6. Februar 2020 in Aktuelles
Benedikt XVI. Licht des Glaubens: ein in sich geschlossener Kreis: Es ist wichtig, sich immer von neuem von der Identifikation des Ichs Christi mit uns durchdringen lassen. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) 2010: das Jahr des ersten Missbrauchskandals in Deutschland, das Jahr nach dem schweren Missbrauchskandal in Irland. Aber auch: das Jahr, das einige deutsche Politiker, ZDK-Mitglieder und Rampenlicht-Theologen mit einer künstlich induzierten Diskussion um den Zölibat enden lassen hatten (wie man sieht: nihil novi sub sole), die sich dann im darauffolgenden Jahr fortsetzen sollte.
Der Zölibat ein Reizthema schlechthin. In einem offenen Brief hatten es die Politiker für notwendig erachtet, die deutschen Bischöfe im Lichte der besorgniserregenden Zunahme des Priestermangels zu bitten, die Zulassung von viri probati zur Priesterweihe zu ihrem eigenen Anliegen zu machen. Dazu gesellte sich ein Thesenpapier oder Memorandum Kirche 2011 mit theologischen Ansprüchen.
2010 es war auch das von Benedikt XVI. ausgerufene Priesterjahr, während dessen sich der Papst konstant mit dem Wesen des katholischen Priesters, des Priesterseins und des Priestertums auseinandersetzte, als Bischof den Priestern zur Seite stand und die Laien verstehen ließ, welche Schätze das sakramentale Priestertum birgt.
Im Juni 2010 endete jenes Jahr mit zwei Höhepunkten: dem internationalen Priestertreffen sowie der abschließenden Messe am Herz-Jesu Freitag und mit der Vigil auf dem Petersplatz mit Zehntausenden von Gläubigen und Priestern. An jenem lauen Vorsommerabend hatte sich eine besondere Atmosphäre auf dem Platz gebildet, eine Atmosphäre des Guten, des Sakralen, des heiligen Atmens, eine Atmosphäre, die heute nur eine ferne Erinnerung darstellt. Benedikt XVI. trat mit den nach Kontinenten eingeteilten Priestern, die ihre Anliegen und Fragen vortrugen, in einen intensiven Dialog. Die auf dem Platz eingekehrte tiefe Stille machte die Worte des Papstes umso eindringlicher, Worte, die den Zuhörenden einfach mitnahmen, erfassten, um dann als Geschenk zu bleiben.
Ein Priester stellte auch eine Frage zum Zölibat. Er betonte zum einen die Schönheit des gelebten Zölibats, zum anderen die von der Welt provozierten Verwirrungen mit Kritiken, die einer rein weltlichen Dimension entstammen. Und mit hellem und frohem Gesicht antwortete ihm der Papst.
Der Zölibat ist ist ein endgültiges »Ja«, ein sich von den Händen Gottes Ergreifenlassen, ein sich in die Hände Gottes, in sein »Ich« Hineinlegen, das heißt es ist ein Akt der Treue und des Vertrauens, ein Akt, der auch Voraussetzung ist für die Treue in der Ehe. Es ist genau das Gegenteil dieses »Nein«, dieser Autonomie, die sich nicht verpflichten will, die keine Bindung eingehen will. Es ist das endgültige »Ja«, das das endgültige »Ja« der Ehe voraussetzt und bestätigt.
Benedikt XVI., Gebetswache anlässlich des internationalen Priestertreffens Abschluss des Priesterjahres, Gespräch mit den Priestern auf dem Petersplatz:
Heiliger Vater, ich heiße Don Karol Miklosko und komme aus Europa, das heißt aus der Slowakei, und ich bin Missionar in Rußland. Wenn ich die heilige Messe feiere, finde ich mich selbst und verstehe, daß ich dort meine Identität finde und die Wurzel und Energie für meinen Dienst. Das Kreuzesopfer offenbart mir den Guten Hirten, der alles für seine Herde, für jedes einzelne Schaf hingibt. Und wenn ich sage: »Das ist mein Leib das ist mein Blut«, das für euch hingegeben und vergossen worden ist, dann verstehe ich die Schönheit des Zölibats und des Gehorsams, die ich im Augenblick der Weihe aus freiem Willen versprochen habe.
Auch mit den natürlichen Schwierigkeiten scheint mir der Zölibat einleuchtend zu sein, wenn ich auf Christus schaue, aber ich fühle mich ganz verwirrt, wenn ich die vielen weltlichen Kritiken an dieser Gabe lese. Ich bitte Sie demütig, Heiliger Vater, uns die Tiefe und den echten Sinn des Zölibats des Klerus zu erhellen.
Benedikt XVI.: Danke für die beiden Teile Ihrer Frage. Den ersten, wo Sie die beständige und vitale Grundlage unseres Zölibats aufzeigen; den zweiten, der alle Schwierigkeiten sichtbar werden läßt, in denen wir uns in unserer Zeit befinden. Wichtig ist der erste Teil, das heißt: das Zentrum unseres Lebens muß wirklich die tägliche Eucharistiefeier sein; und hier sind die Wandlungsworte zentral: »Das ist mein Leib, das ist mein Blut«, das heißt wir sprechen »in persona Christi«. Christus erlaubt es uns, sein »Ich« zu benutzen, wir sprechen im »Ich« Christi, Christus zieht uns in sich hinein und erlaubt uns die Vereinigung mit ihm, er vereint uns mit seinem »Ich«.
Und so, durch sein Handeln, durch diese Tatsache, daß er uns in sich »hineinzieht«, so daß unser »Ich« mit seinem »Ich« vereint wird, verwirklicht er das Andauern, die Einzigartigkeit seines Priestertums; so ist er wahrhaft immer der einzige Priester, und dennoch sehr gegenwärtig in der Welt, weil er uns in sich hineinzieht und so seine priesterliche Sendung gegenwärtig macht. Das bedeutet, daß wir in den Gott Jesu Christi »hineingezogen« werden: Es ist diese Einheit mit seinem »Ich«, die in den Worten der Wandlung Wirklichkeit wird. Auch im »Ich spreche dich los« denn keiner von uns könnte von Sünden lossprechen ist es das »Ich« Christi, Gottes, das allein die Lossprechung erteilen kann. Diese Vereinigung seines »Ichs« mit dem unseren beinhaltet, daß wir auch in seine Wirklichkeit als Auferstandener »hineingezogen« werden, daß wir vorangehen auf das volle Leben der Auferstehung zu, von dem Jesus im 22. Kapitel des Matthäusevangeliums zu den Sadduzäern spricht: es ist ein »neues« Leben, in dem es keine Ehe mehr gibt (vgl. Mt 22,2323).
Es ist wichtig, daß wir uns immer von neuem von dieser Identifikation des »Ichs« Christi mit uns durchdringen lassen, von diesem »Hinausgezogen werden« in die Welt der Auferstehung. In dieser Hinsicht ist der Zölibat eine Vorwegnahme. Wir übersteigen diese Zeit und gehen weiter, und so »ziehen« wir uns selbst und unsere Zeit auf die Welt der Auferstehung hin, auf die Neuheit Christi, das neue und wahre Leben zu. Das heißt, der Zölibat ist eine Vorwegnahme, die möglich wird durch die Gnade des Herrn, der uns zu sich »zieht«, zur Welt der Auferstehung hin; er lädt uns immer von neuem ein, uns selbst zu übersteigen, diese Gegenwart, hin auf die wahre Gegenwart der Zukunft, die heute Gegenwart wird. Und hier sind wir an einem sehr wichtigen Punkt angelangt. Ein großes Problem des Christentums der heutigen Welt ist, daß man nicht mehr an die Zukunft Gottes denkt: die bloße Gegenwart dieser Welt scheint ausreichend zu sein. Wir wollen nur diese Welt haben, nur in dieser Welt leben. So schließen wir die Tür für die wahre Größe unseres Lebens.
Der Sinn des Zölibats als Vorwegnahme der Zukunft ist gerade das Öffnen dieser Türen, die Welt größer werden zu lassen, die Wirklichkeit der Zukunft zu zeigen, die von uns schon jetzt als Gegenwart gelebt werden muß. So leben wir im Zeugnis des Glaubens: Wir glauben wirklich, daß es Gott gibt, daß Gott in meinem Leben eine Rolle spielt, daß ich mein Leben auf Christus bauen kann, auf das zukünftige Leben.
Und jetzt erkennen wir die weltliche Kritik, von der Sie gesprochen haben. Es ist wahr, daß für die agnostische Welt, die Welt, in der Gott keine Rolle spielt, der Zölibat etwas ist, das großen Anstoß erregt, weil gerade er zeigt, daß Gott als Wirklichkeit betrachtet und erlebt wird. Mit dem eschatologischen Leben des Zölibats tritt die zukünftige Welt Gottes in die Wirklichkeiten unserer Zeit. Und das soll beseitigt werden! In gewisser Hinsicht mag diese beständige Kritik am Zölibat überraschen, in einer Zeit, in der es immer mehr Mode wird, nicht zu heiraten.
Aber dieses Nicht-Heiraten ist etwas vollständig und grundlegend anderes als der Zölibat, denn das Nicht-Heiraten ist auf den Willen gegründet, nur für sich selbst zu leben, keine endgültige Bindung zu akzeptieren, das Leben zu jedem Zeitpunkt in vollkommener Autonomie zu leben, jeden Augenblick zu entscheiden, was zu tun ist, was man vom Leben nimmt; es ist daher ein »Nein« zur Bindung, ein »Nein« zur Endgültigkeit, es bedeutet, das Leben nur für sich allein zu haben.
Der Zölibat dagegen ist genau das Gegenteil: er ist ein endgültiges »Ja«, ein sich von den Händen Gottes Ergreifenlassen, ein sich in die Hände Gottes, in sein »Ich« Hineinlegen, das heißt es ist ein Akt der Treue und des Vertrauens, ein Akt, der auch Voraussetzung ist für die Treue in der Ehe. Es ist genau das Gegenteil dieses »Nein«, dieser Autonomie, die sich nicht verpflichten will, die keine Bindung eingehen will. Es ist das endgültige »Ja«, das das endgültige »Ja« der Ehe voraussetzt und bestätigt. Und diese Ehe ist die biblische Form, die natürliche Form des Mann- und Frau-Seins, die Grundlage der großen christlichen Kultur und großer Kulturen der Welt. Und wenn das verschwindet, wird die Wurzel unserer Kultur zerstört.
Deshalb bestätigt der Zölibat das »Ja« der Ehe mit seinem »Ja« zur zukünftigen Welt, und so wollen wir weitergehen und diesen Anstoß eines Glaubens gegenwärtig machen, der sein ganzes Leben auf Gott setzt. Wir wissen, daß es neben diesem großen Ärgernis, das die Welt nicht sehen will, auch die zweitrangigen Skandale unserer Unzulänglichkeiten, unserer Sünden gibt, die das große Ärgernis verdunkeln und denken lassen: »Aber sie gründen ihr Leben nicht wirklich auf Gott!« Aber es gibt sehr viel Treue! Der Zölibat, das zeigt gerade die Kritik, ist ein großes Zeichen des Glaubens, der Gegenwart Gottes in der Welt. Bitten wir den Herrn, daß er uns hilft, uns von den zweitrangigen Skandalen zu befreien, daß er das große »Ärgernis« unseres Glaubens gegenwärtig macht: das Vertrauen, die Kraft unseres Lebens, das auf Gott und Jesus Christus gegründet ist!
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