15. August 2019 in Spirituelles
Ein geistlicher Impuls von Stefan Fleischer
Linz (kath.net)
Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. (Joh 20,17)
Als mir jüngst diese Stelle im Auferstehungsbericht des Apostels Johannes wieder einmal unter die Augen kam, da erinnerte ich mich an einen Aphorismus, den ich mir vor längerer Zeit einmal notiert hatte: "Hilfe! Wir haben Gott verloren! Wir wollten ihn hier bei uns festhalten, statt ihm in die Ewigkeit zu folgen." (Joh 20,17)
Was sich damals als Entwicklung in unserer Kirche abzeichnete, das scheint heute immer mehr «Lebensrealität» zu werden. Wir wollen Gott bei uns hier in der Welt festhalten. Wir wollen ihm nicht mehr in sein ewiges Reich folgen, beziehungsweise wir wollen sein ewiges Reich hier auf unsere Erde herabholen, obwohl uns das Leben immer und immer wieder vor Augen führt, dass wir damit einer Illusion aufgesessen sind.
«Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen.» Ich glaube, für hier und heute heisst das: «Ja, ich bin bei euch, alle Tage bis ans Ende der Welt. (Mt 28,20) Ich bin bei euch und mit euch auf eurem Weg durch diese Zeit. Und noch mehr, ich bin ganz real gegenwärtig unter euch im Allerheiligsten Sakrament des Altares, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Aber bemüht euch nicht, mich im hier und jetzt festzumachen. Bemüht euch vielmehr mir zu folgen auf dem Weg zum Vater, den ich euch vorangegangen bin, und den ich nun mit euch gehen will. Eure Heimat ist im Himmel. Von dort her erwartet mich als euren Herrn und Retter aus aller Not. (vgl. Phil 3,20)»
So wie Christus damals seinen Weg durch unsere Welt gegangen, im Gehorsam seinen Auftrag erfüllt und dann heimgekehrt ist zum Vater, so will er jetzt mit uns unseren Weg durch diese Welt gehen, bei uns sein und uns helfen unseren Auftrag zu erfüllen, damit auch wir einst dort seien, wo er ist. (vgl. Joh 14,3). Wir sollen das Beste aus unserem Leben machen. Das Beste aber ist, wenn wir dieses Ziel erreichen. Dieses Ziel wiederum erreichen wir, wenn wir es möglichst nie aus den Augen verlieren einerseits, aber andererseits auch unsere Aufgabe hier und jetzt nicht vernachlässigen oder gar vergessen. Das ist nicht immer leicht. Deshalb müssen wir Christus sozusagen immer einen Schritt vor uns hergehen lassen, damit wir immer auf ihn sehen und ihm folgen können, und immer in seiner Nähe bleiben, damit wir auf ihn hören und nötigenfalls zu ihm schreien können wie damals Petrus: «Herr, rette mich!», damit er dann seine Hand ausstrecken und uns Kleingläubige ergreifen kann. (vgl. Mt 14,29-31)
Aus einer solchen Haltung wird dann unser Leben spannend, sicher auch fordernd, aber voll von Errettungs- und Erlösungserlebnissen, und voll Vertrauen auf Ihn für unsere Zukunft hier und jetzt wie auch für jener Zukunft, die keine Ende mehr kennt. Und dann werden wir auch zu unseren Brüdern gehen können und ihnen sagen: «Kommt, folgen wir Christus, unserem Herrn, hinauf zu Gott, unserem Vater, der mit dem Sohn und dem Heiligen Geist als gleicher Gott lebt und herrscht in alle Ewigkeit.»
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