30. Juli 2019 in Österreich
Münsteraner Theologe Bauer in "Salzburger Nachrichten": "Christentum hört nicht bei der Brüderlichkeit allein auf"
Salzburg (kath.net/KAP) Eines der Kernprobleme des Christentums liegt darin, dass ihm seine mystische Dimension abhanden gekommen ist: Das hat der Münsteraner Theologe und Islamwissenschaftler Thomas Bauer im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (Samstag) betont. Wichtiger als die Mystik sei für die christlichen Kirchen heute das gesellschaftliche Engagement. Das sei prinzipiell löblich, aber es überdecke die spirituelle Dimension des Glaubens. Das Christentum höre schließlich "nicht bei der Brüderlichkeit allein auf", genau so wichtig seien Kunst, Musik, Ästhetik und Rituale. Letztere seien etwa in der Liturgie zugunsten eines Vorrangs des Wortes verdrängt worden, so Bauer, der in Münster Islamwissenschaft und Arabistik lehrt.
Gerade in der Liturgie habe diese Verschiebung eine folgenschwere Wirkung, insofern Liturgie dann in der Gefahr stehe, nicht mehr "über das Ich hinauszuführen". Bauer wörtlich: "Ein vermeintlich jugend-gerechtes Anbiedern an die Popkultur führt die Menschen nur in die Welt zurück, aus der sie kommen. Liturgie muss darüber hinausweisen. Der Versuch, Brücken in den Alltag zu schlagen, endet dann, wenn man in der Liturgie nichts mehr bekommt, was man nicht ohnehin im Alltag schon hat."
2018 wurde Bauer für sein Werk "Die Vereindeutigung der Welt" mit dem "Tractatus-Preis" des "Philosophicum Lech" prämiert. Daran anschließend führte der Theologe aus, dass der "Erfolg" des religiösen Fundamentalismus in einem wachsenden "Bedürfnis nach Eindeutigkeit" und in einem gleichzeitigen Verlust an "Ambiguitätstoleranz" (das Ertragen-Können von Unterschieden) wurzle. An letzterem würden die christlichen Kirchen mit einer seit der Reformation verstärkten "Tendenz zur Zentralisierung" eine Mitschuld tragen. "Wir haben also von oben die Tendenz einer Vereinheitlichung und von unten eine starke fundamentalistische Strömung. Beide Phänomene verstärken einander unglücklicherweise."
Bauer ist einer der Hauptreferenten bei den heurigen "Salzburger Hochschulwochen", die am Montag, 29. Juli, in der Mozartstadt beginnen. Bis 4. August stehen die Hochschulwochen heuer unter dem Thema "Die Komplexität der Welt und die Sehnsucht nach Einfachheit".
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