Haben Frauen in der Kirche wirklich nichts zu sagen?

16. Mai 2019 in Kommentar


Bischöfe und Priester, die den Glauben nicht mehr verkünden, missbrauchen ebenfalls ihr Amt und richten unermesslichen Schaden an. Gnade Gott jenen Wölfen im Talar, die sie leiden lassen - Ein Kommentar von Johannes Maria Schwarz zu "Maria 2.0"


Rom (kath.net)
Liest man die Texte auf der Internetseite der Initiative Maria 2.0 über den kleinen Kreis und den Kontext, in dem alles begann, kann man durchaus Symphatie empfinden. Vieles stimmt nicht in unserer Kirche. Die Missbrauchsskandale haben das offen gelegt. So werden auch die ersten Sätze im Brief an Papst Franziskus nicht nur jene Kerngruppe beklagen, die im Bistum Münster ihre Aktion gestartet hat: „die vielen bekannten und unbekannten Fälle von Missbrauch und Verletzungen jeglicher Art in der römisch-katholischen Kirche“ sowie „deren Vertuschung und Verdunkelung durch Amtsträger“. Viele werden einstimmen können in die Forderung: „kein Amt mehr für diejenigen, die andere geschändet haben an Leib und Seele oder diese Taten geduldet oder vertuscht haben.“

Doch dann vermischt sich diese verstehbare Entrüstung mit zweifelhafter Kirchenpolitk, fehlgeleitetem Aktionismus (denn Gott und nicht Männer werden in der Sakramentsverweigerung bestreikt) und altbekannten Forderungen. Der Pflichtzölibat muss aufgehoben werden. Die Sexualmoral muss anders werden. Frauen müssen die Ämter offen stehen. Warum? Weil die Initatoren glauben „dass die Struktur, die Mißbrauch begünstigt und vertuscht auch die ist, die Frauen von Amt und Weihe und damit von grundsätzlichen Entscheidungen und Kontrollmöglichkeiten in der Kirche ausschließt.“ Man kritisiert, dass „Kirchenmänner […] allein bestimmen, wo Frauen ihre Talente in der Kirche einbringen dürfen.“

Was ist davon zu halten? Der Glaube, der Zölibat sei an allem schuld ist alt. Doch es ist ein Aberglaube. Nach allen gängigen Forschungsthesen zur Ursache von Pädophilie wird sie nicht vom Zölibat ausgelöst, zu dem sich ein Kandidat frühstens mit 25 Jahren verpflichtet, sondern es ist eine pathologische, psychosexuelle Fehlentwicklung, die sich - kombiniert vielleicht mit anderen Faktoren - in der Pubertät ausprägt. Dass Menschen mit dieser Neigung oft zu Berufs- und Freizeitaktivitätsfeldern gravitieren, in denen sie „Zugang zu Kindern“ erhalten (Lehrer, Gruppenleiter, Seelsorger) ist tragisch, lässt sich aber nicht durch die Aufhebung des Pflichtzölibats beheben. Denn ein Mensch mit dieser Neigung verliert diese Neigung nicht, durch ein Eheverhältnis – wie die Tatsache zeigt, dass statistisch der Großteil sexueller Übergriffe in der Familie stattfindet. Mehr noch – selbst wenn dem so wäre, würde nur die Zwangsehe und das Verbot von Ordensgemeinschaften das Problem lösen können, da die bloße Aufhebung des Pflichtzölibats nicht verhindern kann, dass jemand mit pädophiler Neigung, zölibatär das Priesteramt ergreift oder sein Leben ehelos Gott weiht.

Wenn die Abschaffung des Zölibats in dieser Frage nichts bringen kann, muss dann die Sexualmoral anders werden, wie man bei Maria 2.0 fordert? Ist denn das Problem – gesellschaftlich und kirchlich – wirklich, die katholische Sexualmoral? Will man allen Ernstes behaupten, jene, die heute noch nach der kirchlichen Moral leben und sich um Keuschheit bemühen, seien vorrangig jene, die sich an Kindern vergreifen?

Weil, Kondome finden sie zwar schlecht, aber die Vergewaltigung eines Kindes sei für sie akzeptabel? Oder bleibt in den Augen der Initiatoren einem verklempten Kleriker nur der Ausweg in den Missbrauch, von dem ihm ein „offener, moderner Zugang“ zur Sexualität bewahrt hätte? Es mag Priester geben, die verklemmt sind. Sicher sogar. Aber eine ganz neue Dimension des Missbrauchs hat die sexuelle Revolution eingeleitet.

Oder haben die Initatoren vergessen, was die Zeitungen über die Grünen Kommunen der 60er und 70er ans Tageslicht gefördert haben? 1000 Opfer der "sexuellen Befreiung"? Oder was ist mit der Odenwaldschule und staatlichen Heimen? Unter den Priestern mag es Perverse geben (zwischen 4 und 7 Prozent, allen bisherigen umfangreichen Erhebungen nach), aber hat man vergessen, wer im öffentlichen Fernsehen in der Blüte der „modernen positiven Neubewertung der Sexualität“ Kindesmissbrauch – straflos – im Fernsehen verteidigt hat? Man suche mal nach dem Beitrag des grünen Europaabgeordneten Cohen Bendit aus jener Zeit. Das war das Klima der Kulturrevolution, der 68er und seine Früchte wirken bis heute nach.

Vergleicht man diese Sexualmoral mit der „Theologie des Leibes“, die überzeugte Katholiken bei allen Herausforderungen zu leben versuchen, ist nicht gerade das eben jene „Neubewertung der Sexualität“, die wir so dringend brauchen? Nicht das Benutzen des anderen zum eigenen oder gemeinsamen Genuss, sondern Ausdruck von Liebe und Ganzhingabe.

Bleibt die Frage nach Frauen in Ämtern. Glaubt man denn tatsächlich, dass Frauen die besseren Menschen sind? Dass nur durch sie Kompetenz und Gerechtigkeit Einzug halten können und die Kirche sonst in Korruption versinkt? Halten denn jene, die nicht CDU wählen, Frau Merkel für unbestechlich und für ein Modell der Integrität unanfällig für die mächtige Lobby von Konzernen weil sie eine Dame ist?

Lobten umgekehrt jene, die sich entschieden gegen die AfD stellen, Frau Petri als einen Stern der Güte und Gerechtigkeit am Himmel, nur weil sie weiblich ist? Sind Frauen die besseren, faireren Unternehmerinnen? Hat man denn auf dieser Seite des Teichs schon wieder die Schlagzeiten um Theranos und Elisabeth Holmes vergessen? Und waren an den Gewaltexzessen und sexuellen Straftaten im kirchlichen Raum, die zu Recht an den Pranger kamen, nicht auch Ordensschwestern in ihren Schulen beteiligt? So sehr man glauben will, dass Frauen besser sind, am Ende sind Frauen und Männer Menschen, fähig zum Guten und zum Bösen. Es geht bei den Weiheämtern nicht um einen Geschlechterkampf, in dem gegenseitige Kontrolle vor Auswüchsen schützt, sondern um eine sakramententheologische Frage, die nach katholischen Verständnis entschieden ist. Und genau hier berührt man die zwei großen Probleme dieser Initiative und warum, das Gute, das sie im „Wunsch nach Erneuerung“ will, zum Scheitern verurteilt ist: das Kirchen- und das Priesterbild.

Schon das Grundkonzept („Kirchenmänner […] allein bestimmen, wo Frauen ihre Talente in der Kirche einbringen dürfen.“) zeigt ein völlig falsches (klerikales) Kirchenbild. Die Kirche besteht zu einem überwältigenden Anteil aus Laien.

Und diese Laien sind in der Kirche nicht die zweite Reihe, sondern wenn wir kapiert haben, was Kirche ist, dann sind Laien an der Front. Sonntagsmesse ist eine Stunde pro Woche. Für fromme Seelen auch mal mehr. Aber das Christsein, das sich daraus entfalten soll, betrifft 167 weitere Stunden der Woche. Der Priester existiert, um die Laien zu heiligen, damit die Laien als priesterliches Gottesvolk die Welt heiligen. Wie kommt jemand auf die Idee, er hätte da als Frau (oder Mann) in der Kirche nichts zu sagen? 167 Stunden pro Woche? Das Betätigungsfeld ist riesig. Zu meinen, Kirche sei das, was sich im Rahmen des Gottesdienstes abspielt, verfehlt völlig die Wirklichkeit und erklärt die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit, der wir entgegenstreben.

Geht es also am Ende doch nur um Ämter? Dann geht es nicht um Kirchenpolitik, sondern um das katholische Sakramentsverständnis. Es geht nicht länger um ein berechtigtes, demokratisches Anliegen. Es geht nicht mehr um verständliche Anliegen von Frauen, die von Männern an den Rand gedrängt wurden und man Sorge haben muss, sie für die Zukunft der Kirche zu verlieren.

Denn man hat sie – und alle Männer, die sie unterstützen - schon verloren durch schlechte Theologie. Wer glaubt, das katholische Weiheamt sei nicht durch die sakramentale Repräsentation, die ihm zugrunde liegt, Männern vorbehalten – im neuen Bund gibt es nur mehr einen einzigen Hohenpriester, nämlich Christus, den der Weihepriester lediglich gegenwärtig setzt -, der vertritt zwar eine theologische Position, aber keine katholische theologische Position.

Da hilft aber dann nur eines. Man muss diese Menschen wieder gewinnen – und zwar für eine Glaubensüberzeugung, die Teil der katholischen (und orthodoxen, orientalischen, etc) Sakramententheologie ist. Man muss diese (und alle anderen) kirchliche(n) Lehre(n) erklären. Schafft man das als Katholische Kirche nicht schlüssig, muss man die reife Entscheidung eines Erwachsenen akzeptieren, wenn er mit dieser Lehre nichts anfangen kann und eigene Wege geht. Das kann schmerzhaft sein, aber wenigstens ist es ehrlich. Denn kulturelle Sozialisierung ist zu wenig, um als katholisch durchzugehen.

In keinem Fall hilft es daher, das Etikett "katholisch" auf einen Widerspruch oder einen Irrtum zu kleben und zu meinen, man habe die Kirche für künftige Generationen relevant gemacht und die Leute nicht verloren. Die einen gewinnt man damit nicht wirklich. Und schlimmer noch, die, die noch aus dem kirchlichen Glauben schöpfen, droht man zu verlieren. Das sind vielleicht wenige. Aber es gibt sie und sie sind wohl mehrheitlich ebenfalls Frauen. Sie sind es, die wirklich schlecht behandelt werden.

Es sind jene, die von einem Priester nicht länger den katholischen Glauben dargelegt bekommen, sondern banale oder obstruse Thesen. Es sind jene, die den kreativen aber überheblichen Entgleisungen von Seelsorgern und ihren Teams in der Feier der Sakramente oft hilflos ausgesetzt sind. Doch Gläubige, Frauen und Männer, haben ein Recht auf die Feier der Sakramente der Kirche nach den Richtlinien der Kirche und die Verkündigung des Glaubens, wie ihn die Kirche lehrt. Wenn jemand Grund hat zu streiken, sind sie es. Aber sie würden es wohl nicht über die Bestreikung von Sakramenten tun. Diese sind ihnen einfach zu viel wert. Sie werden tun, was sie immer tun: treu im Gebet verharren. Still leiden. Gott um Gnade und Erlösung von dem Übel anflehen. Und Gnade Gott jenen Wölfen im Talar, die sie leiden lassen.

Es ist schmerzhaft einzusehen, dass die Missbrauchskrise in der Kirche nicht nur die Leiber und Seelen von Kindern betrifft. Bischöfe und Priester, die den Glauben nicht mehr verkünden, missbrauchen ebenfalls ihr Amt und richten unermesslichen Schaden an. Die Initiatoren von Maria 2.0 haben recht, dass es Erneuerung braucht, aber die setzen auf das falsche Pferd. Ihr Ross reitet in den selben Untergang in den uns treulose Hirten seit Jahrzehnten treiben. Erneuerung durch Gebet, Umkehr, Buße, Sühne und die unverkürzte(!) Verkündigung des Evangeliums, die zu echten heilbringenden Taten und Werken führt, ist was es braucht. Wie notwendig dies ist, zeigt nicht zuletzt die Antwort auf die Frage, die ich lange nicht verstand: Warum nennt sich die Initiative „Maria 2.0“? Welche der vielen heiligen Frauen aus der Geschichte würde der Initiative als tragbare Grundlage (1.0) zur Verfügung stehen? Die Gottesmutter sicher nicht. Ein marianisches Prinzip gibt es in der Bewegung nicht. Doch wenn man den einleitenden Text auf der Internetseite von Maria 2.0 liest, versteht man: Sie haben es getan, weil sie glauben, ihr Weg entspräche dem Evangelium Jesu. Doch glauben kann dies nur, wem das Evangelium schon lange nicht mehr verkündet wurde. Die Initiatoren haben recht, empört zu sein. Sie gehören zu den Betrogenen. Nur geht der Betrug viel tiefer und in eine andere Richtung.

Johannes Schwarz ist ein österreichischer Priester der Erzdiözese Liechtenstein, Internetseelsorger, Entwickler von katholischen Videos, kath.net-VideoBlogger ab Pfingsten und Gründer der Facebook-Page MARIA 1.0


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