Ägypten: Bisher knapp 1.200 Kirchen "legalisiert"

12. Oktober 2019 in Weltkirche


2016 beschlossenes Gesetz machte restriktiven "Zehn Regeln" für Kirchenbauten oder Kirchenrenovierungen aus den 1930er Jahren ein Ende


Kairo (kath.net/KAP) In Ägypten schreitet der Prozess der "Legalisierung" christlicher Gotteshäuser voran, die in der Vergangenheit ohne die erforderlichen Genehmigungen errichtet worden waren. Das "Ad hoc"-Regierungskomitee, das zur Überprüfung dieser Fälle eingerichtet worden ist, hat dieser Tage mitgeteilt, dass wieder die Legalität von weiteren 62 koptischen Kirchenbauten festgestellt worden sei. Bisher seien insgesamt 1.171 Kirchen von dem Ausschuss überprüft und "legalisiert" worden. Der Überprüfungs- und Legalisierungsprozess begann auf Grund eines im August 2016 vom ägyptischen Parlament beschlossenen neuen Gesetzes über den Bau und die Verwaltung von Gotteshäusern.

Am 5. August untersagte ein Verwaltungsgericht in Alexandrien auch den Abriss einer griechisch-orthodoxen Kirche in der Provinz Beheira. Das Gericht berief sich auf eine bereits vor zwölf Jahren ergangene, aber nicht ausreichend implementierte höchstgerichtliche Entscheidung, wonach Kirchen und Moscheen gleich zu behandeln seien. Auch Al Azhar, die höchste Autorität des sunnitischen Islam, hat festgestellt, dass das islamische Gesetz Kirchenbauten nicht verbiete und dass christliche Gotteshäuser vor Abriss geschützt werden müssen.

Das "Ad hoc"-Komitee hat die Aufgabe, zu prüfen, ob Tausende von christlichen Kirchen, die in der Vergangenheit ohne die erforderlichen Genehmigungen errichtet worden sind, die im neuen Gesetz festgelegten Standards erfüllen. In den letzten Jahrzehnten waren viele Kirchen und Kapellen wegen der zu diesem Zeitpunkt noch äußerst restriktiven ägyptischen Gesetzeslage ohne alle erforderlichen Genehmigungen gebaut worden. Die Existenz dieser "illegalen" Gotteshäuser wird vor allem auf dem Land immer wieder von islamistischen Gruppen als Vorwand für Gewalt gegen Christen benutzt.
Das Gesetz vom August 2016 stellt für die christlichen Glaubensgemeinschaften in Ägypten einen wichtigen Fortschritt im Vergleich zu den sogenannten "Zehn Regeln" dar, die 1934 von schon damals islamistisch eingestellten Referenten des Innenministeriums der ohnehin restriktiven osmanischen Gesetzgebung hinzugefügt worden waren. Die osmanische Gesetzgebung untersagte u.a. bis zur "Tanzimat"-Epoche im 19. Jahrhundert die Errichtung von Kuppeln über christlichen Gotteshäusern, die Anbringung und das Läuten von Glocken.

Nach den "Zehn Regeln" war der Bau neuer Kirchen in der Nähe von Schulen, Regierungsgebäuden, Wohngebieten, Eisenbahnlinien und Kanälen grundsätzlich verboten. Für Neubauten oder Renovierungen von christlichen Gotteshäusern wurde ein überaus kompliziertes Genehmigungsverfahren festgelegt, das für Genehmigungen die Unterschrift des Königs (bzw. später des Präsidenten der Republik) erforderte. Die strikte Anwendung dieser Regeln verhinderte den Bau neuer christlicher Kirchen in vielen vor allem ländlichen Gebieten.

Um die neue Einstellung gegenüber dem Bau christlicher Gotteshäuser sichtbar zu dokumentieren, ließ Präsident Abd-el-Fattah al-Sisi im Herzen der neuen Hauptstadt Neu-Kairo eine koptische Kathedrale - das größte christliche Gotteshaus des Nahen Ostens - und eine Moschee nebeneinander errichten. Der Brauch, Kathedrale und Freitagsmoschee nebeneinander zu bauen, war vor allem im syrischen und mesopotamischen Raum auch früher üblich.

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