4. März 2020 in Kommentar
Würdigung an Christa Meves zum 95. Geburtstag: Manche sagen, Du seiest umstritten. Aber das ist heute, wo die Diktatur des Relativismus überall eingenistet hat, eine Auszeichnung, ein Kompliment. Gastbeitrag von Martin Lohmann
Uelzen (kath.net) Liebe Christa, heute, am 4. März 2020, kannst Du Deinen 95. Geburtstag feiern. Wenn ich hier nun zur digitalen Feder greife, um Dir einen sehr herzlichen Glück- und Segenswunsch öffentlich nach Uelzen zu rufen, dann werde ich dies sicher im Namen vieler Menschen tun dürfen, die Dir ebenfalls ausgesprochen dankbar sind für Deinen Mut, Deine Klarheit, Deine Zuversicht, Deine Unbestechlichkeit und Deinen hilfsbereiten Weitblick. Du bist eine in vielfacher Hinsicht außergewöhnliche Persönlichkeit.
Analytisch, unerschrocken, unermüdlich. Du lässt Dich nicht beirren, nicht bezirzen, nicht bestechen. Du denkst selber. Du schreibst. Du sprichst. Du hörst zu. Du baust auf. Nichts konnte Dich umhauen in den vergangenen mehr als 50 Jahren. Keine Verleumdung. Keine Diskreditierung. Kein Ausgrenzen. Du hast Dich schlichtweg mit aller Konsequenz der Wahrheit verschrieben. Und diese ist für Dich wie für viele andere auch eine wirkliche Person. Sie ist der Gottessohn Jesus Christus. Er ist wie Er selbst von sich sagt DER Weg, DIE Wahrheit und DAS Leben. An unserem so großen Gott, wie Du es gerne formulierst, richtest Du Dich aus. Deine Entscheidung steht nach wie vor: Ihm zu vertrauen, ist das größte Glück und vermittelt die sicherste Sicherheit.
Du kannst Dich so wunderbar über Lob freuen. Das tut Dir gut, das ist schön, und davon sollst Du heute eine Menge bekommen. Zu Recht. Bestens begründet. Doch vorweg eine aus unserem Glauben gewonnene feste Hoffnung: Dein vor vielen Jahren bereits heimgegangener Harald, der Dich in den 60er Jahren ermunterte, loszuziehen und zu reden und zu schreiben, wird Dich vermutlich eines Tages im Haus des himmlischen Vaters wenn man so sagen darf voller Stolz und Dankbarkeit freudig empfangen. Aber nicht nur mit ihm wird es dann ein frohes Wiedersehen geben. Und voller Dankbarkeit für so viel Gutes, das Du so unendlich vielen Menschen tun konntest, gratulieren Dir heute viele Menschen. Du bist ein Segen, liebe Christa! Deo gratias. Gott sei Dank gibt es Dich.
Manche sagen, Du seiest umstritten. Aber das ist ja heute, wo sich die Diktatur des Relativismus und des naturalistischen Nihilismus überall eingenistet hat und ihre panische Angst vor Wahrheit und Wirklichkeit zu verstecken sucht, eine Auszeichnung, ein Kompliment. Du quittierst derartige Bezeichnungen gerne mit einem nach wie vor mädchenhaften Lachen. Umstritten? Diese Ehrenbezeichnung hast Du redlich verdient. Was wurdest Du nicht eifrig bekämpfst, als Du sehr früh vor fatalen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen gewarnt hast! Und wie sehr hat es jene, die diese Cassandra aus der Heide als wahnsinnig störend empfanden, geärgert, dass Du mit allen Deinen Prognosen Recht behieltest! Das, was Du mitten in die reaktionäre Ideologie der 68er hineinsagtest, war höchst unbequem. Und die Tatsache, dass die Hirnforschung und andere Wissenschaften Dir später auch noch das Siegel der Korrektheit schenken mussten, weil einfach nichts von Dir tumb phantasiert worden war, sondern seine wissenschaftliche Bestätigung erhielt, war schon mehr als unbequem. Diese Meves!
Als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin wusstest Du nicht zuletzt aus ganz konkreter Beobachtung in der Praxis schlicht und ergreifend, worüber Du sprachst. Du sahst, wie Kinderseelen deformiert worden waren, wie sehr sie sich nach wirklicher Nahrung für Herz und Geist sehnten. Du konntest frühzeitig erkennen, wie perfide und subkutan massiv der Angriff auf die Familie mit dem Ziel der Zerstörung von Glück und Geborgenheit begonnen worden war. Du machtest Dich früh und völlig unmodern, aber dennoch notwendig zur Anwältin der Mütter, um damit auch Anwältin der Kinder zu sein. Du reichtest in Zeiten der Verwirrung und Verführung, als vermeintliche Geistesnahrung placebogleich gesellschaftlich verordnet wurde, mentale Medikamente der Freiheit.
Viele, die Dir begegnet sind ob persönlich, bei Vorträgen, in Fernsehgesprächen, in Telefonaten, in Büchern oder in Briefen, erfuhren eine begnadet neugierige, achtsame, wache und interessierte wie wissensreiche Persönlichkeit, die mit Charme und Wissen zu faszinieren weiß. Du bist im wahrsten Sinne des Wortes eine Benedicta, also eine, der von Gott Gutes zugesprochen ist bene dicere , und die anderen Gutes zuspricht, die das von oben Geschenkte gerne weiterreicht an andere. Unsere leider schon verstorbene Freundin Johanna Gräfin von Westphalen brachte es vor fünf Jahren, zu Deinem 90. Gebrutstag, so wunderbar auf den Punkt: Du bist zum Segen geworden für unsere Kinder, Mütter, Familien, für unser ganzes Volk! Ja, Du bist ein kostbares Gottesgeschenk.
Deine Gedanken und messerscharfen Analysen sind nach wie vor aktuell. In der Folge der Studentenrevolte von 1969 sprachst Du vom neuen zentralen Sündenfall durch ein Hintanstellen der christlichen Struktur des Abendlandes. Als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin entdecktest Du auch in dieser Zeit bereits die negativen Folgen eines Verhaltens, das sich aus einem allein von Menschenhand gemachten Leben ergibt: So wurde die Schöpfungsordnung in der Kindererziehung nun weitgehend und zwar negativ verändert, was bald schon eine Aufweichung der familiären Strukturen zur Folge hatte. Darüber hinaus wurde die Sexualität, der zweitstärkste Naturtrieb, der moralischen Einbindungen enthoben und zu selbstbestimmter Entfesselung freigegeben. Die Autoritäten und Hierarchien wurden für überflüssig erklärt.
Unbeirrt und warnend markierst Du seither, welche Folgen die offenbar bewusst gewollte Schwächung von seelischer Gesundheit im Kindesalter für ein ganzes Leben, auch im Blick auf Leistungs- und Bindungsfähigkeit, hat. Es sei besonders gefährlich, schädigend und in höchstem Maße unverantwortlich, wenn das Kind in den ersten drei Lebensjahren zu wenig Nähe mit seiner Mutter erfahren hat. So etwas wollen Ideologen und Verführer nicht hören! Du störst, liebe Christa. Gott sei Dank.
Und auch diese Sätze passen nicht ins ideologische Kleinkaro einer sich ach so aufgeklärt dünkenden Zeit: Die Bindung des Kindes an seine Mutter hat lebenserhaltenden Sinn. Deshalb bleibt sie auch noch in den folgenden Jahren in dem Maß erhalten, als das Kind vollständige Selbständigkeit noch nicht erlangt hat, und das heißt, bis in die Siebenjährigkeit hinein. Und: Den Säugling in Krippen zu betreuen, sollte deshalb nur dem äußersten Notfall vorbehalten bleiben; denn eine Fremdbetreuung durch mehrere Personen im Schichtdienst irritiert das Kind und mindert seine spätere Soziabilität. Eine umfängliche Langzeituntersuchung in den USA hat sogar apodiktisch festgestellt: diese Form des Umgangs mit dem Säugling schadet ihm je früher sie einsetzt, je länger sie dauert und je kontinuierlicher sie gehandhabt wird.
Dein Credo, das aus mehr als 3000 Vorträgen und mehr als 100 Büchern mit einer Auflage von mehr als fünf Millionen spricht, ist eigentlich ganz einfach: Die Mutter gehört zum Kind! Doch wer die Hoheit über den Kinderbetten und darüber hinaus anstrebt, will das einfach nicht wahrhaben. Dieser Erkenntniszuwachs könnte ja ein ganzes Gebäudekonstrukt wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen.
Du machst dennoch oder gerade deshalb Mut. Vielen. Sehr vielen. Zum Glück. Deine eigene Sehnsucht nach Klarheit und mentaler Nachhaltigkeit, so würde man das heute wohl nennen, führte Dich 1987 zum katholischen Glauben. Seither ist der Empfang des real gegenwärtigen Gottessohnes in der heiligen Eucharistie für Dich der (!) Quell Deiner Schaffenskraft. Ich weiß es aus eigener Erfahrung: Wenn man Dich darauf anspricht, spiegelt sich in Deinen Augen und auf Deinem Gesicht ein glückliches, zufriedenes und Geborgenheit ausstrahlendes Gesicht einer jung gebliebenen Seele. Jaaaa, gluckst es dann förmlich aus der Tiefe Deiner Seele froh und sprudelnd heraus. Dann vergisst Du auch niemals, unsere liebe Gottesmutter zu erwähnen, jene Frau aller Frauen, die der Kirche und der Welt eine so heilsame und unglaublich volle Botschaft zu reichen hat. Und wenn man Glück hat, dann hört man gerade dann Dein für Dich so typisches vulkanähnlich eruptives Lachen.
Der heilige Papst Johannes Paul II. zog Dich gewissermaßen mit seiner so wegweisenden Klarheit in die katholische Kirche. Du hast seine Texte gelesen mit roten Ohren, wie Du berichtest. Und Dir sprangen Reifen der Sorge von der Seele: Dieser Papst wagte die Wahrheit! Und das fiel mitten hinein in meine publizistische Einsamkeit und in mein doch nur so schwaches warnendes Zirpen.
Mit seinem Nachfolger Benedikt XVI. verbindet Dich ebenfalls viel geistige Heimat, schon lange, bevor Joseph Ratzinger Petrusnachfolger wurde. Dessen Rede im Deutschen Bundestag von der Notwendigkeit, die Ökologie des Menschen zu beachten, löste bei Dir am Fernseher wahre Glücksmomente aus. Du schätzt ihn, und er schätzt Dich ebenfalls sehr. Wen sollte das wundern!? Wen kann es überraschen, dass zwei begabte Propheten sich nicht fremd sein können.
Ich wiederhole es gerne: Du bist schnörkellos, mutig, glaubensstark, echt, verletzlich, analytisch, hilfsbereit, nachdenklich, dankbar, verlässlich, mütterlich, gütig, herzlich. Du bist im besten Sinne eine von oben gespeiste Zu-Mutung. Du bist ein Bollwerk gegen die entfesselte Maßlosigkeit, gegen die Auflösung der Familie, gegen den Missbrauch von Kindern durch Frühsexualisierung und gegen eine Kultur des Todes und der Zerstörung. Und es ist ja so richtig, was Du sagst: Wir brauchen, anders als uns alle Verführer einimpfen wollen, für unsere Lebensgestaltung das Hinaufhören zu einem allmächtigen Gott.
Liebe Christa, vermutlich wird es Dir nicht entgangen sein, was aber auch andere so empfinden werden: Ich bin Dir unendlich dankbar, liebe Mater Christa! Und ich bin Gott dankbar für diese seine große Christa! Er möge Dich reichlich segnen und Dir eines Tages all Deinen Mut, Deinen Einsatz und Dein kraftvolles Gottvertrauen lohnen.
Herzlich,
Dein Martin
Foto: © Martin Lohmann
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