1. August 2019 in Interview
Priester Harshan: "In 30 Jahren Bürgerkrieg hatten wir nie solche Bombenattacken in Kirchen" - "Früher sahen sich etwa 4.000 Menschen die Videobotschaften des Kardinals an, jetzt sind es hunderttausende" - Interview von Stephan Baier/Kirche in Not
Colombo (kath.net/KIN) Vor drei Monaten rissen Bombenanschläge auf christliche Kirchen und Hotels in Sri Lanka mindestens 250 Menschen in den Tod, rund 500 wurden verletzt. Es war der Ostersonntag. Der Inselstaat, in dem die Christen rund acht Prozent der Bevölkerung stellen, steht seitdem unter Schock.
Gleichzeitig haben die Anschläge, die auf das Konto einer islamistischen Splittergruppe gehen, eine Welle der Solidarität ausgelöst. Die katholische Kirche hat viele haupt- und ehrenamtliche Helfer losgeschickt, um den traumatisierten Menschen zu helfen.
Einer von ihnen ist Prasad Harshan aus dem Hauptstadt-Bistum Colombo. Mit seinem Faith Animation Team besucht er Überlebende und Hinterbliebene, koordiniert materielle Hilfen und leistet geistlichen Beistand. Bei einem Sri-Lanka-Besuch sprach Stephan Baier, Korrespondent der katholischen Zeitung Die Tagespost, mit dem Priester.
Kirche in Not: Die Terroranschläge haben die Menschen nicht nur physisch und psychisch, sondern auch in ihrem Glauben verwundet. Wie steht ihnen die Kirche bei?
Prasad Harshan: Unser Erzbischof Malcolm Kardinal Ranjith wollte Missionare auf der Straße, um den Menschen zuzuhören und ihnen beizustehen. Damit haben wir schon vor drei Jahren begonnen. Das wurde jetzt nach dieser Tragödie zum Segen. Wir sind zurzeit fünf Priester, die mit den Terroropfern arbeiten. Vor allem sind wir in Negombo tätig, wo 115 Menschen einer einzigen Pfarrei ermordet und mehr als 280 verletzt wurden. Die Menschen sind verwundet: physisch, mental und spirituell. In 30 Jahren Bürgerkrieg hatten wir nie solche Bombenattacken in Kirchen.
Kirche in Not: Bringt das Glaubenszweifel und Distanz zur Kirche?
Harshan: Harshan: Zunächst waren die Menschen geschockt und fragten sich: Wie konnte Gott das zulassen? Wir Priester beschlossen, mit den Menschen auszuharren, auch wenn wir keine Antworten geben konnten. Wir wollten ihnen zeigen, dass Gott bei ihnen ist und bleibt. Nach dem Schock kam die Wut. Insbesondere als die Menschen erfuhren, dass die Regierung vor den Anschlägen warnende Informationen erhalten hatte. Da spielten die Appelle von Kardinal Ranjith eine große Rolle. Er rief die Menschen auf, sich nicht von Emotionen, sondern vom Glauben leiten zu lassen.
Kirche in Not: Viele Katholiken auf Sri Lanka sagten mir, sie seien nach den Terroranschlägen stärker und gläubiger als zuvor.
Über Nacht war das ganze Land getauft. Es gibt ja die Taufe mit Wasser und jene mit Blut. Plötzlich wurde unserem ganzen Land die Anwesenheit der Katholiken und die besondere Art ihres Glaubens bewusst. Früher sahen sich etwa 4 000 Menschen die Videobotschaften des Kardinals an, jetzt sind es hunderttausende. Sie wollen hören, was er sagt. Wir hatten ein wahres Osterfest! Aber es begann mit den zerfetzten Leibern, mit dem Blut der Märtyrer.
Kirche in Not: Die islamistischen Attentäter haben bewusst christliche Kirchen attackiert. Dabei sind rund 70 Prozent der Einwohner Sri Lankas Buddhisten
Harshan: Es hat wohl damit zu tun, dass die katholische Kirche zwar hier im Land eine Minderheit darstellt, aber die größte religiöse Gemeinschaft in der Welt ist. Die Terroristen wollen die ganze Welt involvieren.
Kirche in Not: Wie haben die Attentate die Beziehung zwischen Buddhisten und Katholiken beeinflusst?
Harshan: Die Buddhisten begannen untereinander darüber zu sprechen, wie bewundernswert die Katholiken seien: Warum üben sie keine Rache? Die besondere Struktur der katholischen Kirche kam uns da sehr zugute: Der Kardinal hat dazu aufgerufen, keine Gewalt zu üben, die Priester haben das aufgegriffen und die Gläubigen ebenso. Jetzt bewundern auch buddhistische Mönche uns Katholiken und begegnen uns mit viel Sympathie und Respekt.
Kirche in Not: Wie reagierten die Spitzen der islamischen Glaubensgemeinschaft in Sri Lanka auf den Terror aus ihren Reihen?
Harshan: Die muslimischen Autoritäten haben erkannt, dass es ihr Fehler war, zu den Aktivitäten terroristischer Gruppen in ihren Gemeinden zu schweigen. Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Attentäter vom Ostersonntag waren Muslime. Es muss ein Reinigungsprozess in Gang kommen. Als die Untersuchungen begannen, wurden Waffen in den Moscheen gefunden. Das war schockierend für uns.
Kirche in Not: Wie wurde die internationale Solidarität mit den Opfern auf Sri Lanka spürbar?
Harshan: Hilfsorganisationen wie Kirche in Not haben uns hier sehr viel geholfen. Wir sind im Land eine Minderheit, aber wir wissen, dass wir einer größeren Familie angehören. Menschen, die nie in Sri Lanka waren, beten und spenden für uns. So wurde die katholische Kirche zu einem Segen für alle Menschen Sri Lankas. Indem die Menschen auf die katholische Kirche blicken, hat eine innere Umkehr begonnen. Sie beginnen zu verstehen, was es bedeutet, als Christ zu leben.
Um den kirchlichen Einsatz für die Überlebenden der Terroranschläge und die pastorale Arbeit auf Sri Lanka weiterhin unterstützen zu können, bittet Kirche in Not um Spenden:
Foto: Angehörige an einem neuerrichteten Denkmal für die Getöteten (c) Kirche in Not
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