14. September 2019 in Spirituelles
Ein Blick auf die Leiden unseres Herrn - Leseprobe aus dem Buch "Gehalten im Netz der Liebe Gottes" von Andrea Christ
Linz (kath.net) Am 14. September feiert die katholische Kirche das Fest der Kreuzerhöhung. Das Fest hat seinen mittelbaren Ursprung in der Auffindung des Kreuzes Christi durch die Heilige Helena, (Mutter des Kaisers Konstantin den Großen) am 13. September 326. Nachdem neun Jahre später, am 13. September 335, die Grabeskirche in Jerusalem geweiht wurde, zeigte man am folgenden Tag, dem 14. September 335, den Gläubigen in der neu geweihten Kirche zum ersten Mal das Kreuz zur Verehrung. Dieses Zeigen oder Erhöhen des Kreuzes ist Namensgeber für das Fest.
Heutzutage gibt es wohl kaum einen christlichen Haushalt, in dem nicht wenigstens ein Kreuz hängt. Ein ganz besonderes Detail zeigt jedoch ein Kreuz, welches im Kloster Jakobsberg in Ockenheim (Landkreis Mainz-Bingen) zu sehen ist. Man vermutet, dass es seinen Weg während des 18. Jahrhunderts im Rahmen eines damals rege herrschenden Kunsthandels zwischen Augsburg und Mainz in den rheinhessischen Weinort fand. Das Ungewöhnliche an diesem Kreuz ist die Jesus-Figur. An ihrer linken Schulter ist eine offene Wunde zu sehen.
Die Schulterwunde Jesu zählt zu den so genannten geheimen Leiden Christi, die in den Passionsberichten des Neuen Testaments nicht genannt sind. Der heilige Bernhard von Clairvaux (1091 1153) war es, der einst den Herrn fragte, welche Wunde ihn auf seinem Kreuzweg am meisten schmerzte. Die Antwort des Herrn lautete: Vom Tragen des Kreuzes hatte ich auf der Schulter eine drei Finger tiefe Wund und drei bloßgelegte Knochen. Diese Wunde hat mir mehr Qual und Schmerzen bereitet als alle anderen. Er bat den heiligen Bernhard dies bekannt zu machen und versprach ihm, ihm alles zu gewähren, wenn er nur diese Wunde verehrte. Allen aber, die diese Wunde verehren, würde der Herr die lässlichen Sünden vergeben und er würde der gebeichteten Todsünden nicht mehr gedenken.
Bekannt war die Verehrung der Schulterwunde wohl schon im Mittelalter. Weite Verbreitung in der Volksfrömmigkeit fand sie allerdings erst ab dem 17. Jahrhundert. In einem Gebetbuch der heiligen Gertrud von Helfta (1256 1301/02), einer großen deutschen Mystikerin, fand man ein Gebet zur heiligen Schulterwunde Jesu.
O mein heiliger Jesus! O sanftmütiges Lamm Gottes! Ich armer und sündiger Mensch begrüße und verehre die allerheiligste Wunde, die Du auf Deiner Schulter als Du den schweren Block deines Kreuzes trugst, empfunden hast; wegen der Du einen besonders großen Schmerz vor allen anderen Wunden an Deinem gebenedeiten Leib damals ausgestanden. Ich bete Dich an, o betrübter Jesus! Und von innersten Grunde meines Herzens lobe und benedeie ich Dich, und sage Dir Dank für diese allerheiligste und schmerzhafte Wunde, demütig bittend, dass Du wegen so grausamer Schmerzen, die dieselbe Dir verursacht, und wegen der so hart gedrückt und geängstigt, Dich über mich armen Sünder erbarmest, mir meine Sünden nachlassest, mich in meinen Anliegen erhörest und mich endlich auf Deinem Kreuzweg in das ewige Leben einführest. Amen
Zusammen mit dem Hinweis auf die Frage des heiligen Bernhard von Clairvaux an Jesus Christus, war das Gebet in dieser oder ähnlicher Form im 19. Jahrhundert auf vielen Gebetszetteln zu lesen.
Während die Andacht zur heiligen Schulterwunde in Wort und Schrift bereits Mitte des 17. Jahrhunderts nachweisbar ist, sind es erste Bilder erst seit dem 18. Jahrhundert. Das Motiv des so genannten Schulterwundenheilandes, welches vor allem im süddeutschen Raum und in Österreich bekannt ist, soll auf eine Vision der heiligen Crescentia von Kaufbeuren (1682 1744) zurückgehen. Die Heilige, die das Leiden Christi besonders verehrte, ließ um 1720 ein Bild von dem Irseer Pater Magnus Remy malen, welches Christus, bekleidet mit einem Purpurmantel und von Dornen gekrönt, mit der offenen Wunde der Schulter in einem Kerker stehend zeigt. Das Bild fand in Süddeutschland und Österreich rasch Verbreitung. Diese bildliche Darstellung stellt eine Zusammenfassung der körperlichen Leiden Christi vor der Kreuzigung dar, darf also nicht historisch verstanden werden.
Heute erscheint diese Art der Frömmigkeit für viele eher befremdlich. In einer Zeit, in der das Thema Leid gerne verdrängt wird, bleibt der Blick auf die Wunden Jesu und auf die Wunden der Welt den Menschen oft verschlossen. Doch es gab sie und gibt sie immer noch: diejenigen, für die das Betrachten der Wunden Jesu und das Aufsehen zum Kreuz eine Quelle ist, um in der Liebe zum Herrn zu wachsen und daraus die Kraft zu schöpfen, das eigene Kreuz annehmen und tragen zu können.
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat, heißt es in dem Evangeliumstext (Johannes 3,16) zum Fest der Kreuzerhöhung. Wir haben einen Gott, der seine Augen nicht vor dem Leid verschließt, der sich selbst verwunden ließ, der sein Leben hingab, damit die Wunden der Welt heilen können. Für die einen mag das Torheit sein. Doch für den, der glaubt, ist dieser Gott die Liebe.
kath.net-Buchtipp
Gehalten im Netz der Liebe Gottes
Ein Begleiter durch das Jahr
Von Andrea Christ
Taschenbuch, 152 Seiten
2018 Epubli
ISBN 978-3-7467-5656-1
Preis Österreich: 12.99 EUR
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