Sri Lanka: Kardinal mahnt Christen zu Ruhe und Vergebung

23. April 2019 in Weltkirche


Erzbischof Ranjith im "Vatican News"-Interview nach Terror-Anschlägen: Aufruf zu Besonnenheit, "sodass keiner Selbstjustiz übt und die Beerdigungen in Ruhe stattfinden können" - Regierung gefordert, Hintergründe genau und "korrekt" zu untersuchen


Colombo-Vatikanstadt (kath.net/KAP) Der Erzbischof von Colombo, Kardinal Albert Malcolm Ranjith, hat nach der tödlichen Anschlagsserie auf Kirchen und Hotels die Christen zur Besonnenheit aufgerufen. Im Gespräch mit "Vatican News" sagte der Kardinal am Ostermontag auch, die Terrorakte hätten ihn überrascht, die Spannungen zwischen Muslimen, Buddhisten und Christen auf Sri Lanka seien seit Jahren verhältnismäßig gering gewesen.

Er habe noch am Sonntag die Kirche in Colombo aufgesucht, in der eine Bombe rund 50 Menschen mit in den Tod gerissen hatte. Danach habe er die Gläubigen auf Sri Lanka zur Besonnenheit gemahnt, "sodass keiner Selbstjustiz übt und die Beerdigungen in Ruhe stattfinden können", sagte der Kardinal: "Ich habe an die Katholiken appelliert, dass sie dem Beispiel Jesu Christi folgen, der am Kreuz jenen vergeben hat, die ihn kreuzigten."

Bei der Anschlagsserie auf Kirchen und Hotels in verschiedenen Orten auf Sri Lanka starben nach vorläufiger Bilanz fast 300 Menschen. Aus Sicht des Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Sri Lanka waren die Terrorakte nicht vorherzusehen. "Nein, wir waren überrascht, denn seit zehn Jahren gab es kein solches Ereignis hier", sagte der Kardinal. Und er fügte hinzu: "Die Lage war alles in allem eher friedlich, und die Touristen kamen gerade zurück ins Land, die Wirtschaft erholte sich, wir hatten viele Hoffnungen."

Das Attentat sei "merkwürdig" gewesen, unterstrich der Erzbischof. "Es gab zwar einige Spannungen zwischen der islamischen Gemeinschaft und der (buddhistischen) Mehrheit, aber ich hätte nicht gedacht, dass die Lage so dramatisch sei, um ein Attentat von dieser Art zu haben."

Die Regierung müsse die Hintergründe genau und "korrekt" untersuchen, forderte der Kardinal. Er deutete an, dass internationale Verbindungen hinter der Terrorserie stehen könnten, hielt zugleich aber fest, dass lokale Gruppen sie ausführten. "Man kann nicht den Finger auf eine bestimmte Gemeinschaft richten, wir müssen intelligent sein", so der Erzbischof von Colombo: "Wenn die Regierung ihre Autorität ausübt und den Fall gründlich untersucht, kann sie diese Zellen finden, es sind kleine Gruppen. Und wenn sie sie findet und neutralisiert, wird die Lage wieder zur Normalität zurückkehren."

Die Regierung Sri Lankas machte indessen eine einheimische radikal-islamische Gruppe für die Anschläge verantwortlich. Demnach soll die Gruppe National Thowheeth Jama'ath die Selbstmordattentate verübt haben. Außerdem erklärte ein Regierungssprecher, die Attentäter hätten Unterstützung von einem internationalen Netzwerk gehabt.

Kardinal Ranjith vertraut eigenen Aussagen zufolge auf die Zusammenarbeit zwischen den Religionen. "Zwischen der islamischen und den anderen Gemeinschaften besteht hinreichend Frieden und Eintracht. Wir können diese Situation noch mehr entwickeln." Die internationale Gemeinschaft solle nach den Attentaten die Regierung und die lokalen Religionsführer dabei unterstützen, eine Lösung zu finden, aber ohne sich in innere Angelegenheiten des Landes einzumischen.

Noch am Ostermontag wollte Ranjith Krankenhäuser aufsuchen, die nach den Attentaten Verwundete behandeln. "Leider haben einige Familien alle verloren: Vater, Mutter, Kinder. Alle beim selben Attentat gestorben. Diese Dinge sind wirklich sehr, sehr traurig. Man weiß nicht, was wir diesen Menschen sagen können, denn sie waren zum Gebet gegangen, zum Herrn." Unter den Christen herrsche derzeit "viel Angst und Unsicherheit".

Copyright 2019 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten
Archivfoto Kardinal Ranjith (c) Wikipedia/Janaka Pradeep /CC BY-SA 3.0


© 2019 www.kath.net