'Pachamama hat in einer Kirche nichts verloren'

25. November 2019 in Interview


kath.net-Interview mit dem Augsburger Theologen Johannes Hartl über Pachamamas, den synodalen Weg, Ökumene, Tipps zum Advent und warum man zur MEHR nach Augsburg kommen sollte - Von Roland Noé


Augsburg (kath.net)
kath.net: Der kirchliche Aufreger des Jahres dürfte in der kath. Kirche die Diskussion rund um die Pachamamas bei der Amazonas-Synode sein. Die aufeinander prallenden Fronten sind ziemlich heftig. Wie ist Deine Einschätzung aus der Sicht eines Theologen zu Thema Götzen in Kirchen?

Johannes Hartl: Der scheinbar nebensächliche Vorfall rund um die Holzfiguren aus Südamerika offenbart ein tieferes Problem. Die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils machen Ernst mit der Tatsache, dass die katholische Kirche Weltkirche ist. Wenn Gott tatsächlich alle Menschen erschaffen hat und Menschen zu allen Zeiten und in allen Kulturen auf der Suche nach ihm waren, dann gibt es auch in nichtchristlichen Religionen Spuren der Wahrheit.

Diese bereits auf Kirchenväter und etliche biblische Texte zurückführbare Erkenntnis steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Anspruch Jesu Christi, der Weg, die Wahrheit und das Leben zu sein. In der Amazonassynode war das Anliegen deutlich spürbar, das Positive und Schützenswerte in den indigenen Kulturen der Amazonasregion zu würdigen. Ein wichtiger Punkt! Tatsächlich ist einer der konkreten Anlässe aber die Tatsache, dass Freikirchen sich in der Region rasant ausbreiten, während die katholische Kirche schrumpft. Gerade Freikirchen haben meiner Erfahrung nach wenig Scheu, in Klarheit von der Heilsnotwendigkeit des Glaubens an Jesus Christus zu sprechen. Hier wünsche ich auch uns Katholiken mehr Mut. Bei aller Wertschätzung für indigene Kulturen: Pachamama ist eine Göttin der Quechua und Aymara. Sie hat in einer Kirche nichts verloren.

kath.net: In Deutschland gibt es noch ein weiteres Aufregerthema: ein synodaler Weg soll beschritten werden. Trotz Papstempfehlung soll es dabei kein Forum für Evangelisierung geben. Schlägt die Deutsche Bischofskonferenz hier einen Irrweg ein?

Johannes Hartl: Die Missbrauchskrise erlaubt kein „Weiter So!“. Es ist schockierend, dass es in der Kirche und auch gerade in geistlichen Gemeinschaften Strukturen von sexueller Gewalt gab und gibt. Bischöfen, die diese Situation zum Anlass nehmen, ganz grundsätzlich über die Zukunft der Kirche nachzudenken, ist zunächst einfach einmal die gute Absicht zu unterstellen, hier sinnvolle Antworten zu finden. Das ist schwierig genug. Die Auffassung jedoch, dass der für Priester verpflichtende Zölibat oder die katholische Sexualmoral es seien, die einer Lösung der Missbrauchskrise oder auch größerer Glaubwürdigkeit der Kirche entgegenstünden, wird wohl am lautesten von jenen vertreten, die ohnehin schon länger gegen beides sind. Doch wenn diese Annahme wahr wäre, wüsste es der evangelischen Kirche doch deutlich besser gehen. Interessanterweise ist der Buddhismus in Deutschland gerade ziemlich hip. Die zölibatäre Lebensform der Mönche scheint da irgendwie kein großer Stein des Anstoßes zu sein. Auch hier: einfach mehr Mut zur eigenen klaren Position. Und selbstverständlich Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

kath.net: Dein Spezialthema ist aufgrund Deines Backgrounds (Leiter des Gebetshauses Augsburg) die Ökumene. Für nicht wenige konservative Katholiken ist das eine heiße Kartoffel, die man besser vermeiden sollte. Wie würdest Du diesen Gläubigen die Angst vor einer guten Ökumene nehmen wollen?

Johannes Hartl: Die Angst vor Ökumene ist meist primär die Angst vor am Schreibtisch errungenem abstraktem Einheitsbrei. Diese Angst ist durchaus verständlich. Tatsächliche Ökumene hat damit zu tun, dass man Menschen kennenlernt, denen die Nachfolge Jesu genauso wichtig ist wie einem selbst. Wahre Ökumene bedeutet, den anderen anzunehmen, auch wenn man Dinge anders sieht. Die gemeinsame Mitte in Jesus Christus ist größer als das, was trennt. Vielleicht haben die meisten, die vor Ökumene warnen, so etwas noch nie persönlich erlebt. Ich empfehle, überzeugte Christen anderer Konfessionen aktiv kennen zu lernen. Diese Zeilen tippe ich im Flugzeug auf dem Rückweg aus Ägypten. Gerade, wenn die Kirche wie im Nahen Osten verfolgt ist, kann man es sich einfach nicht mehr erlauben, Jünger des selben Jesus zu verachten, nur weil sie zu einer anderen Konfession gehören. Davon können wir lernen.

kath.net: "Wir sagen euch an den lieben Advent" - Hast Du 3 gute Tipps für die Adventszeit?

Johannes Hartl: 1. Das Alte Testament lesen. Viele Katholiken kennen die Bibel allgemein, das Alte Testament im Besonderen zu wenig. Doch die Menschwerdung Gottes erhält ihre alles sprengende Faszination erst, wenn man die Vorgeschichte kennt. Die Bücher Exodus oder Jesaja sind ein guter Startpunkt.

2. Tägliche Gebetszeit. Wenn Jesus nicht in meinem Herzen ankommen kann, dann wird Weihnachten auch nur gehetzt und hohl.

3. Verwandtenstress einplanen. Kontakt mit der Herkunftsfamilie kann wunderbar oder auch extrem anstrengend sein. Jedenfalls selten neutral. Überlegen Sie sich genau, mit welchen Verwandten Sie vor und an Weihnachten wie intensiven Kontakt haben wollen und können. Hier darf man auch Grenzen setzen was geht und was zu viel ist. Zugleich ist Weihnachten auch eine wunderbare Chance, sich bei jemandem zu melden, zu dem der Kontakt abgebrochen oder erkaltet war.

kath.net: Anfang Januar gibt es wieder die Mega-Konferenz „MEHR“ in Augsburg. Was werden diesmal die Hightlights sein? Kann man sich noch anmelden?

Johannes Hartl: Nachdem es die MEHR nur noch alle 2 Jahre gibt, sollte man sich einfach gut überlegen, ob man dieses überwältigende Erlebnis tatsächlich verpassen möchte. Es gibt nicht nur einzelne Highlights auf der MEHR, sondern es ist ein Gesamtereignis, das sich kaum in Worte fassen lässt. Einzelne Ticketkategorien sind schon ausverkauft, doch derzeit gibt es noch Tickets unter www.mehrkonferenz.org


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