang leitete. Pagliarani fungierte bereits als Distriktoberer der Piusbrüder in Italien. Seit 2012 leitete er das Priesterseminar der Vereinigung im argentinischen La Reja.

Die "Priesterbruderschaft St. Pius X." wurde 1969 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) gegründet. Sie lehnt viele Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ab. Streitpunkte sind vor allem Liturgie, Religionsfreiheit und Ökumene. Papst Franziskus hat in seinem Pontifikat die seit Benedikt XVI. eingeleiteten Schritte zur Annäherung fortgesetzt und u.a. Katholiken die Beichte und die Eheschließung bei Priestern der Piusbruderschaft erlaubt.

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