19. April 2019 in Chronik
Heim weist Vorwürfe von Theologin Ueberschär an emeritiertem Papst zurück - Missbrauchsskandal wurzelt in mangelnder "Ehrfurcht vor Gott und vor jedem Menschen als Ebenbild Gottes in unserer säkularen Gesellschaft und in einer verweltlichten Kirche".
Wien (kath.net/ KAP)
In der aktuellen Debatte über die Analyse des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu den tieferen Gründen des Missbrauchsskandals hat sich nun der Ratzinger-Preisträger und Abt des Stiftes Heiligenkreuz, Maximilian Heim, zu Wort gemeldet und Kritik an Benedikt XVI. als unangemessen zurückgewiesen. Anlass der Wortmeldung, die in Form eines Aufsatzes von Heim und dem Forschungsdekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz, Wolfgang Klausnitzer, auf der Website des Stiftes Heiligenkreuz veröffentlicht wurde, war der 92. Geburtstag Joseph Ratzingers am 16. April und eine scharfe Kritik an Benedikt durch die evangelische Theologin Ellen Ueberschär in der aktuellen Spezial-Ausgabe der "Herder Korrespondenz" zum Vatikan.
Der Aufsatz von Heim und Klausnitzer arbeitet sich an den Vorwürfen "reformunfähig, inhuman und antiaufklärerisch" ab, die Ueberschär mit einem auf der Theologie Joseph Ratzingers fußenden katholischen Kirchenverständnis verbindet. Diese Zuschreibungen halten laut Heim und Klausnitzer einer detaillierten Analyse nicht Stand und zeugten von einer nur unzureichenden Kenntnis über die katholisch-theologischen Debatten etwa zum Verhältnis von Erstem und Zweiten Vatikanischen Konzil und zum Verhältnis von Papstamt und Bischöfen.
In ihrem Text "Demokratisiert den Vatikan!" macht sich die Theologin u.a. die These zu eigen, der Amtsverzicht Benedikts XVI. 2013 gehe auf die Einsicht Joseph Ratzingers zurück, "die vormoderne, triumphalistische Theologie und hierarchische Kirchenstruktur als Papst nicht so durchsetzen zu können, wie er sie als gefürchteter Leiter der Glaubenskongregation lange vorbereitet hatte". Ratzinger steht für Ueberschär außerdem für eben jenes "System, das weltweit einem Klima des Schweigens förderlich war, das den Schutz der Institution über den Schutz der Würde von Kindern, jungen Männern und Frauen stellte". Nun sei es an der Zeit, die "absolute Monarchie" als Strukturform der katholischen Kirche zu überwinden in Richtung einer "echten Gewaltenteilung" und einer "synodalen Mitbestimmung der Laien".
Auf diese Vorwürfe reagieren Heim und Klausnitzer mit einer Detailanalyse der zentralen, von Ueberschär verwendeten Begriffe "Reformunfähgkeit", "Antiaufklärerisch" und "Inhuman", die sie allesamt vehement und als "klischeehafte" Verkürzung zurückweisen. Wer etwa Benedikt XVI. "Reformunfähigkeit" unterstelle, unterschlage nicht nur den Einsatz Joseph Ratzingers für das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65), sondern auch die von ihm immer wieder ins Spiel gebrachte "Hermeneutik der Reform", in der die Kirche seither stehe. Die Theologie Ratzingers als "inhuman" zu titulieren werde der Sache ebenfalls nicht gerecht, insofern gerade Joseph Ratzinger immer wieder auf das einander korrigierende Zusammenspiel von Glaube und Vernunft hingewiesen habe - und zwar bewusst im Blick auf Totalitarismen und Inhumanitäten. Auch der Vorwurf einer "antiaufklärerischen" Theologie gehe ins Leere, ist es doch gerade Ratzinger, der immer wieder "vor einer neuen Versklavung durch eine positivistische Vernunft" warnt.
Darüber hinaus mündet der Aufsatz in einer Verteidigung jener Position Benedikts XVI. zum Missbrauchsskandal, die zuletzt für viel Aufsehen und Kritik gesorgt hatte: So formulieren Heim und Klausnitzer in Anlehnung an die Grundthese Benedikts - wenn auch ohne direkte Bezugnahme auf den Benedikt-Aufsatz -, dass die Missbrauchskatastrophe innerhalb der Kirche "vielleicht darin ihren tiefsten Grund [hat], dass die Ehrfurcht vor Gott und vor jedem Menschen als Ebenbild Gottes in unserer säkularen Gesellschaft und in einer verweltlichten Kirche verschwunden ist". Diese Achtung wieder neu zu gewinnen sei "die prophetische Aufgabe einer Kirche, die dem Wort des Herrn treu bleibt, 'Sauerteig' zu sein", so Heim und Klausnitzer abschließend.
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