31. Jänner 2019 in Deutschland
Alte Referate bekommen im Erzbistum Freiburg neue Namen - Ein kath.net-Hintergrundbericht von Peter Winnemöller
Freiburg (kath.net)
Sprache ist verräterisch, denn sie offenbart oft genug einen Hintersinn, den selbst der Sprechende gar nicht beabsichtigt. Intuitiv erfasst das jeder Mensch, denn sonst würden wir nicht so viel Aufwand betreiben, um Dinge zu benennen. Wir würden kaum einen solchen Aufwand treiben, um Begriffe so intensiv zu hinterfragen. Eine Sache anders oder neu zu benennen verändert diese Sache auch von seinem Inhalt her. Darum erscheint es so sinnvoll bei Namensänderungen sehr genau hinzuschauen.
Das Seelsorgeamt des Erzbistums Freiburg hat in der Abteilung III Erwachsenenpastoral die Referate umbenannt. Anlass war der Strategieprozess im Erzbischöflichen Seelsorgeamt. Das Seniorenreferat und das Behindertenreferat wurden unter dem neuen Titel Inklusion Generation zusammengefasst. Abgesehen davon, dass Referatszuschnitte in öffentlichen Verwaltungen immer mal den Nimbus von Frauen und Gedöns haben, kann man überlegen, ob Begriffe wie Senioren oder Behinderte nicht deutlicher uns aussagekräftiger sind.
Ein Blick auf die weiteren Umbenennungen lässt einem durchaus den Atem stocken. Das frühere Familienreferat heißt jetzt Ehe Familie Diversität. Das Männer- und das Frauenreferat existieren jeweils weiter, werden aber unter einem Dach als Männer Frauen Gender geführt. Es ist nicht damit getan, Schnappatmung oder Aufregerkultur zu kultivieren. Dem Erschrecken, das hier eindeutig erlaubt ist und ohne welches es die nötige Aufmerksamkeit nicht gibt, muss die nüchterne Nachfrage folgen. Was hat man sich dabei gedacht, muss dabei die erste Frage lauten.
Das Erzbistum Freiburg hat Diözesane Leitlinien herausgegeben, die die Grundlage für die jetzige Umbenennung geben. Ganz reibungslos verlief das nicht. Der Erzbischof von Freiburg hatte gut informierten Kreisen zufolge den zuerst geplanten Namen Lebensformen und Diversität für das Familienreferat abgelehnt. Die weitere Untersuchung wird zeigen, dass diese Benennung dem Grunde nach sogar ehrlicher gewesen wäre.
Allein die Begriffe genau zu untersuchen führt an dieser Stelle weiter und kann dem verstehen dienen. Diversität, so schreibt das Erzbistum in seinen Leitlinien, bedeutet, dass wir die vielfältigen Lebensformen in unserer Gesellschaft wahrnehmen. Als Ebenbild Gottes, der selbst Vielfalt und Einheit ist, ist jeder Mensch mit vielseitigen Anlagen und Potenzialen ausgestattet, in seiner Einzigartigkeit von Gott geliebt und in seiner Unterschiedlichkeit unverzichtbarer Teil der Gemeinschaft. Die Erzdiözese lebt und fördert die Wertschätzung der Verschiedenheit und Einzigartigkeit aller Menschen unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung (Diözesane Leitlinien, S. 42).
Soziologisch, erklärt Prof. Manfred Spieker (Osnabrück) dazu, meint Diversität nach bestimmten Merkmalen unterscheidbare Gruppen. In einem Referat für Ehe und Familie bedeutet das eine Verminderung des Wertes von Ehe und Familie und der entsprechenden Aufmerksamkeit. Ein Blick in die Diözesanen Leitlinien zeigt in der Tat eine solche Definition: Der eheliche Bund von Frau und Mann, der auf Einheit und Unauflösbarkeit ausgerichtet und begründet ist Damit liegt eine Relativierung der Ehe im Vergleich zum Katechismus vor, in dem wir lesen: Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, [ ], wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben (KKK 1601) Zwischen ausgerichtet auf Unauflösbarkeit und der vom KKK beschrieben Unauflösbarkeit und Sakramentalität der Ehe besteht ein nicht zu leugnender Unterschied.
So lässt schließlich auch die Internetseite des Referates unter Fit für Partnerschaft jeglichen Hinweis auf Sakramentalität und Unauflöslichkeit der Ehe vermissen. Die Unterpunkte sind sprechend: Kommunikation / Trennung, Scheidung / Wiederheirat. Damit ist das Referat im Erzbistum Freiburg offensichtlich auf einer Linie mit dem Bundesfamilienministerium, welches im 7. Familienbericht der Bundesregierung, die »serielle Monogamie« zum Leitbild der Familienpolitik erhob. (Vgl. dazu Spieker, Manfred. Gender-Mainstreaming in Deutschland. Konsequenzen für Staat, Gesellschaft und Kirchen. Paderborn 2016)
Dazu sagte Michael Hertl, Pressesprecher des Erzbistums Freiburg, auf Nachfrage gegenüber kath.net: Es ist unsere Verantwortung Menschen und ihre Lebensformen differenziert wahrzunehmen und im Geiste des Evangeliums zu deuten, es geht nicht um die Kategorien von befürworten und bewerten. Papst Franziskus macht in seinem Nachsynodalen Schreiben Amoris Laetitia deutlich, dass er um die Lebensrealität von Familien weiß. Das Ergebnis der Synode ist nicht ein Stereotyp der Idealfamilie, sondern eine herausfordernde Collage aus vielen unterschiedlichen Wirklichkeiten voller Freuden, Dramen und Träume (AL 57). Papst Franziskus betont in seinem Schreiben, dass das Ideal einer christlichen Ehe und Familie nicht dadurch beschädigt wird, dass es nicht voll erreicht wird.
Ein weiterer Begriff bei Umbenennung der Referate fällt auf: Gender. Auf den ersten Blick ist dieses englische Lehnswort erst einmal nur eine Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht und der vorgenommenen sozialen Zuordnung auf Grund des Geschlechts.
Was der Begriff mit dem Männer- und Frauenreferat zu tun hat erklärt Michael Hertl: Dies bedeutet, dass wir auf die Genderfragen, die sich stellen, die Antworten geben können und wollen, die wir als Katholische Kirche für angemessen halten. Dies heißt nicht die (unkritische) Übernahme von Positionen (wie Gender-Mainsteaming, Gender-Methode, Gender-Ideologie etc.), sondern die profilierte Auseinandersetzung, die allerdings den Begriff Gender im kirchlichen Sprachgebrauch dabei selbst nicht von vorne herein eliminiert und als Ansatzpunkt sieht.
Manfred Spieker setzt dagegen, dass Männer und Frauen geschöpfliche Realitäten seien. Worum sich folglich ein Männer- bzw. ein Frauenreferat zu kümmern habe, verstehe sich damit von selbst. Mit einem Zusatz wie Gender verschwimme das. Die kritische Auseinandersetzung um Schaden oder Nutzen von Gendermainstreaming ist in vollem Gange. Papst Franziskus sei da, so Spieker, von erfrischender Offenheit. Mehr als einmal hatte der Papst die Genderideologie als eine dämonische Ideologie bezeichnet. In dieser Hinsicht erhofft sich der Sprecher des Erzbistums Freiburg eine Konkretisierung von Papst Franziskus.
Zuweilen erscheint es dem unbedarften Beobachter, als sei Gendermainstreaming der neue dialektische Materialismus. Ohne Genderperspektive keine Politik. Ohne Gender keine Uniabschlüsse. Folgt nun auch: Ohne Gender keine Pastoral? Immerhin ist die Einrichtung eines eigenen Genderreferats im Erzbistum Freiburg nicht geplant. Auch weitere Umbenennungen von Referaten im Seelsorgeamt seien nicht vorgesehen, versichert Hertl.
Was die Umbenennungen und Umstrukturierungen nun die praktische Pastoral in Freiburg bedeuten, wird abzuwarten sein. Dass aber Name und Inhalt korrelieren, davon sollte zumindest ausgegangen werden.
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