„Jesu, meine Freude“

27. Februar 2019 in Spirituelles


„Abgründe werden sichtbar, ob es um den sexuellen Missbrauch oder um Häresien geht. An Aschermittwoch ergeht an uns alle, Bischöfe, Theologen und einfache Christen, der Umkehrruf“. Eine geistliche Betrachtung von Thorsten Paprotny


Hannover (kath.net) Grimmige Klagelieder könnten viele von uns singen, in allen Sprachen. Misstöne vernehmen wir, Empörung, Zorn, Verdruss, öffentlich, auf dem Kirchplatz, in Gruppen oder in Gesprächskreisen. Wir kennen auch die Verbitterung im stillen Kämmerlein und bei der Lektüre kirchlicher Nachrichten. Ich denke in solchen Momenten gern an die Heiligen, besonders an die Zuversicht und Furchtlosigkeit, die der heilige Papst Johannes Paul II. ausstrahlte, im Leben wie im Sterben: „Non abbiate paura!“ Vor über 40 Jahren rief er den Gläubigen auf dem Petersplatz diese Worte zu und bezeugte dies bis in die Sterbestunde hinein: „Habt keine Angst!“ – Nicht in der Nacht des eigenen Lebens, nicht in der Finsternis der Weltenzeit. Das Vorbild der Heiligen stärkt uns. Die Lichtspur des Glaubens wird sichtbar.

Wir alle wissen wohl aus unserer je eigenen Erfahrung: Wir brauchen den Trost, die Bestärkung so sehr. Wir bedürfen der Hoffnung, die über diese Welt hinausreicht. Manchen von uns mögen die alten katholischen Lieder wie „Zieh an die Macht, du Arm des Herrn“ von innen her festigen, kräftigen und bestärken. Unverdrossen und unbeirrt durch alle Fährnisse der Zeit erklingt noch: „Ein Haus voll Glorie schauet.“ Der Rosenkranz schenkt Halt, wenn wir betend mit den Augen Marias auf Christus schauen. Dennoch blicken wir in die weite Welt der Medien. Abgründe werden sichtbar, ob es um den sexuellen Missbrauch oder um Häresien, ja um Apostasie geht. Die Diskurse hören niemals auf, die Debatten scheinen sich beständig zu vermehren. Aufruhr, Erregung und Enttäuschung machen sich breit. Die Dynamik nimmt zu, die Leere weitet sich aus. Eine Meldung jagt die nächste. Skandale machen sprachlos, die Forderungen so vieler Kirchenkritiker nicht weniger – und die Kirche wirkt manchmal nur noch wie ein großes Welttheater. Droht das Schifflein Petri doch noch zu kentern? In knapp einer Woche ergeht an uns alle, Bischöfe, Theologen und einfache Christen, der Ruf, mit dem die österliche Bußzeit beginnt: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.“ Ein tröstliches, befreiendes Wort also wartet auf uns, endlich – es ist hohe, es ist höchste Zeit, für Besinnung, Bekehrung, Läuterung und Umkehr.

Was mich betrifft, ganz einfach, ich möchte – vielleicht wie einige von Ihnen – so vieles einfach nicht mehr hören müssen: Nichts von der „DNA der Kirche“, nichts von „Männerbünden“, nichts von einer neuen Theologie und nichts von einer neuchristlichen Morallehre für die Lebenswirklichkeit in der Postmoderne. Auch möchte ich nichts mehr davon hören, dass eine prominente Person wie Eugen Drewermann, exkommuniziert und aus der Kirche ausgetreten, mir von einem Bischof als „verkannter Prophet“ neu vorgestellt wird. Wie sehr wünschte ich mir, dass alle diese Nebel sich endlich lichteten und nicht noch weiter weltgewandt vermehrt würden – und befürchte dennoch das Gegenteil. Ich werde das aushalten und ertragen, weil das alles im Letzten und im Entscheidenden unwesentlich ist. Was mich hebt und hält? Die Gewissheit und das Wissen darum, dass Jesus Christus meine Hoffnung, meine Freude und meine Zuversicht war, ist und bleibt. Sie alle kennen dieses geistliche Lied:

„Jesu, meine Freude,
meines Herzens Weide,
Jesu, meine Zier:
ach wie lang, ach lange
ist dem Herzen bange
und verlangt nach dir!
Gottes Lamm, mein Bräutigam,
außer dir soll mir auf Erden
Nichts sonst Liebers werden.

Weicht ihr Trauergeister,
denn mein Freudenmeister,
Jesus, tritt herein.
Denen, die Gott lieben,
muß auch ihr Betrüben
lauter Freude sein.
Duld ich schon hier Spott und Hohn,
dennoch bleibst du auch im Leide,
Jesu, meine Freude.“

Wer nun voller Skepsis denken mag: War der Lieddichter Johann Franck nicht Protestant, wie die Komponisten Johann Crüger und Johann Sebastian Bach? Ja, stimmt genau. Und das macht gar nichts. Dieses geistliche Lied kündet in der Sprache der Musik von der Wahrheit, die uns im Glauben der Kirche aller Orten und Zeiten zugänglich ist und zu der ich gläubig stehe: Jesu, meine Freude. Der heilige Papst Johannes Paul II. würde, glaube ich, mir nicht widersprechen. Vielleicht würde er auf seine ganz eigene Weise lächeln, hoffnungsvoll und zuversichtlich.

Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998-2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte 2018 den Band „Theologisch denken mit Benedikt XVI.“ im Verlag Traugott Bautz und arbeitet an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.

kath.net-Buchtipp
Theologisch denken mit Benedikt XVI.
Von Thorsten Paprotny
Taschenbuch, 112 Seiten
2018 Bautz
ISBN 978-3-95948-336-0
Preis 15.50 EUR

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Johann Sebastian Bach - "Jesu, meine Freude" - Choir of King´s College Cambridge



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