5. Februar 2019 in Aktuelles
Papst Franziskus beendet seinen historischen Arabienbesuch mit einer Messe - Die gemeinsame Erklärung war für arabische Verhältnisse so brisant, dass ihre Veröffentlichung im Vorfeld nicht angekündigt wurde - Korrespondentenbericht von Roland Juchem
Abu Dhabi(kath.net/KAP) 120.000 Teilnehmer aus 100 Nationen, darunter 4.000 Muslime: Die Messe, die Papst Franziskus am Dienstagmorgen im Stadion von Abu Dhabi feierte, ist die praktische Seite dessen, was er am Vorabend gemeinsam mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee, Ahmad al-Tayyeb, in einem wegweisenden Dokument über "Menschliche Brüderlichkeit" erklärte und gelobte: Geschwisterlichkeit, Pluralität und gelebter Glaube in friedlichen Miteinander der Kinder des einen Schöpfers.
Dieses religiöse Dokument hat insbesondere in diesem Teil der Welt enorme politische Bedeutung. So klar, wie der Großimam und der Papst für Religionsfreiheit, Frauenrechte und Nachhaltigkeit werben, so deutlich, wie sie jegliche Gewalt und Extremismus im Namen Gottes, aber auch religionsfeindlichen Säkularismus und amoralischen Individualismus verurteilen, will das nicht jeder Machthaber oder traditionalistische Prediger hören, schon gar nicht, aber auch nicht nur im Nahen Osten.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geben sich als Förderer und Schützer von Toleranz und Dialog - auch in Abgrenzung zum großen Nachbarn Saudi-Arabien. So haben die Emirate nicht nur kostenlos das Zayed-Sportstadion für die Papstmesse zur Verfügung gestellt. Auch für die zweitägige interreligiöse Konferenz über "Human Fraternity" scheute man weder Kosten noch Mühen und rührte kräftig die Werbetrommel für das, wie es hieß, "historische Treffen der beiden wichtigsten religiösen Führer der Welt".
"Bruder und guter Freund" - so nennen sich Franziskus und al-Tayyeb gegenseitig. Der Ägypter weicht in den zwei Tagen kaum von der Seite des Papstes. Es ist ihre insgesamt fünfte Begegnung. In seiner Rede fordert al-Tayyeb, Christen müssten in der Region volle Bürgerrechte haben. Dafür erhält er ebenso Applaus wie für seine Kritik an westlichen Zerrbildern von Muslimen.
Der Papst kritisiert in seiner anschließenden Rede scharf Krieg und Wettrüsten in der Region, lobt aber die Emirate für die Gewährung von Kultusfreiheit. Dennoch, so Franziskus: Wahre Religionsfreiheit beschränke sich "nicht nur auf die freie Ausübung der Religion, sondern sieht im anderen wirklich einen Bruder und eine Schwester ... derselben Menschheit, denen Gott Freiheit gewährt."
Am Abend des ersten Tages bekommen beide den "Human Fraternity Award" überreicht, gestiftet von Abu Dhabis Herrscherfamilie, der Zayed-Dynastie. Während sanfte Musik und Weihrauchduft die kleine Arena vor dem Denkmal des Staatsgründers durchziehen und Papierschnipsel herabregnen, unterzeichnen das Oberhaupt der katholischen Kirche und der Vorsteher der wichtigsten Lehrautorität des sunnitischen Islam ihr gemeinsame Erklärung.
Die ist so brisant - zumindest in dieser Region -, dass ihre Veröffentlichung im Vorfeld nicht angekündigt wurde. Ihre Unterzeichnung sollte keinesfalls durch irgendeine politische Einflussnahme gefährdet werden. Gemeinsam wie auch jeweils in ihren Glaubensgemeinschaften wollen Papst und Großimam Frieden, Dialog, Toleranz und echte Frömmigkeit fördern, jeder Instrumentalisierung von Religion für Hass und Gewalt entgegenwirken und für gleiche Rechte für alle eintreten.
"Eine Gerechtigkeit, die nur für Familienmitglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt, ist eine hinkende Gerechtigkeit; sie ist verschleierte Ungerechtigkeit", so hatte der Papst in seiner Rede am Montagabend gewarnt. Selbst in den toleranten Emiraten genießen Nichtmuslime zwar Kultus-, aber keine Religionsfreiheit. Jeder Gläubige darf seine Religion ausüben, viele in offiziellen Kirchen und Tempeln, andere - mangels Platz - in angemieteten Hotelkonferenzräumen.
Mission und Seelsorge unter den "Anderen" sind verboten. Für Muslime, die ihrer Religion den Rücken kehren, gilt offiziell noch die Todesstrafe. "Sie haben viel Lobenswertes erreicht - aber das alles lässt sich noch verbessern", so ließe sich die die höfliche, aber bestimmte Bilanz des hohen Gastes resümieren.
Ging es am Montag um den interreligiösen Dialog, so galt der Dienstagvormittag den Christen im Nahen Osten. Bei der Messe mit Zehntausenden Menschen im Stadion und weiteren Zehntausenden davor spendete Franziskus den Christen in Arabien Trost, die aus mehr als 100 verschiedenen Volksgruppen und Ländern kommend fern ihrer Heimat leben. Er machte ihnen Mut und dankte, dass sie ihren Glauben so leben, wie es in dem am Vorabend unterzeichneten Dokument beschrieben ist.
Dies entspreche auch dem Geist der Bergpredigt, so der Papst in seiner Predigt - anders als es die Maßstäbe dieser Welt vorgäben, nach denen die Reichen, Mächtigen, Erfolgreichen selig seien und von den Massen bejubelt würden. Er fordert dazu auf, zu "dienen statt bedient zu werden". Für die Zehntausenden Fremden, die in Arabien als Arbeiter und Bedienstete schaffen und überall mit den großformatigen Bildern der örtlichen Emire konfrontiert sind, hört sich das noch einmal anders an.
Mit dem bislang größten christlichen Gottesdienst auf arabischem Boden wurden die Christen in der islamischen Welt ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt. Mit der von Franziskus und al-Tayyeb unterzeichneten Erklärung haben die katholische Kirche und die höchste Lehrautorität des sunnitischen Islam einen Meilenstein gesetzt, hinter den Christen und Muslime nicht mehr so leicht zurückkönnen.
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