13. März 2019 in Interview
Martin Lohmann hat ein Buch über den Regensburger Bischof Wittmann (1760-1833) geschrieben Krisenzeiten für die Katholiken gab es auch früher schon. Ein kath.net-Gespräch mit aktuellen Bezügen.
Bonn-Regensburg (kath.net/pl) Krisenzeiten für die Katholiken gab es auch früher schon. Manche Oberhirten nahmen die Herausforderungen derart konsequent an, dass sie zu Hoffnungsträgern mit segensreicher Wirkung wurden.
kath.net: Herr Lohmann, Sie überraschen mit einer Biographie über den Regensburger Bischof Georg Michael Wittmann. Was ist der Hintergrund?
Martin Lohmann: Viele glückliche Zufälle, oder besser: eine offenbar gut choreografierte Fügung. Den Auftrag zu diesem Werk verdanke ich dem Regensburger Bischof. Als ich gefragt wurde, ob ich etwas über den - übrigens nach wie vor in Regensburg verehrten - Bischof Wittmann schreiben könne, kannte ich diese Persönlichkeit noch nicht. Aber schon nach wenigen Recherchen war ich beeindruckt. Da leuchtete eine außergewöhnliche Gestalt vor mir auf, die vor 200 Jahren lebte und mit unglaublicher Klarheit durch die Wirren der damaligen Zeit gegangen war. Je mehr ich mich mit diesem Kirchenmann befasste, desto deutlicher wurden auch die Bezüge zu unserer Zeit. Geistig, philosophisch und politisch, vor allem aber theologisch hatte Georg Michael Wittmann ein inneres Koordinatensystem der Klarheit, das richtig guttut.
kath.net: Was war denn der Anlass, ein neues Buch über ihn zu schreiben?
Lohmann: Seit etlichen Jahren gibt es ein Seligsprechungsverfahren für Wittmann. Und seit einiger Zeit bewegt sich in Rom da einiges. Das alles ist nicht nur für das Bistum Regensburg interessant, sondern für die ganze Kirche in Deutschland.
kath.net: Warum?
Lohmann: Nun ja, Wittmann war im besten Sinne des Wortes ein starker Seelsorger und ein ebensolcher Reformer. Er hat damals als Regens ganz neue Maßstäbe an die Priesterausbildung gelegt. Und zwar mit Erfolg. Er prägte zum Segen für das Bistum Regensburg eine ganze Priestergeneration und stoppte das Abflachen der Priesterberufungen ebenso wie die inhaltliche Verflachung durch mangelnde Bildung und zu lasches Gebetsleben sowie falsche Anpassungen vieler Priesterentwicklungen.
kath.net: Aber das ist zweihundert Jahre her. Hat uns dieser Bischof denn auch heute noch eine aktuelle Botschaft zu sagen?
Lohmann: Und ob! Das war ja für mich die erstaunliche Überraschung, nachdem ich mich mit ihm befasst hatte. Als ich dann, um genau diese Ihre Frage, die ich selbst hatte, in die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils schaute, staunte ich nicht schlecht. Denn dort steht ja zur Priesterberufung und zum Priesterbild viel Klares und auch Forderndes. Man könnte fast meinen, der vor zwei Jahrhunderten wirkende Bischof Georg Michael Wittmann habe Pate gestanden bei diesen Texten des Zweiten Vatikanums. Manche Passagen lesen sich wie aus seiner Feder. Ich bin mir fast sicher, dass er einmal als Seliger oder Heiliger ein besonderer Fürsprecher für die Priester sein wird. Wittmann zeigt eigentlich auch heute, dass es geht: Mutig, wahrheitstreu und gebetsstark zu sein.
kath.net: Stimmt es, dass er im Rufe der Heiligkeit starb und bis heute in Regensburg verehrt wird?
Lohmann: Ja. Absolut. Regensburg sah selten einen größeren Trauerzug als für Wittmann. Die Mütter hielten schon damals ihre kleinen Kinder hoch, um ihnen später sagen zu können: Du hast einen Heiligen gesehen und erlebt. Im Regensburger Dom findet man an seinem Grab immer wieder Blumen und Beter. Das alles zeugt davon, dass dieser fast schon unglaublich belesene, bescheidene, kluge und den Menschen zugewandte Hirte für viele ein Hoffnungsträger war und bleibt. Georg Michael Wittmann, der 1760 im oberpfälzischen Finkenhammer bei Pleystein geborene und zum Nachfolger von Johann Michael Sailer als Bischof von Regensburg ernannte Kirchenmann, hatte die Gabe, eine unbestechliche Konsequenz im Wissen um die Lehre der Kirche mit einer ebenso selbstverständlichen Barmherzigkeit in der Pastoral zu verbinden.
kath.net: Er war ja mitten hineingestellt in die Zeit der Aufklärung. Sie beschrieben in Ihrem Buch, dass er sich auch mit den Philosophen der damaligen Zeit auseinandersetzte.
Lohmann: Korrekt. In einer verwirrenden Zeit der Aufklärung und des Kampfes gegen kirchliche Pfründe behielt er klaren Kopf. Die Gedanken der Aufklärer und der damals modernen Philosophen studierte er aufmerksam. Er wusste, worüber er diskutierte, auch und gerade, wenn er sich den Widerspruch zu falschen Vorstellungen, auch innerhalb der damaligen Kirche, leistete. Er war sehr fromm, sehr intellektuell, sehr klug und sehr weise. Aber vor allem: immer konkret hilfsbereit. Es ist schon erstaunlich, wie viel ein einziger Mensch in einem einzigen Leben leisten kann. Ein Herzensanliegen war Wittmann - das darf man nicht vergessen zu erwähnen - die Bildung von jungen Mädchen, die damals eigentlich für viele kein Thema war. Für ihn, den Seelsorger und Menschenfreund, aber sehr wohl. Ohne ihn wäre der Orden der Armen Schulschwestern in Regensburg nicht entstanden. Den gibt es noch heute, und die Schwestern leisten noch heute einen wertvollen und unersetzlichen Dienst.
kath.net: Bildung war ihm Sie deuteten es bereits an gerade auch für die Priester wichtig, was damals ebenfalls nicht überall selbstverständlich war.
Lohmann: Wittmann war überzeugt: Ohne gute und fromme, im Glauben verankerte und diesen lebende Priester kann es keine Reform der Kirche geben. Er forderte gerade von den damaligen Priesteramtskandidaten eine konsequente Bildung in Theologie und Philosophie. Vor allem aber lag ihm daran, dass es möglichst viele heiligmäßige Priester gebe gerade und erst recht in Zeiten gesellschaftlicher Irritationen und des Unverständnisses von dem, was Kirche Jesu Christi wirklich und letztlich bedeutet. Er selbst zeichnete sich durch eine für viele unmögliche Bescheidenheit und Demut aus.
kath.net: Was hieß denn für Wittmann Demut?
Lohmann: Auf keinen Fall eine falsche Bescheidenheit. Für ihn, der wahrlich persönlich sehr bescheiden lebte, bedeutete Demut die Bereitschaft zum Dienst am Mut zum Bekenntnis, und nicht ein falsches Sich-Zurückhalten oder eine die Wahrheit verleugnende missverstandene Toleranz. Von sich selbst verlangte er ein Leben lang das, was er den künftigen Priestern vorlebte: Absolute Disziplin, damit vor allem das Gebet die Struktur des Tages bestimmen kann und zum selbstlosen Einsatz für die Menschen befreit.
kath.net: Sie scheinen ja wirklich fasziniert zu sein von diesem Ihnen zuvor unbekannten Menschen der Kirche.
Lohmann: Das stimmt. Dieser Apostel Regensburgs hat ja gerade heute und angesichts der die Kirche und ihre Glaubwürdigkeit erschütternden Skandale mit seiner Botschaft etwas Wegweisendes. Ich will es mal so sagen: Wittmann wurde zu einem unbestrittenen Menschen der Tat, weil er ein unbeirrter Mann des Gebetes war. Er ist ein Vorbild gewesen für viele Menschen damals, nicht nur für Priester. Aber besonders für sie. Auch ganz normale Christen ließen sich anstecken von seiner tiefen Verankerung des Vertrauens in Gott. Seine konsequente Lebensführung, seine Tagesgestaltung durch immer treu gepflegte Gebetszeiten, sein weltzugewandtes Leben aus dem Raum der Geborgenheit bei Gott, dessen Anbetung durch Eucharistiefeier, Stundengebet, Meditation Schriftlesung absolute Priorität hatte, was seinen Einsatz für die Menschen nicht einschränkte, sondern im Gegenteil noch wirksamer machte - all das machte ihn damals zu einem hellen Zeugen der Wahrheit und führte viele Menschen zum beglückenden Licht des Glaubens.
Georg Michael Wittmann ist auch für uns ein Wegbereiter zu einer Reform der Kirche, die aus der Wahrheit lebt und glaubwürdig wirkt. Wittmann war ein begnadetes Werkzeug Gottes zur Erschließung des Heils. Noch einmal: Er war jemand, der sich mutig zur Wahrheit bekannte, und er war jemand, der diesen Mut zum Bekenntnis lebte und anderen ebenso zutraute wie sich selbst. Er war in schwieriger Zeit ein ebenso beeindruckender wie ganz normaler Wegbereiter der Wahrheit. Sein Leben ist auch heute eine Ermutigung zum Bekenntnis, zum Vertrauen, zur Gelassenheit, zur Gebetstreue, zur Andacht, zur Schriftlesung, zur Hoffnung und zur tätigen Liebe.
kath.net-Buchtipp
Georg Michael Wittmann
Bischof, Seelsorger und Reformer
Von Martin Lohmann
Taschenbuch, 152 Seiten; 20 Abb.
2019 Pustet, Regensburg
ISBN 978-3-7917-3038-7
Preis Österreich: 13.40 EUR
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Titelblatt - Martin Lohmann: Georg Michael Wittmann, Bischof, Seelsorger und Reformer
Foto des Titelblattes (c) Martin Lohmann
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