12. September 2019 in Kommentar
Warum ist das wichtigste Thema überhaupt, die Evangelisierung und damit auch die Antwort auf die Gottesfrage heute, auf dem Synodalen Weg nicht im Zentrum? Gastbeitrag von Thorsten Paprotny
Hannover (kath.net) An die Jugendsynode, die im Oktober 2018 im Vatikan stattgefunden hat, erinnerte der Passauer Bischof Dr. Stefan Oster in einem Interview, das der Altöttinger Liebfrauenbote in der Ausgabe vom 8. September 2019 publiziert hat. Jugendbilder sind verbreitet nicht nur heute , die Vorbehalte abbilden, verstärken und auch Vorurteile schüren: die Jugend ist hedonistisch, aufs Digitale fixiert, postmodernistisch und huldigt einzig einer unklaren neuen Klimareligion. Es ist auch nicht wahr, dass junge Menschen heute sich eine zeitgeistlich modellierte Kirche wünschen. Sie möchten ernst genommen werden, mit ihren Fragen, Wünschen, Sehnsüchten und Schwierigkeiten. Was mit dem abgeschmackten kirchenpolitischen Begriff Lebenswirklichkeit etikettiert wird, zeigt sehr viel mehr die unbemerkten Sensibilitätsverluste und die Weltfremdheit einer saturierten Christenheit und mancher Amtsträger, die sich markt- und mediengerecht zu positionieren scheinen. Dann heißt es irgendwann nicht mehr: Ich glaube an Gott., sondern: Ich glaube, dass ich mich zunächst einmal entschuldigen muss, dass auch ich solange unkritisch an Gott und Seine Kirche geglaubt habe Die Vorherrschaft des Negativen und Beliebigen, ob medial transportiert oder in vielen Gemeinden vor Ort erlebt, ernüchtert und verstört. Warum reden wir nicht positiv von Gott, Seiner Kirche und der Freude am Glauben?
Ich erinnere mich daran, mit welcher Begeisterung ich das Pontifikat von Johannes Paul II. erlebt habe. Einfach nur großartig fand ich, dass der Papst die ganze Welt bereiste, um das Evangelium zu bezeugen. Wie sehr irritierte mich der arrogante Zynismus und die hochmütige Ablehnung, mit dem stolze deutsche Theologen, selbstbewusst auftretende Priester und meinungsfreudige Religionslehrer über den Heiligen Vater sprachen. Damals deutete mancher Katholik die Apostolischen Reisen als eine Art unverantwortlichen Imperialismus der römisch-katholischen Kirche. Theologen empörten sich über den Fall Küng, später über den Fall Drewermann. Dass in Werner Höfers Frühschoppen am Sonntag in der ARD Journalisten damals Papst und Kirche kritisierten, spiegelte nur die unreflektierte Ideologie der Aufklärung wider. Befremdlich und schmerzhaft war die traurige Kirchenfeindlichkeit, die mitten im Raum der Kirche vorherrschte.
Wie sollen junge Menschen in einem säkularen Umfeld positive Erfahrungen mit Kirche machen? Wie sollen heute Berufungen wachsen? Wer noch hören und sehen kann, vernimmt die Sehnsucht nach Gott bei jungen und alten Menschen. Das führt zu einer Frage, die sicher viele Katholiken bewegt: Warum ist das wichtigste Thema überhaupt, die Evangelisierung und damit auch die Antwort auf die Gottesfrage heute, auf dem Synodalen Weg nicht im Zentrum? Ja, mehr noch: Warum weichen die Verantwortlichen dem Thema sogar aus? Warum gibt es kein Gesprächsforum Neuevangelisierung? Haben Bischöfe, Kleriker und Weltchristen, haben wir alle vielleicht Angst davor, von Gott zu reden?
Auch Bischof Oster spricht in dem Interview das Problem von Meinungsmache und Skandalisierung an: Die Entfremdung wird größer. Kirche begegnet jungen Menschen in erster Linie skandalisiert, etwa bei den Themen Missbrauch und Geld. Wir müssen da erst mal Zäune niederreißen, um zu zeigen, dass in der Kirche ganz normale Menschen wie du und ich sind, aber die eben oft auch ganz besondere sind, weil sie ein tiefes Gottvertrauen ausstrahlen. Zu dem Wir, von dem Bischof Oster spricht, gehören wir alle, also auch Sie und ich. Papst Franziskus hat in seinem Brief an die deutschen Katholiken nicht an die Wichtigkeit von nationalen Sonderthemen, sondern an die unbedingte Notwendigkeit der Evangelisierung erinnert. Zumindest zwei weitere deutsche Bischöfe, Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer, setzen sich, wie auch Bischof Oster, erkennbar dafür ein und handeln ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils: Nichts ist wichtiger als die Verkündigung des Evangeliums, als das christliche Glaubenszeugnis in der Welt von heute.
Wir alle werden nicht am Synodalen Weges teilnehmen die Engagierten möchten und mögen ganz unter sich bleiben. Was tun wir? Wir können im Alltag bezeugen, wozu wir uns im Credo bekennen. Das ist der Auftrag des ganz normalen Katholiken und eine sehr oft leise, stille und unverzichtbare Form der Verkündigung. Die Kirche lebt vom unscheinbaren Zeugnis der einfach gläubigen Katholiken.
Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998-2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte 2018 den Band Theologisch denken mit Benedikt XVI. im Verlag Traugott Bautz und arbeitet an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.
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