Wusste Vatikan seit 1943 vom Missbrauch des Legionärsgründers Maciel?

3. Jänner 2019 in Chronik


Kardinal Bráz de Aviz, Präfekt der Ordenskongregation: dem Vatikan lagen bereits seit 1943 erste Dokumente über das Missbrauchsverhalten des Gründers der Legionäre Christi Marcial Maciel Degollado vor


Vatikan (kath.net) Kardinal João Bráz de Aviz, Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, erklärte, dass der Vatikan bereits seit 1943 erste Dokumente über das Missbrauchsverhalten des Gründers der Legionäre Christi, Marcial Maciel Degollado, vorliegen hatte. Der brasilianische Kardinal erläuterte gegenüber dem spanischen katholischen Online-Magazin Vida Nueva, dass „diejenigen, die das vertuscht haben, eine Mafia waren, sie waren nicht die Kirche“. Darüber berichtete der britische Vatikanist Edward Pentin im „National Catholic Register“. Kardinal Bráz de Aviz betonte weiter, dass seine Kongregation nicht mit einer solchen Vertuschung zu tun gehabt hätte.

Pentin berichtete weiter über einen Artikel der spanischen Zeitung „El Pais“ aus dem Jahr 2006, wonach gegen Maciel in den Jahren 1956-1959 im Auftrag von Kardinal Alfredo Ottaviani wegen mutmaßlichem sexuellen Missbrauch ermittelt wurde, 13 Jahre nach den ersten von Kardinal Braz de Aviz genannten Berichten. Während dieser vier Jahre war Maciel als Generaloberer der Legion suspendiert worden. Allerdings brachten die Ermittlungen keine Ergebnisse, Maciel kehrte wieder nach Rom und in seine Verantwortlichkeiten zurück und konnte seine Macht weiter ausbauen.

In seinem jüngsten Interview bestand Kardinal Bráz de Aviz nach weiteren Angaben von Pentin darauf, dass die Kirche sofort auf Missbrauchsvorwürfe reagieren müsse: „wir müssen auf die Opfer schauen und nicht auf die Täter, das erwartet der Papst von uns. Der Schmerz derer, die unter diesen Misshandlungen leiden, ist enorm und wir können das nicht übergehen. Wir können das nicht vertuschen".

Allgemein habe er den Eindruck, dass „die Missbrauchsvorwürfe zunehmen werden, weil wir erst am Anfang stehen. Wir haben 70 Jahre lang vertuscht, und das war ein großer Fehler“. Er wies weiter darauf hin, dass aus dieser kirchlich „schwierigen Zeit“ die Kirche „kleiner, aber korrekter“ werden könne. Die aktuelle Krise „zeigt, dass viele Dinge in der Vergangenheit falsch waren“.

Der 2008 verstorbene Maciel Degollado hatte 1941 die Legionäre Christi gegründet. 2006 wurde Maciel vom Vatikan zu einem zurückgezogenen Leben in Buße aufgefordert. 2009 wurde auf Anordnung von Papst Benedikt XVI. eine apostolische Visitation der Kongregation durchgeführt, nachdem man herausgefunden hatte, dass Maciel ein Doppelleben geführt hatte. Maciel hatte drei Kinder mit zwei verschiedenen Frauen und missbrauchte Minderjährige und Seminaristen sexuell. Außerdem hatte er Geld unterschlagen. Einige der Vorwürfe gingen auf die 1940er Jahre zurück.

Die Legionäre Christi und ihre Laienbewegung haben seither ihre Statuten gründlich revidiert. Weggefallen ist z.B. das Gelübde, das Kritik an den Ordensvorgesetzten verbot. Der Ordensgründer und seine Schriften gelten auch ordensintern nicht mehr als zitierfähig.


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