Kardinal: „Ich hatte das unangemessene Verhalten vergessen“

17. Jänner 2019 in Weltkirche


US-Kardinal Wuerl verstrickt sich tiefer in sein eigenes Lügennetz – Vorwürfe von 2004 gegen McCarrick und die Meldung an Nuntiatur seien ihm wieder „eingefallen“ – UPDATE: Wuerl sagt Teilnahme an Großevent kurzfristig ab – Von Petra Lorleberg


Washington D.C. (kath.net/pl) „Es ist mir wichtig, persönliche Verantwortung zu übernehmen und mich für diese Gedächtnislücke zu entschuldigen. Es gab nie eine Absicht, falsche Informationen zu liefern.“ Das schrieb der US-Kardinal Donald Wuerl in seinem Brief an die Priester der Erzdiözese Washington D.C. am 15. Januar. Er wagte es sogar, den Brief mit „treu in Christus“ zu unterzeichnen. Der von „LifeSiteNews“ als „umstritten“ bezeichnete Wuerl ist im Oktober 2018 aus Altersgründen von seiner Tätigkeit als Erzbischof von Washington emeritiert worden, Papst Franziskus hat ihn aber für die Zeit der Sedisvakanz zum Apostolischen Administrator ernannt. Die Frage, inwieweit Wuerl aktiv das Wissen um sexuellen Missbrauch etwa durch Ex-Kardinal Theodore McCarrick aktiv vertuscht hat, wird seit Monaten nicht nur von US-amerikanischen katholischen Laien empört diskutiert, sondern Wuerl wird für seine Zeit als Bischof von Pittsburgh auch im Grand Jury Report kritisiert, einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Pennsylvania.

Wuerl führt über den Fall, den er angeblich „vergessen“ habe, dann in seinem Brief detailliert aus, dass er 2004 als Bischof von Pittsburgh vom sexuellem Missbrauch durch einen seiner Diözesanpriester erfahren hatte, der als Lehrkraft am Priesterseminar „Mount Saint Mary’s Seminary“ in Baltimore eingesetzt war. Ein Erwachsener hatte „missbräuchliche sexuelle Aktivität“ gesprochen, an dem der Priester beteiligt gewesen war und dann auch das „unangemessene Verhalten“ des damaligen Bischofs von Baltimore, Theodore McCarrick, erwähnt. Der betreffende Priester wurde sofort aus dem Dienst genommen und ein ausführlicher Bericht darüber wurde an die Apostolische Nuntiatur gesandt, damit sei der Vorgang für ihn abgeschlossen gewesen, schildert Wuerl in seinem Brief. Dann erläutert er weiter: „Als ich 14 Jahre später gefragt wurde, ob ich bereits Kenntnis von den Vorwürfen gegen Erzbischof McCarrick hatte, sagte ich, dass dies nicht der Fall sei. Erst später wurde ich an den 14 Jahre alten Vorwurf eines unangemessenen Verhaltens erinnert, das ich bis dahin vergessen hatte.“

Erst „vor kurzem“ habe er auch von der Not des Missbrauchsopfers jenes Priesters erfahren und habe sich daraufhin bei dem Opfer „für den Schmerz und das Leid entschuldigt, das er in dieser langen Missbrauchsbeziehung zum Priester erduldete, ebenso auch für den Schmerz oder die Peinlichkeit, die er im Laufe der Jahre durch die Handlungen des damaligen Bischofs McCarrick erlitten hatte.“ Das Opfer war zunächst ebenfalls Priester geworden, hatte sich dann aber aus dem Priesteramt zurückgezogen und eine Frau geheiratet.

In einem Brief, den er nur drei Tage vor dem oben zitierten Brief geschrieben hatte, räumte Wuerl bereits ein, dass auch die Vorwürfe gegen McCarrick 2004 an die Apostolische Nuntiatur gemeldet worden waren. Noch im August 2018 hatte Wuerl in einem CBS-Video-Interview mit einem Lächeln im Gesicht behauptet, dass er nichts darüber gewusst habe, dass McCarrick andere Priester sexuell missbraucht habe. Am 12. Januar versuchte er diese faktisch unwahre Behauptung dann zu entschärfen, indem er behauptete: „Vierzehn Jahre später, als der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen gegen Erzbischof McCarrick erhoben wurde, erklärte ich öffentlich, dass ich niemals von solchen Anschuldigungen oder Gerüchten Kenntnis hatte. Diese Behauptung stand im Zusammenhang mit den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen, die zu dieser Zeit im Mittelpunkt der Diskussion und der Aufmerksamkeit der Medien standen. Während man meine Aussage auch anderes interpretieren kann, betrifft sie die Diskussion und Beurteilung des Verhaltens von Erzbischof McCarrick bezüglich seines Missbrauchs von Minderjährigen.“

In den USA ist die katholische Kirche infolge des weiterhin völlig ungelösten Skandals um sexuellen Missbrauch durch Kleriker sowie seiner Vertuschung in eine beispiellose Krise geraten, deren Lösung noch keineswegs in Sicht ist. Das Vertrauen der katholischen Laienchristen ist gemäß jüngster Umfragen stark am Schwinden. Die US-Bistümer, die ja ausschließlich spendenfinanziert arbeiten, müssen außerdem einen starken Rückgang an Spenden befürchten.

UPDATE
Kardinal Wuerl wird am 18.1. nicht die große Pro-Life-Messe vor dem „March for Life“ in Washington D.C. zelebrieren. Das gab das Erzbistum Washington D.C. bekannt, nannte aber keinerlei Gründe für die Absage. Das berichtete „LifeSiteNews“. Der Messe vorstehen wird nun Erzbischof Christophe Pierre, der Apostolische Nuntius in den USA. Im Vorfeld gab es eine von bisher über 300 Personen unterzeichnete Petition mit der Bitte, dass Wuerl davon absehen sollte, die Messe zu feiern. Zur Messfeier in einem Stadion werden wieder etwa 20.000 zumeist jugendliche Lebensschützer erwartet. Dass der Administrator des Erzbistums Washington, der zuvor jahrelang als Erzbischof das Bistum geleitet hatte, nicht an einer solchen Großmesse beteiligt ist, darf als ungewöhnlich eingestuft werden.

2015 - Washington Post - US-Kardinal Wuerl diskutiert über den ´Franziskus-Effekt´ (engl.)



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