21. Jänner 2019 in Interview
"Auch die Vertuscher kann man genau und zwar namentlich identifizieren, es sind die Bischöfe und ihr diözesanes Leitungspersonal. Sie haben versagt und das ist nicht die Kirche" - kath.net-Interview mit Prälat Wilhelm Imkamp - Von Roland Noé
Regensburg (kath.net)
kath.net: Zuerst eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen in Ihrem "neuen Leben" in Regensburg?
Imkamp: Das neue Leben ist eigentlich das alte geblieben, denn für einen Priester bleiben ja die Konstanten der täglichen hl. Messe und des Breviergebets.
kath.net: In der der katholischen Kirche Deutschlands wird man fast im Wochentakt mit merkwürdigen Aussagen von deutschen Bischöfen konfrontiert. So meinte der Hildesheimer Bischof Wilmer, dass der Missbrauch in der "DNA der Kirche" liegt, das Bistum Osnabrück warb vor einigen Wochen im Auftrag von Bischof Bode auf Twitter mit einem umstrittenen Mohammed-Spruch. Wilmer wollte auch dann Esoteriker Eugen Drewermann zum Propheten ernennen. Provokante Frage: Ist ein Teil der katholischen Kirche in Deutschland ein Irrenhaus geworden?
Imkamp: Den Hinweis auf die Kirche als Täterorganisation haben Sie noch ausgelassen. Aussagen, die schamlos, würdelos, bedenkenlos sind gibt es und gab es immer wieder in allen hierarchischen Stufen. Eva Menasse hat in den Kontroversen um ein von ihrem Bruder erfundenes Zitat in der Süddeutschen Zeitung vom 9. Januar einen Satz geschrieben, den ich gerne auf die von Ihnen zitierten Stellungnahmen anwenden würde: Eine digital- hysterische Gesellschaft verfällt, aus Angst vor ihren Verächtern und erklärten Zerstören, einem puristischen Reinigungsfuror. In dem ganzen Missbrauchskomplex gibt es ja zwei Tätergruppen, die Mißbrauchstäter selbst und die Vertuscher. Auch die Vertuscher kann man genau und zwar namentlich identifizieren, es sind die Bischöfe und ihr diözesanes Leitungspersonal d.h. Generalvikar, Personalreferent und die Mitglieder der Personalkonferenz, bzw. der Domkapitel. Sie haben versagt und das ist nicht die Kirche. Es handelt sich nämlich nicht um ein Organ-, sondern, um ein Personalversagen, die zitierten Äußerungen lenken davon ab, vertuschen also noch einmal. Es gibt eine Tendenz, bischöflichen Verantwortung zu verlagern, in die Bischofskonferenz und in Gremien und jetzt eben in eine erst zu schaffende Verwaltungsgerichtsbarkeit. So wird Verantwortung entpersonalisiert. Da wird der Bischof dann zum Ortskirchenvorstand, der für Harmonie, Konsens und gute Laune steht, den Klimawandel beklagt, prophetisch ein Tempolimit auf Autobahnen fordert und das alles in guter ökumenischer Geschwisterlichkeit. Mit der vom II. Vatikanum gelehrten theologischen Stellung des bischöflichen Amtes hat das gar nichts mehr zu tun. Den Missbrauchstäter steht dann ein längerer Instanzenweg offen und den Opfern damit noch mehr Belastungen über Jahre bevor.
kath.net: In der deutschen Politik sieht es irgendwie nicht viel besser aus. So sind auf der Weihnachtskarte, die von der Integrationsministerin Annette Widmann-Mauz verschickt wurde, Weihnachtsmann-Mützen, Baumschmuck und Engel mit Heiligenschein zu sehen. Im Text ist Weihnachten mit keinem Wort erwähnt. Und zuletzt die negativen Höhepunkt: Brandanschläge auf Autos und Häuser von AFD-Politker und sogar ein Mordversuch auf einen AFD-Politiker. Was läuft falsch in Deutschland? Wer trägt hier die Verantwortung für diese politische Eskalation?
Imkamp: Brexit, Putin, Trump, die gegenwärtige Regierung in Österreich, die AfD-Erfolge bei den Wahlen und die neuen Informationskanäle durch das Internet haben die politische Klasse und die meinungsbildenden Eliten erheblich verunsichert. Unsicherheit führt zu heftigen zuerst verbalen Attacken mit hemmungslosen Wählerbeschimpfungen, die Berichterstattung über Trump, Orban und die polnische Regierung ist von nacktem Haß gekennzeichnet. Auf diesen Hass erfolgen Reaktionen, die oft nicht viel besser sind, so entsteht ein Klima,in dem es dann auch zu Gewalttaten kommt. Die politische Klasse und die meinungsbildenden Eliten haben sich vom Volk weiter entfernt als die französische Aristokratie vor 1789 vom Volk, mit dem Unterschied, das die Aristokraten damals mehr Geschmack hatten, als die verspießerten Verantwortungs-und Kulturträger heute.
kath.net: In der kath. Kirche in Deutschland ist ja heute fast alles ein "wichtiges Thema" von A wie Abgaswerte bis Z wie Zentralkomitee. Nur die wirklich heißen Eisen in der katholischen Kirche "Himmel, Hölle, Fegefeuer" sind fast nie ein Thema in der Sonntagspredigt. Wenn man etwas über die Hölle erfahren möchte, muss man heute schon in die Oper gehen und Don Giovanni ansehen? Warum ist das so?
Imkamp: Die Enteschatologisierung hat schon Josef Ratzinger als Kardinal und Papst heftig beklagt. Erlösung bedeutet zu erst einmal, dass wir alle die ewige Seligkeit erlangen können, und das wiederum bedeutet, dass wir alles unter den Gesichtspunkt, "hilft es uns das ewige Seelenheil zu erlangen", beurteilen müssen. Heute wird Verkündigung durch politisch korrekte Verlautbarungen ersetzt. Das ist Verrat, das ist Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
kath.net: Als normaler Katholik fühlt man sich im deutschsprachigen Raum etwas wie Don Quichotte und sein Kampf gegen die Windmühlen. Was haben Sie für hier für Überlebenstipps für das Jahr 2019?
Imkamp: Klare Analyse, Humor mit liebevoller Ironie, ganz viel Gebet für die kirchlichen Zeitgeistfetischisten, ein besonderes Gebet für diejenigen, die uns besonders aufregen, wenn möglich die tägliche heilige Messe und vor allem die hl. Beichte, denn wer steht, sehe zu, das er nicht falle.
kath.net: Ganz herzlichen Dank und Gottes Segen für Ihr Wirken!
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