Wiener Theologe Tück: Papst Franziskus spricht zu oft vom Teufel

17. Juni 2019 in Aktuelles


Kritik: Menschen als "Agenten des Satans" hinzustellen berge die Gefahr, ihre moralische Verantwortung zu halbieren und sie gleichzeitig zu dämonisieren - Problematische Rede des Papstes über Teufel im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch


Wien-Würzburg (kath.net/KAP) Aus Sicht des Wiener Theologen Jan-Heiner Tück spricht Papst Franziskus "etwas zu oft" vom Teufel. Die Theologie ringe zwar mit dem Problem des Bösen, es sei aber ein Irrweg, den Teufel als Erklärungsmuster zu bemühen und menschliches Handeln auf "seine unsichtbare Hand" zurückzuführen, so der an der Universität Wien lehrende Dogmatik-Professor in der deutschen "Tagespost" (13. Juni). Als Beispiel führte Tück die päpstliche Rede vom Teufel im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch an, die er als "sehr problematisch" und "pontifikale Entlastungsstrategie" einordnete. Nicht der Teufel, sondern "das konkrete Versagen der Priester, die sich an Minderjährige vergriffen haben" und das Schweigen und Nichthandeln der Bischöfe, Verantwortlichen und Gläubigen müssten angeklagt werden.

Problematisch sei die Rede vom Teufel im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch vor allem für Opfer und Betroffene. Für Tück stellt sich die Frage, wie es auf die Opfer wirke, wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche sexuelle Gewalt von Priestern und Ordensmännern an Kindern und Jugendlichen "auf das Wirken des Teufels zurückführt und damit das Problem von der menschlichen Verantwortung auf die geistliche Ebene verschiebt". Ohne eine "ungeschminkte Wahrnehmung der Fakten" komme man "in der Krise nicht weiter", meinte Tück und forderte eine moralische und juristische Aufarbeitung der sexuellen Übergriffe. Dazu gehöre auch eine systematische Analyse jener Faktoren, die Missbrauch begünstigten - dazu gehöre eine "Tabuisierung der Sexualität" ebenso wie "das flächendeckende Ausmaß an Vertuschung".
Über eine lange Zeit seien Täter gedeckt und Opfer mundtot gemacht worden, um die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht zu gefährden. Es sei ein Ärgernis, dass viele Verantwortliche in Kauf genommen hätten, dass an neuen Einsatzorten wiederum Kinder und Jugendliche Gefährdungen ausgesetzt und zu Opfern geworden seien. Bisher habe es aber niemand gewagt, aus der Anonymität herauszutreten und persönliche Verantwortung für Vertuschungsdelikte zu übernehmen, kritisierte der Theologe.

Mensch nicht Agent des Satans

Menschen als "Agenten des Satans" hinzustellen berge die Gefahr, ihre moralische Verantwortung zu halbieren und sie gleichzeitig zu dämonisieren, warnte der Dogmatik-Professor. Papst Franziskus betone in seiner Theologie die Dualität von Gott als gut und Satan als böse, was auch ein Bild vom Leben der Menschen als Kampfplatz der Bewährung mit sich bringe. Die Wurzel dieses Denkens führte Tück auf die geistigen Wurzeln der ignatianischen Spiritualität zurück.

Niemand habe die Definitionshoheit, menschliches Fehlverhalten unmittelbar als Wirken des Teufels zu identifizieren, so der Theologe weiter. Dennoch wäre es im Gegenzug falsch "das Problem des Bösen" zu banalisieren. Als historische Argumente führte Tück "die barbarischen Exzesse des 20. Jahrhunderts" an, die sich in Eskalation von Gewalt, Mitläuferei und lügnerische Maskerade zeigten. "Dies zu leugnen wäre realitätsblind".

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