Ein Gitter schützt den Reichtum

18. November 2019 in Kommentar


Eine gesunde Kirche würde sich mehr um Leib und Seele der Menschen als um Fäkalien im Domportal von Paderborn sorgen - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)
Für Katholiken ist es kein Geheimnis, dass sich die Kirche auch vor dem gegenwärtigen Pontifikat schon um die Armen gekümmert hat. Für den Heiligen Laurentius waren die Armen, die Bettler, die Obdachlosen der wahre Schatz der Kirche. Ein inzwischen verstorbener Pfarrer aus Paderborn war dafür bekannt, dass er im Winter Obdachlose im Keller seiner Kirche übernachten ließ. Für seine Freunde, wie jener Pfarrer die Männer von der Straße immer nannte, für den wahren Schatz der Kirche, hält das Erzbistum Paderborn jetzt hingegen eine schallende Ohrfeige bereit.

Das Paradiesportal des Doms erfreute sich, wie viele andere teilweise offene Vorbauten großer Gebäude des Vorteils, ein windgeschütztes Fleckchen für Obdachlose bei extremer Kälte zu sein. Gerade im Winter nächtigten dort schon mal wohnungslose Menschen. Am Morgen stehen einige vor dem Portal und erbitten von Messbesuchern eine kleine Gabe für ihren Lebensunterhalt. Plätze an Kirchen sind beliebt, denn Christen billigt man allgemein ein milderes Herz zu und so klingelt die eine oder andere Münze im hingehaltenen Pappbecher.

Nun wird das Paradiesportal mit einem Gitter „geschützt“. Der Eingangsbereich sowie das Umfeld des Domes und der Domplatz in Paderborn waren in den vergangenen Jahren aufwendig saniert worden.

Das Domkapitel hatte das Paradiesportal besonders hochwertig sanieren und wertvolle Technik (Bildschirme zur Information der Dombesucher) installieren lassen.

Zu Recht befürchtet man nun Vandalismus. Zur Schau gestellter Reichtum zieht immer auch Neider oder Chaoten an. So ist einerseits nachvollziehbar, diese Dinge schützen zu wollen. Andererseits wird hier gerade den Armen der Platz genommen.

Kritik an dem Gitter, über das in den vergangenen Tagen sogar einige überregionale Medien berichteten, kam unter anderem vom Sozialdienst katholischer Männer (SKM). Die Obdachlosenhilfe kritisierte, dass hier windgeschützte Schlafplätze verloren gingen. Dagegen betonte ein Sprecher des Erzbistums im Einklang mit Vertretern des Domkapitels, dass dort seit langem niemand mehr schliefe. Letzteres erklärt sich wohl aus dem Umstand, dass das Paradiesportal ebenso wie das gesamte Umfeld lange Zeit eine Baustelle war. Ferner hatten wir einen warmen Sommer. Vorher haben regelmäßig bei großer Kälte bis zu vier Personen im Paradiesportal geschlafen.

Bei allem Verständnis dafür, die Kathedrale eines Bistums „schön“ haben zu wollen, ist es zynisch, sie so zu gestalten, dass man sie vor den Menschen schützen muss. Die alten Schaukästen taten ihren Zweck und waren offensichtlich weniger gefährdet. Auch die Heiligenfiguren im Paradiesportal hängen dort nicht erst seit gestern und der Zahn der Zeit hatte ihnen in der Vergangenheit mehr geschadet als Vandalismus. Die grobe Verunreinigung und Beschmutzung mit Fäkalien, die vom Erzbistum ins Feld geführt wurde, ist ein Punkt, der durchaus zählt, doch dem könnte man mit einer Videoüberwachung ebenso leicht begegnen. Das Gitter hinterlässt bei allem Verständnis, den Dom schützen zu wollen, einen schalen Geschmack. Zumal es auf Grund seiner geringen Höhe und hochwertigen Fertigungsart kaum geeignet erscheint, wirklich zu Vandalismus entschlossene abzuhalten.

Müssen wir wirklich so hochwertig und teuer bauen, dass das Paradiesportal eines Domes nicht mehr als Kälteschutz für die Nacht zu dienen vermag? Muss man Kirchen vergittern? Der Verweis des Erzbistums Paderborn auf die Obdachlosenunterkünfte zeigt nur einmal mehr die Lebensferne, die in der Kirche inzwischen an der Tagesordnung ist. Wer einmal mit Obdachlosen gesprochen hat, weiß, wie es in den Notunterkünften zugeht. Gewalt und Diebstahl sind dort an der Tagesordnung.

Viele Obdachlose haben aus diesen und anderen Gründen Angst vor solchen Unterkünften. Zudem ist die Anzahl der Nächte, die Obdachlose dort schlafen dürfen begrenzt. Ist die Grenze erreicht, brauchen die Obdachlosen besonders bei großer Kälte einen geschützten Ort.

Der Reichtum des Erzbistums Paderborn hinsichtlich Vermögen und Ertrag ist hinlänglich bekannt. Unbekannt ist nach wie vor die Ertrags- und Vermögenslage des Erzbischöflichen Stuhles sowie des Domkapitels. Letzteres ist Eigentümer der Domkirche.

Das Domkapitel des Erzbistums Paderborn braucht seine Bilanzen eigentlich nun gar nicht mehr offenlegen. Es hat bereits bilanziert und mit einem erheblichen Manko an Mitmenschlichkeit abgeschlossen.

Eine sehr hochwertige Sanierung des Daches und des Domturmes, zwei neue Glocken, ein saniertes Paradiesportal, Glastüren im Innern des Paradiesportals und die zur Schau gestellte Hartherzigkeit zeigen, dass es dem Domkapitel wirtschaftlich nicht gar zu schlecht gehen dürfte.

Das Gitter am Paradiesportal des Hohen Doms zu Paderborn ist unterm Strich neben der Hartherzigkeit auch ein Menetekel der Gedankenlosigkeit und Weltfremdheit des Klerus unserer Kirche. Während in den Gemeinden eine Sparrunde die nächste jagt und Küster, Hausmeister und Organisten Kürzungen hinnehmen müssen, Kirchenschließungen vielerorts erfolgt oder absehbar sind, gönnt man sich in der Zentrale eine satte Sanierung. Während im Land der Glaube immer mehr Schwindsucht erleidet, gönnt man sich einen wohlsanierten Dom als Prestigeobjekt. Man hat ja sonst nichts. Das ist das eigentliche Drama. Eine gesunde Kirche würde sich mehr um Leib und Seele der Menschen als um Fäkalien im Domportal sorgen.

Der Heilige Liborius, der Patron
des Erzbistums Paderborn und Mitpatron der Domkirche war ein Freund des Heiligen Martin, den wir gerade erst gefeiert haben. Martin war es, der einem frierenden Obdachlosen die Hälfte seines kostbaren wärmenden Mantels gab.

Im Traum erschien dem römischen Offizier danach Christus, der ebendiese Mantelhälfte trug und sich bei Martin bedankte. Es lohnt vielleicht ein Gedankenexperiment, wie ein vergleichbarer Traum für die Domherren von Paderborn aussehen könnte.


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