Die Menschen sind verzweifelt!

15. März 2020 in Spirituelles


Lasst die Gläubigen an den Heiligen Messen teilnehmen! - Ein österreichischer Priester appelliert in einem Offenen Brief an die Verantwortlichen in Kirche und Staat - kath.net veröffentlicht exklusiv einen Brief von Pfarrer Christian Sieberer


Wien (kath.net)
Sehr geehrte Verantwortliche für das Verbot der Gottesdienste in den katholischen Kirchen Österreichs, als Sohn eines Arztes wurde mir die hohe Wertschätzung für die Medizin gleichsam in die Wiege gelegt. Als promovierter Jurist habe ich immer die unersetzbare Bedeutung des demokratischen Rechtstaats verteidigt. Als Österreicher bin ich froh, in einem Land leben zu dürfen, dessen Regierung sich kompetent und einfühlsam um die Nöte der Bevölkerung kümmert.

Als Katholik freue ich mich, dass die Kirche die Größe hat, Entscheidungen zu revidieren, die sich als ungünstig herausgestellt haben. Als katholischer Priester kenne ich seit fast zwanzig Jahren die seelischen Nöte von Menschen in unserem geliebten Österreich.

Wir alle wissen, dass in diesen Tagen niemand zum Gottesdienst gehen muss, denn die österreichischen Bischöfe haben sinnvollerweise von der Sonntagspflicht dispensiert. Mir geht es heute jedoch um die hunderttausenden Menschen in unserem Land, die in katholischen Gottesdiensten Kraft, Trost und Hoffnung suchen, und denen dies ohne unvertretbares Risiko, wie seit fast zweitausend Jahren in ähnlichen Notlagen schon Unzähligen vor ihnen, ermöglicht werden kann.

Daher wende ich mich heute an Sie im Namen der vielen gläubigen Menschen, die zurzeit verzweifelt sind, und möchte Sie höflich fragen:

1. Warum wurde der Erlass, dass bei einer indoor Veranstaltung nicht mehr als einhundert Personen anwesend sein dürfen, am Donnerstag, 12. März 2020 dahingehend abgeändert, dass diese allgemeine, sinnvolle Regel nicht mehr für religiöse Veranstaltungen gelten soll?

2. Kann es wahr sein, dass ab 16. März 2020 zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs die Menschen nicht mehr zur Eucharistiefeier kommen dürfen, um den Tod und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus zu begehen? Selbst während der Pestepidemie und in allen Zeiten des Krieges, unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und der Besatzung durch die Stalinisten hat es eine solche Regelung nie gegeben.

3. Warum haben Sie entschieden, dass zwar bis zu einhundert Menschen in einer Kirche beten dürfen, jedoch kein einziger Gläubiger bei der Heiligen Messe, Quelle und Höhepunkt des gesamten christlichen Lebens, physisch anwesend sein darf?

Welche zusätzliche Ansteckungsgefahr sollte bei derselben Höchstzahl an Personen in der Kirche allein von der Heiligen Messe ausgehen?

4. Ist es tatsächlich im Sinne des Erfinders der Heiligen Messe, Jesus Christus, dass der Pfarrer sich gleichsam in die Pfarrkirche schleichen muss, um nur ja nicht von irgendeinem Gläubigen bei der Eucharistiefeier erwischt zu werden, die er doch täglich an eben diesem Ort für eben diese Gläubigen feiern soll, die jedoch keineswegs daran teilnehmen dürfen?

5. Könnte allen Ernstes der 4. Sonntag der Fastenzeit am 22. März 2020, auch Freudensonntag „Laetare“ genannt, der erste Sonntag in der Geschichte Österreichs werden, an dem die Sonntagsmesse verboten ist?

Soll tatsächlich bis mindestens zum Palmsonntag das Volk Gottes von der heiligen Liturgie in den wunderschönen Kirchen Österreichs ausgeschlossen sein, die unsere Vorfahren oft aus dankbarer Erinnerung an die Errettung aus Hunger, Seuche und Krieg errichtet haben?

6. Wissen Sie, dass in unseren Nachbarländern in den Bistümern Berlin, Aachen, Osnabrück, Regensburg, Passau, Bamberg, Görlitz, Münster, Köln, Würzburg, Basel und Chur die katholischen Kirchen weiterhin für den Gottesdienst bis zu einer Anzahl von einhundert Personen offenstehen?

7. Sollen tatsächlich am 19. März 2020 alle Kärntner, Steirer, Tiroler und Vorarlberger das Hochfest ihres Landespatrons, des heiligen Josef, Nährvater Jesu Christi und wahrer Bräutigam der Seligen Jungfrau Maria, nicht in ihren geliebten Kirchen begehen dürfen?

8. Es ist leider unvermeidlich, dass auch in diesen Wochen hunderttausende Menschen jeden Tag viel Zeit in Supermärkten, öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden verbringen und sich tagtäglich einem unvergleichlich höheren Risiko aussetzen, es ist unfassbar, dass dies in der Heiligen Messe in meist beeindruckend großen Gotteshäusern für eine einzige Stunde in der Woche nicht möglich sein sollte.

Meinen Sie tatsächlich, dass die Sonntagsmesse ein Risiko darstellt, das alle Menschen in Österreich unbedingt vermeiden müssen?

9. Wie kann man übersehen, dass uns Katholiken die Heilige Messe so viel wert ist, dass wir seit Jahrhunderten gute Ideen verwirklicht haben, damit sie auch unter schwierigen Umständen auf jeden Fall in der Kirche gefeiert werden kann? Auch in dieser schwierigen Zeit sind wir selbstverständlich wieder dazu bereit: Ich sehe vor mir Menschen, die am Sonntag schon früh am Morgen die Kirche desinfizieren, bevor die ersten Gläubigen sie betreten.

Ich sehe am Eingang eine Waschmöglichkeit, ähnlich wie sie tausende Menschen tagtäglich benützen, um in ihren sensiblen Berufen bestmöglich vor Infektionen geschützt zu sein. Ich sehe Türhüter, in der Urkirche „Ostiarier“ genannt, die am Eingang die 96. Person bitten, zu einem anderen Zeitpunkt oder an einem andern Ort die Heilige Messe mitzufeiern, damit auch bei einem Zählfehler die zulässige Anzahl von 100 Personen nicht überschritten wird. Ich sehe eine ähnliche Sitzverteilung wie ganz aktuell im österreichischen Parlament, die garantiert, dass die Gläubigen in der Kirche den notwendigen Sicherheitsabstand einhalten.

10. Warum werden richtigerweise in den nächsten Wochen hunderttausende Schüler in den Schulen auf oft engem Raum von früh bis spät betreut werden, während den Gläubigen die Anwesenheit bei einem Gottesdienst für eine einzige Stunde in der Woche verwehrt wird?

11. Wie oft hat Österreich in seiner bewegten Geschichte erfahren dürfen, dass Not beten lehrt, aber in der großen Not einer Pandemie dürfen die Österreicher Jesus Christus nicht in der Eucharistiefeier nahe sein?

12. Wie konnte es soweit kommen, dass mit dieser Entscheidung höchste Vertreter von Staat und Kirche den heiligen Mysterien unserer Religion nicht mehr Bedeutung beimessen als einem Fußballmatch, einem Kaffeetratsch oder einem Einkaufsbummel, also vermeidbaren Sozialevents?

13. Warum wurden viele Kirchen in Österreich in den letzten Jahrzehnten für die absurdesten Zwecke geöffnet, und nun sollen sie für die Gläubigen, die sich in großer seelischer Not nach dem Gottesdienst sehnen, versperrt sein?

Ich selbst habe in der mir anvertrauten Pfarre Penzing St. Jakob sofort nach der dramatischen Wende der Ereignisse am Aschermittwoch, 26. Februar 2020, alle Maßnahmen umgesetzt, die erst Tage später von den österreichischen Bischöfen empfohlen wurden.

Auch die Regelung der maximal einhundert Teilnehmer kann ich gut verstehen und habe sofort alle Vorkehrungen getroffen, um sie zu erfüllen.

Ein gänzliches Verbot der Gottesdienste kann ich jedoch keineswegs nachvollziehen!

Der letzte Anstoß, diesen Offenen Brief zu schreiben, war ein Gespräch mit einem mir seit Jahrzehnten bekannten Gläubigen. Er rief gestern bei der Hotline der Erzdiözese Wien an und erhielt die Auskunft, dass die Feier der Heiligen Messe in privaten Räumlichkeiten mit bis zu hundert Personen zulässig sei.

Die einzige Bedingung dafür wäre, dass er die Verantwortung übernehme. Dabei stellt sich sofort die Frage, seit wann ein Veranstalter für die Übertragung des Coronavirus verantwortlich ist, und warum im konkreten Fall dreißig Personen in einem dichtgedrängten privaten Raum die Heilige Messe feiern dürfen, während dies ab kommenden Montag keinem einzigen Gläubigen in den riesigen Kirchen unseres Landes erlaubt sein soll.

Viele Heilige der katholischen Kirche haben ihr Leben für die Heilige Messe gegeben, denn die Ehre Gottes und das Heil der Seelen war und ist für die Christen das höchste Ziel.

Ich zitiere aus der auch unter völlig anderen Umständen aktuellen Ansprache von Papst Benedikt XVI. zum Abschluss des XXIV. Nationalen Eucharistischen Kongresses Italiens im Jahr 2015: „Dieser Eucharistische Kongress, der heute zu Ende geht, wollte den Sonntag als »wöchentliches Ostern«, als Ausdruck der Identität der christlichen Gemeinschaft und Mittelpunkt ihres Lebens und ihrer Sendung darstellen. Das gewählte Thema – »Ohne den Sonntag können wir nicht leben« – führt uns zurück in das Jahr 304, als Kaiser Diokletian den Christen unter Todesstrafe verbot, die Heilige Schrift zu besitzen, am Sonntag zur Feier der Eucharistie zusammenzukommen und Räume für ihre Versammlungen zu errichten.

In Abitene, einem kleinen Dorf im heutigen Tunesien, wurden eines Sonntags 49 Christen, die im Haus des Octavius Felix zusammengekommen waren, überrascht, als sie die Eucharistie feierten und sich damit den kaiserlichen Verboten widersetzten. Sie wurden festgenommen und nach Karthago gebracht, um von Prokonsul Anulinus verhört zu werden. Bedeutsam war unter anderem die Antwort eines gewissen Emeritus an den Prokonsul, der ihn fragte, warum sie dem strengen Befehl des Kaisers zuwidergehandelt hätten. Er antwortete: »Sine dominico non possumus«. Das bedeutet: Ohne uns am Sonntag zur Feier der Eucharistie zu versammeln, können wir nicht leben. Es würden uns die Kräfte fehlen, uns den täglichen Schwierigkeiten zu stellen und nicht zu unterliegen. Nach grausamer Folter wurden diese 49 Märtyrer von Abitene getötet. So bezeugten sie mit dem Vergießen ihres Blutes ihren Glauben. Sie starben, haben aber gesiegt: Wir gedenken ihrer jetzt in der Herrlichkeit des auferstandenen Christus.“

Auch mir hat es gestern am Ende der Abendmesse fast das Herz gebrochen, daran zu denken, dass dies nun für unbestimmte Zeit die letzte Freitag- Abendmesse gewesen sein soll. Die zwanzig Gläubigen saßen gut verteilt in unserer Kirche, die mehr als dreihundert Menschen Platz bietet.

Die Schönheit und der Trost der Liturgie mit ihren wunderschönen Riten, Gebeten und Liedern ist beste Nahrung für die Seele, keineswegs entbehrlich und durch nichts ersetzbar. Welche Kraft schenkt uns doch der Herr in Seinem Gottesdienst, den wir gerade in Zeiten der Bedrängnis dringend brauchen! Ich möchte mich gar nicht erinnern an die Gottesdienste, die beim Betrachten auf einem Bildschirm auf mich wie eine Karikatur des nur leibhaft Erlebbaren wirkten.

Am Vorabend des Fests des Stadtpatrons von Wien, des heiligen Klemens Maria Hofbauer, bitte ich daher im Namen von unzähligen verzweifelten Katholiken um die Rücknahme der Ungleichbehandlung der religiösen Veranstaltungen in Österreich. Wenn man in der Dynamik der dramatischen Ereignisse zwei Schritte schnell hintereinander gegangen ist, gilt es jetzt, wieder einen Schritt zurück zur guten Mitte zu setzen.

Alle, die diesen Offenen Brief für die Öffnung der Kirchen zu den Gottesdiensten mitlesen, möchte ich ermutigen, an unsere geschätzten Bischöfe und Politiker zu schreiben und in höflicher Weise daran zu erinnern, dass die persönliche Mitfeier der Heiligen Messe für uns Katholiken unersetzbar ist. Wir wollen nicht anklagen, sondern um das Lebensnotwendige bitten.

Sollte ich mich in diesem Schreiben geirrt haben, bitte ich schon heute um Entschuldigung.

Zum Gebet für Österreich lade ich Sie alle ein auf www.ora-pro-austria.at.


An die Ränder dürfen wir Katholiken ganz im Sinne von Papst Franziskus gerade in diesen Tagen gehen, dazu soll das beigefügte Video ermuntern.

In der Flut der negativen Nachrichten empfehle ich meine Website www.goodnews365.at, auf der täglich eine gute Nachricht aus aller Welt präsentiert wird.

Vertrauen wir in dieser besonderen Lage der Welt umso mehr auf den Himmel und bitten wir voll Hoffnung:

Heilige Maria, Große Mutter Österreichs, bitte für uns. Heiliger Josef, Schutzpatron der Kirche, bitte für uns. Alle Heiligen und Seligen Österreichs, bittet für uns. Alle heiligen Engel Österreichs, bittet für uns. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Pfarrer Christian Sieberer Pfarre Penzing St. Jakob, Erzdiözese Wien

MUST SEE - Pfarrer Christian Sieberer unterwegs auf den Straßen von Wien - Mit JESUS




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