1. April 2019 in Aktuelles
Franziskus warnt bei der "fliegenden Pressekonferenz" zwischen Rabat und Rom vor Populismus - Papst verurteilt Unterdrückung der Gewissensfreiheit in christlichen Ländern
Rabat-Rom (kath.net/KAP/red) Papst Franziskus hat bei seiner Kritik an einer Abschottungspolitik nachgelegt. Die Gesellschaft komme nur voran, wenn man Brücken baue, doch immer mehr Staaten setzten heutzutage auf Mauern. Dies sei schmerzhaft, "weil diejenigen, die Mauern bauen, als Gefangener der Mauern enden, die sie gebaut haben", erläuterte der Papst am Sonntagabend vor mitreisenden Journalisten am Rückflug von seiner zweitägigen Marokko-Reise von Rabat nach Rom. Für die Regierungen sei das Finden guter Lösungen in der Migrations- und Flüchtlingsfrage wohl eine schwierige Aufgabe, bekannte er. Dies müsse jedoch menschlich geschehen. "Die Menschenrechte sind wichtiger als die Abkommen", zitierte Franziskus den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Dieser Satz "verdient den Nobelpreis", befand er.
Dass die Wähler in etlichen Staaten Europas in die entgegengesetzte Richtung abstimmten und eine Abschottungspolitik befürworteten, sieht Franziskus als eine Folge der Angst, welche von den Populisten gepredigt würde. "Die Angst ist der Beginn der Diktatur", so Franziskus, der hier an den Aufstieg des Nationalsozialismus erinnerte. Adolf Hitler sei "mit Versprechen und Ängsten" an die Macht gekommen, "und wir kennen das Ergebnis". Wer Angst säe, bringe "eine grausame Ernte" ein; das lehre die Geschichte.
Nicht vergessen dürfe Europa, dass es selbst erst durch Migration entstanden sei, betonte der Papst weiter. Auch seien viele Länder während und nach dem Weltkrieg sehr großzügig gewesen. Sein eigener Vater sei einer jener Europäer gewesen, die im Ausland Aufnahme gefunden hätten, so Franziskus. So sehr der genaue Blick auf die Gründe von Migration auch nötig sei, gelte es doch gleichzeitig auch zu fragen, ob ein Europa, dass Waffen verkaufe mit denen dann im Jemen Kinder umgebracht würden, konsequent sei.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte der Papst für ihre Europapolitik. Wenn der Kontinent "die Mutter Europa und nicht die Großmutter" sein wolle, müsse man intelligent in Bildung investieren. Das sei nicht seine Idee, "das hat Kanzlerin Merkel gesagt", sagte er bei der "fliegenden Pressekonferenz". Merkel bremse Auswanderung "nicht mit Macht, sondern mit Großzügigkeit, mit Investitionen in Bildung und Wirtschaft", so der Papst.
Papst verurteilt Unterdrückung der Gewissensfreiheit in christlichen Ländern
Papst Franziskus hat bei der Pressekonferenz auch die Unterdrückung von Gewissensfreiheit in christlichen Ländern verurteilt. Auf die Frage eines Reporters, was er zur Gesetzeslage in Marokko sage, die verbiete, dass Muslime zu anderen Religionen konvertieren dürfte, meine Franziskus: "Lass uns nicht Muslime anklagen. Lass uns selbst anklagen! "Heute gäbe es Christen die Gefahr, dass einige Regierungen uns die Gewissensfreiheit nehmen." Als Beispiel verwies Franziskus auf christliche Ärzte und Krankenhäuser, denen das Recht auf Gewissensfreiheit bei Euthanasie genommen wird. Franziskus meinte dann, dass es bei Muslime Fortschritte in der Gewissensfreiheit und in Glaubensfreiheiten gäbe, allerdings verstehen dies einige Länder nicht so gut. Laut dem Papst gäbe es in Marokko Fortschritte und hier gäbe es auch Religionsfreiheit.
Missbrauch auch spirituelle Komponente
Angesprochen auf den im Februar stattgefundenen Kinderschutz-Gipfel im Vatikan verteidigte der Papst seine Ansicht, wonach hinter Missbrauch auch "der Teufel" stecke. Man müsse alle möglichen Erklärungen auf den Tisch legen und nach deren Bedeutung in sozialer, persönlicher und auch sozialer Hinsicht fragen, sagte Franziskus. Manche Dinge könne man jedoch ohne das Geheimnis des Bösen nicht verstehen, wobei die Kirche heute bisweilen in Gefahr laufe, allein auf menschliche Maßnahmen zu setzen, den spirituellen Teil - "das Gebet, die Buße, die wir gewöhnlich nicht machen" - zu vergessen und somit "nicht geistlich ausgewogen" zu reagieren.
Papst Franziskus erläuterte vor den Journalisten auch seine Entscheidung, den Rücktritt des wegen Missbrauchsvertuschung in erster Instanz zu eine Bewährungsstrafe verurteilten französischen Kardinals Philippe Barbarin nicht anzunehmen. Er bestätigte damit Aussagen des Kardinals. Er habe den Rücktritt des Erzbischofs von Lyon aufgrund der Unschuldsvermutung "moralisch nicht akzeptieren" können, sagte er. "Warten wir den Spruch der zweiten Instanz ab und schauen wir, was passiert." Barbarin ist seit 2002 Erzbischof der zweitgrößten französischen Diözese.
Franziskus verurteilte zugleich eine "oberflächliche Verurteilung durch Medien". "Was sagt die weltliche Rechtsprechung? Wenn ein Fall offen ist, gilt die Unschuldsvermutung. Womöglich ist jemand nicht unschuldig, aber es gibt diese Vermutung."
In Frankreich gibt es eine mit Strafandrohung verbundene Pflicht, Fälle von sexuellem Missbrauch der Justiz zu melden. Barbarin war am 7. März zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er einen Priester nicht angezeigt hatte, der vor rund 40 Jahren mutmaßlich mehrere minderjährige Pfadfinder sexuell missbrauchte. Der Kardinal ging gegen das Urteil in Berufung, bot aber dem Papst Mitte März seinen Rücktritt als Erzbischof von Lyon an. Franziskus nahm diesen nicht an und überließ dem Kardinal das Handeln. Dieser übertrug die Leitung der Erzdiözese Lyon daraufhin dem Generalvikar.
Barbarin hatte nach dem Treffen mit Franziskus in einem Interview erläutert, der Papst habe ihm gesagt: "Wenn ein Urteil angefochten wird, gilt die Unschuldsvermutung. Wenn ich Ihren Rücktritt akzeptiere, erkenne ich daher an, dass Sie schuldig sind. Das kann ich nicht." Franziskus bestätigte dies nun persönlich.
Marokko-Reise im Zeichen des Dialogs
Rückblickend auf die Marokko-Reise erklärte der Papst in der rund 40-minütigen "fliegenden Pressekonferenz", er habe dabei die Themen ansprechen können, die ihm selber sehr am Herzen lägen: Frieden, Einheit und Geschwisterlichkeit. Bei seiner Reise nach Abu Dhabi vor wenigen Wochen habe er mit den muslimischen Geschwistern ein Dokument unterzeichnen können, in Marokko habe man die Geschwisterlichkeit und den gegenseitigen Respekt sehen können.
Besonders verwies der Papst dabei auf den von ihm und dem marokkanischen König Mohammed VI. in Rabat unterzeichneten Jerusalem-Appell. Diesen Schritt, der ein Beispiel des christlich-muslimischen Dialogs sei, hätten die beiden vollzogen als "Brüder im Glauben, die leiden, wenn sie diese Stadt der Hoffnung noch nicht so universell sehen, wie wir alle uns wünschen - Juden, Muslime und Christen", sagte der Papst. Die Jerusalem-Erklärung nannte er "einen Wunsch, einen Ruf zur religiösen Brüderlichkeit, die diese Stadt symbolisiert". Alle Gläubigen seien Bürger Jerusalems.
Das katholische Kirchenoberhaupt und der marokkanische Monarch hatten am Samstag einen gemeinsamen Appell zum Sonderstatus Jerusalems unterzeichnet. Die Stadt müsse Erbe der Menschheit und das Symbol einer friedlichen Koexistenz vor allem für die drei monotheistischen Religionen bleiben, heißt es darin. Dazu müssten der "multi-religiöse Charakter, die spirituelle Dimension und die besondere kulturelle Identität Jerusalems" geschützt und gefördert werden.
Jerusalem gilt Juden, Christen und Muslimen als Heilige Stadt. Der Vatikan sieht zudem einen israelischen Anspruch auf Gesamt-Jerusalem als Hauptstadt als Hindernis für den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern. Nachdem US-Präsident Donald Trump im Dezember 2017 ankündigte, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, äußerte Franziskus einen "dringenden Appell", den Status quo und die Resolutionen der Vereinten Nationen zu respektieren.
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