28. Oktober 2019 in Buchtipp
John Henry Kardinal Newman gehört zu den bedeutendsten Theologen der Moderne und wird von vielen auch als Kirchenvater der Neuzeit bezeichnet. Ein neues Buch von Charles Stephen Dessain. 4 Leseproben im Oktober.
Linz (kath.net)
Leseprobe 4
Newman war achtundsiebzig, als er zum Kardinal ernannt wurde. Die letzten elf Jahre seines Lebens verbrachte er vergleichsweise ruhig, inmitten seiner wachsenden Gemeinschaft, seiner Schule, mit seinen vielen Besuchern und Briefen. Noch immer war er bestrebt, das Seine zu tun, um den Glauben an die Offenbarungsreligion weiterzuverbreiten.
Die große Schwierigkeit jener Zeit bestand darin, die neuen wissenschaftlichen Entdeckungen mit dem Anspruch der Heiligen Schrift auf Wahrheit und Zuverlässigkeit auszusöhnen. Dies war das gleiche aktuelle und pastorale Problem, mit dem Newman bereits 1860/61 gerungen hatte, doch konnte er in der Atmosphäre jener Zeit diese Arbeiten nicht veröffentlichen.
Jetzt war das Thema sogar noch brennender, und im Februar 1884 schrieb er für die Zeitschrift The Nineteenth Century einen Artikel über »Die Inspiration in ihrer Beziehung zur Offenbarung«. Darin vertrat er die weitsichtige Auffassung, dass die Heilige Schrift als ein Dokument des Glaubens frei von Irrtum ist, sich dies aber nicht notwendigerweise auf naturwissenschaftliche und historische Details (obiter dicta) erstreckt, jedoch voll für alle Aussagen des Glaubens und der Moral gilt zusammen mit der Geschichte, in die sie hineinverwoben sind.
Es sollte noch lange dauern, bis der Kern dieser Einsicht anerkannt wurde, aber schließlich wurde sie durch das II. Vatikanische Konzil bestätigt, als dieses erklärte, dass die Bibel ohne Irrtum jene Wahrheit [lehrt], die Gott um unseres Heiles willen in die heiligen Schriften legen wollte. Damals jedoch traf der ehrliche Versuch, sich dieses viele Menschen bedrückenden Problems anzunehmen, auf die nicht gerade höfliche Reaktion eines Theologieprofessors in Maynooth. Nachdem er die Newmansche These entstellt wiedergegeben hatte, behauptete er, ihr bestürzender Gehalt müsste selbst für den blutigsten Anfänger in der katholischen Theologie offenkundig sein. Newman, dem sehr viel daran lag, die Frage offenzuhalten, verteidigte in einer Erwiderung seine Auffassung, und als der Professor kurz darauf zum Bischof in Irland ernannt wurde, übersandte er ihm ein Geschenk.
So war er unermüdlich bis zu seinem Ende tätig. Vierzig Jahre später schrieb Francis Joseph Bacchus, der 1881 nach dem Besuch der Oratoriumsschule einer der Newmanschen Oratorianer wurde, über ihn, er habe die Kunst, nichts Besonderes zu sein, bis zur Vollendung geführt. Ob er aß, sich erholte, seinen üblichen Pflichten nachging, sich unterhielt, stets war ihm jede Manieriertheit fremd. Er zeigte weder Grillen noch Schrullen. Bacchus war erstaunt, mit welcher Geduld er jene Ärgerlichkeiten ertrug, an denen sich ältere Menschen zu stören pflegen wie Lärm, Unpünktlichkeit anderer oder Taktlosigkeiten vonseiten Jüngerer. Der Richter Lord Coleridge, dessen Urteil über Newmans Bedeutung für die Oxford-Bewegung bereits zitiert wurde, schrieb im Jahr 1882:
Ich kann es weder analysieren noch erklären, aber bis auf den heutigen Tag hat mich kein anderer Mensch, dem ich begegnet bin, so angezogen und dabei mit solcher Ehrfurcht erfüllt. Er ist einfach und bescheiden wie ein Kind, und dennoch fühle ich mich in der Gegenwart eines Menschen, der anders ist als alle anderen. Wenn ich mit ihm zusammen bin, erhebt er mich und bezwingt mich zugleich ja, wenn ich sagte, er ängstigt mich, wäre es kaum zu viel. Und wenn er so auf einen alten Allerweltsjuristen wirkt, was muss er erst für Menschen bedeuten, die wirklich in ihn eindringen und mit ihm fühlen können.
Als Kardinal pflegte Newman regelmäßig, wenn er in London war, bei Dekan R. W. Church im Pfarrhaus von St. Paul´s einzukehren. Nach seinem Besuch im Jahr 1886 schrieb Church an Edward Talbot, damals Rektor des Keble College: Ich darf annehmen, Sie haben gehört, dass der Kardinal drei Tage bei uns war. Er war so froh gestimmt, so gütig, so herzlich ... voller Aufmerksamkeit gegenüber allem, was um ihn herum vor sich ging, dabei so behutsam und zurückhaltend, wie man es von ihm erwartet. Doch das vertraute Lächeln und Augenzwinkern und die sokratische Ironie zeichnen ihn noch immer aus.
Wie schon Bacchus erwähnte Church Newmans Natürlichkeit, die zweifellos etwas zu tun hat mit Geschmack und Lebensart, aber genauso viel mit moralischer Haltung mit der unumstößlichen Gewohnheit, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, konsequent die Wirklichkeit der Schau vorzuziehen, wie verführerisch diese auch sein mag, und schließlich mit der heilsamen Fähigkeit, wenig über sich selbst nachzudenken.
kath.net Buchtipp
John Henry Newmann Wegbereiter der Erneuerung der Kirche
Von Charles Stephen Dessain
Media Maria Verlag 2019
ISBN: 978-3-9479310-8-8
Gebunden, 352 Seiten
Preis: Euro 20,50
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