21. Februar 2019 in Interview
"Nur wer Ihm persönlich begegnet ist, kann die Flamme weitergeben" - kath.net-Interview mit P. Valentin Gögele, Ordensprovinzial für West- und Mitteleuropa der Legionäre Christi über die Zukunft des Ordens und das wichtigste Apostolat der LCs
Berlin (kath.net)
kath.net: Sie wurden 2018 zum neuen Ordensprovinzial für West- und Mitteleuropa ernannt. Die Provinz umfasst ja neben Deutschland, Polen, Ungarn, Österreich, die Slowakei sowie Irland, Frankreich, Belgien und die Schweiz. Was bedeutet das für Sie, außer viele Reisen?
P. Valentin: Vor allem eine große Verantwortung aber auch Freude, mit vielen Frauen und Männern in verschiedenen Ländern, in verschiedenen Sprachen und Kulturen gemeinsam daran zu arbeiten, dass Jesus Christus die Herzen der Menschen berühren kann, letztendlich und das ist der Auftrag unserer Gemeinschaft das Reich Gottes in der Welt von heute verbreiten zu helfen. Was ich dabei seit meiner Ernennung vor einem halben Jahr schon sehen und lernen durfte, ermutigt und bereichert mich sehr: Es gibt eine echte Sehnsucht nach Gott und zahlreiche neue Glaubensaufbrüche in Europa.
kath.net: Sehen Sie angesichts der Ordenskrise aufgrund der Skandale des Gründers eine gute Zukunft für den Orden?
P. Valentin: Mit der kirchlichen Approbation der neuen Konstitutionen und neuen Ordensleitung der Legionäre Christi im Februar 2014, der kanonischen Anerkennung der gottgeweihten Frauen und Männer im Regnum Christi im November 2018 als Gesellschaften des apostolischen Lebens und dem Abschluss des Revisionsprozesses der Statuten der Regnum-Christi-Föderation Ende letzten Jahres sind wir gewissermaßen schon in der Zukunft unserer Gemeinschaft angekommen.
Seit 2009, dem Beginn des Erneuerungsprozesses, haben wir einen langen und anspruchsvollen Weg absolviert. Dieser Weg war z.T. schmerzhaft aber vor allem befreiend und heilsam, und es war gut und notwendig, dass wir uns auf diesen Weg gemacht haben. Wir sind vor allem sehr dankbar für die stete Begleitung, Unterstützung und Ermutigung durch die Kirche und Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus, die wir in diesen Jahren erfahren durften! Insofern, ja, ich sehe definitiv eine gute Zukunft für unsere Gemeinschaft
kath.net: Ganz persönliche Frage: Würden Sie auch heute - nach Bekanntwerdung des Gründer-Skandals - noch in den Orden eintreten und warum?
P. Valentin: Vielleicht gerade heute! Und natürlich auch rückblickend wieder. Zunächst deshalb, weil es beim Priester- und Ordensleben grundsätzlich um eine Berufung geht, die Gott an einen Menschen richtet. Das ist etwas ganz Persönliches, das findet sozusagen im Herzen eines jeden statt, im vertrauten Du-zu-Du, zwischen Gott und Mensch. Das kann man nicht machen, das ist kein Menschenwerk, das ist einzig Initiative Gottes. Die Kirche hat die Echtheit des Charismas der Legionäre Christi mehrfach bestätigt. Mich hat daran von Beginn an die leidenschaftliche und persönliche Liebe zu Jesus Christus fasziniert, dass er stets und überall im Zentrum steht, die vertraute und freundschaftliche Beziehung zu ihm, die Gemeinschaft mit Jesus Christus im Alltag, die Nachfolge als sein Jünger, die Bereitschaft, für ihn als Apostel zu wirken, möglichst in alle Bereiche der Gesellschaft hinein. Die Gründerkrise bedeutete deshalb auch für mich, diesen authentischen Kern unseres Charismas neu und deutlich herauszuarbeiten. Ich bin sehr dankbar, dass auch weiterhin junge Männer weltweit diesen Ruf verspüren und in unsere Gemeinschaft eintreten.
kath.net: Wo kann man derzeit die Legionäre Christi im deutschsprachigen Raum treffen?
P. Valentin: Mehr noch als Legionäre Christi kann man das Regnum Christi im deutschsprachigen Raum treffen. In Österreich und Deutschland gehören über 500 Frauen und Männer in über zehn Diözesen zur Apostolatsbewegung. In Deutschland wirken darüber hinaus insgesamt 20 Priester, zwei Diakone und vier Ordensbrüder der Legionäre Christi, in Österreich weitere fünf Priester. In Wien existiert das Zentrum Johannes Paul II., eine offene katholische Gemeinde, ein Ort des Austauschs, der Befähigung hin zum missionarischen Engagement, des gemeinsamen Gebets und der Glaubensvertiefung. In Wels (OÖ) betreiben wir seit Jahren das JUFAZ, unser Jugend- und Familienzentrum. In unserem Noviziat in Neuötting-Alzgern bereiten sich derzeit zehn Novizen auf das Ordensleben vor. Ein wichtiger Standort ist außerdem unsere Apostolische Schule in Bad Münstereifel (NRW), eine Internatsschule für Jungen, die eine mögliche priesterliche Berufung in sich tragen. In Ratingen (bei Düsseldorf) leben und wirken ferner gottgeweihte Frauen des Regnum Christi, hier entsteht gerade auch ein neues ApostelHaus unserer Gemeinschaft, das vor allem der Ausbildung und Vernetzung von Aposteln für unsere Zeit und Welt dienen soll. Praktisch alle Mitbrüder nutzen auch das Internet und die sozialen Netzwerke zur Evangelisierung.
kath.net: Was sehen Sie als Ihr wichtigstes Apostolat der Legionäre?
P. Valentin: Ganz klar: die Ausbildung von Aposteln für unsere Zeit und Welt! Doch dem geht immer die persönliche Begegnung und Beziehung zu Jesus Christus voraus. Genau dafür wollen wir Räume schaffen. Das erfordert heute viel Flexibilität, Dynamik und Vernetzung. Doch nur aus Jesus Christus kann unser apostolisches Wirken entspringen. Nur wer ihm persönlich begegnet ist und seine Liebe erfahren hat, kann die Flamme seiner Liebe wirklich weitergeben. Apostelausbildung beginnt also im Gebet, setzt sich fort in der gelebten Gemeinschaft mit Jesus Christus, in der Offenheit, das eigene Leben von ihm ganz durchdringen zu lassen, und der Bereitschaft, sich von ihm aussenden zu lassen.
kath.net: Es gibt auch die Laienbewegung Regnum Christi. Wo wirken diese und was sehen Sie hier als die große Aufgabe der Bewegung?
P. Valentin: Die Legionäre Christi und das Regnum Christi bilden eine geistliche Familie. Die Zusammenarbeit in der Mission von Priestern, Ordensleuten, Gottgeweihten und Laien, Frauen und Männern, gehört zur DNA unserer Gemeinschaft. Auch den Weg der Erneuerung sind wir in den letzten Jahren zusammengegangen. Das war eine große Hilfe und gegenseitige Bereicherung. Für mich als Priester ist es immer selbstverständlich gewesen, mit Laien zusammenzuarbeiten, mit ihnen Projekte zu planen, mir Rat einzuholen. Weltweit zählt das Regnum Christi ca. 21.000 Mitglieder. Oft waren sie es in der Geschichte unserer Gemeinschaft, die neue Projekte der Evangelisierung begannen und später kamen Priester der Legionäre Christi oder Gottgeweihte hinzu. Die besondere Aufgabe der Laien sehe ich in unserer Zeit deshalb darin, das Evangelium in die Bereiche der Gesellschaft zu tragen und zu leben, wo wir als Ordensleute und Priester oft gar nicht hinkommen, vor allem direkt in den Familien, aber auch in der Arbeitswelt. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die geistliche und missionarische Identität der Laien in der katholischen Kirche noch einer größeren Vertiefung und Verlebendigung bedarf.
kath.net: Die katholische Kirche verliert im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren jedes Jahr mehr Mitglieder. Auch die Messbesucher werden immer weniger. Das einzige, was noch wächst, sind die Einnahmen aus der Kirchensteuer. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung und wie kann man beitragen, hier dem entgegenzuwirken. Konkret: Welche Missions-Ideen haben Sie für den deutschsprachigen Raum?
P. Valentin: Manchmal hilft auch schon ein Blick über den Tellerrand: Die Austrittszahlen in Österreich und Deutschland entsprechen ja nicht dem weltweiten Trend, in Asien und Afrika erlebt die katholische Kirche z.B. ein starkes Wachstum, und auch in Europa sind die Austrittzahlen nicht überall so dramatisch. Die katholische Kirche ist und bleibt die Kirche Gottes, Jesus selbst hat sie gestiftet. Er hat sie auf Petrus, dem Felsen, und die Apostel gegründet, nicht zum Selbstzweck, sondern zum Heil der Menschen und der Welt, und ihr zugesagt, sie nie zu verlassen. In unserer Zeit beschädigt die Missbrauchskrise die Glaubwürdigkeit der Botschaft Christi schwer. Wir haben als Gemeinschaft selbst erfahren, was das bedeutet. Ich denke auch, das müssen wir unbedingt in Betracht ziehen, wenn wir in Österreich und Deutschland derzeit über Mission sprechen. Zur Geschichte der Kirche gehören viele Höhen und Tiefen, schon der Apostel Paulus ermahnte die ersten Gemeinden zur Erneuerung ihres Denkens, um wieder zu erkennen, was der Wille Gottes sei: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene (vgl. Röm 12,2).
Letztendlich heißt das Heiligkeit. Und große Heilige waren es auch, die in Krisen der Kirche dem Glauben neue und starke Impulse gaben und den Menschen wieder den lebendigen und heilbringenden Gott nahebrachten. Insofern beginnt Mission bei jedem selbst und mit der Frage: Vertraue ich ganz auf Gott, der mich heil machen möchte, der mir seine Liebe und Freundschaft anbietet, ein Leben in Fülle, Erlösung von meinen Sünden und ewiges Leben? Gottes Liebe können wir schließlich im Mitmenschen, im Nächsten sehr konkret und lebendig erfahren. Sind wir dazu bereit? Wichtig sind dafür christliche Gemeinschaften, die aufnehmen, begleiten, stützen und stärken, sich auch untereinander vernetzen. Hier setzen wir deshalb als Legionäre Christi und Regnum Christi unseren Schwerpunkt. In und durch diese oft auch neuen Formen christlicher Gemeinschaft geschieht heute oft Mission. Das wäre so eine Idee.
kath.net: Herzlichen Dank für das Interview und Gottes Segen für Ihre Arbeit.
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