Die Bischöfe sind in einer Zwickmühle
20. April 2020 in Kommentar
Freiwillig haben die katholischen Bischöfe neben staatlichen Anordnungen der Länder auch noch eigene Vorschriften mit Gottesdienstverboten erlassen. Nun fordern sie Lockerungen der staatlichen Verordnungen. Gastkommentar von Michael F. Feldkamp
Bonn (kath.net) Das Mitte März 2020 angeordnete und zunächst bis zum 19. April einschließlich befristete Gottesdienstverbot geht nach dem Willen der Bundeskanzlerin Angela Merkel und der meisten Ministerpräsidenten der Länder in die erste Verlängerung.
Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von Karfreitag, den 10. April 2020, wegen dieses überaus schwerwiegenden Eingriffs in das grundgesetzliche Recht zur freien Religionsausübung bereits deutliche Warnsignale gesendet. Es erklärte die Sicht, das Gottesdienstverbot für verfassungswidrig zu halten für nicht unbegründet, vielmehr als offen. In einer anderen Entscheidung vom 10. April mahnte das Bundesverfassungsgericht bei einer Fortschreibung des Gottesdienstverbots eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit an. Insbesondere sei zu prüfen, ob das Gottesdienstverbot unter gegebenenfalls strengen Auflagen und möglicherweise auch regional gelockert werden könne.
Drückten noch kurz vor Fristablauf einige Bischöfe medienwirksam ihre Hoffnung auf eine Lockerung aus, setzte nach erfolgter Verlängerung bis zum 30. April großes Klagen ein, was der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber als wehleidigen Ton auf katholischer Seite kommentierte. So hat zum Beispiel der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, in seiner Eigenschaft als Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz kritisiert: Angesichts von ersten Lockerungsmaßnahmen in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens kann ich das nicht nachvollziehen, erst recht nicht nach der sehr deutlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Gefügt haben sich die katholischen Bischöfe trotzdem wieder.
Schon Mitte März 2020 hatten sie eilfertig die staatlichen Gottesdienstverbote durch unnötige bischöfliche Gottesdienstverbote flankiert. Vor Ostern prangerten sie sogar öffentlich jene Katholiken an, die sich mit Eilanträgen an das Bundesverfassungsgericht gewendet hatten, das Gottesdienstverbot sofort aufzuheben. Das Quasi-Staatskirchentum erweist sich in der so genannten Coronakrise als Falle, die sich die Bischöfe aber selbst gestellt haben.
Jetzt sitzen die Bischöfe auf ihren eigenen Gottesdienstverboten, von denen sie aber nun annehmen, dass diese seit dem 19. April nicht mehr verfassungsgemäß sind. Lautete bislang lediglich die Haltungsnote eingeknickt, geht es jetzt ans Eingemachte.
Aus diesem Grunde sollten m.E. die Bischöfe deswegen nun ihre eigenen Gottesdienstverbote umgehend aufheben. Das könnte zumindest eine starke symbolpolitische Aktion werden, denn die Gottesdienstverbote der Länder bestünden ja ohnehin fort. Mit einer wichtigen Ausnahme: In Nordrhein-Westfalen gibt es kein explizites landesrechtliches Gottesdienstverbot. Hier gilt nur das kirchliche Verbot. Die Bischöfe in NRW müssten deswegen differenzierter vorgehen. Sie sollten Gottesdienstverbote nicht aufheben, sondern nur angemessen einschränken. Kurzerhand könnten die Bischöfe die sächsische Regelung kopieren: In Sachsen sind seit dem 18. April öffentliche Gottesdienste mit bis zu 15 Teilnehmern zugelassen. Was in Sachsen Recht ist, kann in Nordrhein-Westfalen kaum Unrecht sein.
Es bliebe abzuwarten, ob das Land Nordrhein-Westfalen, dessen Ministerpräsident Armin Laschet sich auch hinter verschlossenen Türen in den Gesprächsrunden mit der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten entschieden für eine Lockerung des Gottesdienstverbotes stark gemacht hat, diese bereits in Sachsen geltende Regelung durch ein umfassendes staatliches Verbot unterlaufen würde. Vermutlich nicht.
So könnte die Kirche wieder das Heft des Handelns in die Hand nehmen, statt trotz des Urteils des Verfassungsgerichts vom 10. April 2020 untätig zu bleiben. Längst hätte nach dem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts das abgearbeitet werden müssen, was der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, selbst am Freitag, den 17. April 2020 in Aussicht stellte: Wir sind froh, dass sich heute Vertreter von Bund und Ländern, der Kirchen und Religionsgemeinschaften in großer Einmütigkeit darauf verständigt haben, dass man im Laufe der nächsten Woche konkrete Wege für eine schrittweise Lockerung der Beschränkungen religiöser Zusammenkünfte und damit auch von Gottesdiensten prüfen will.
Der betulich wirkende Umgang mit einer existenziellen Frage des Katholischseins (nämlich des Gottesdienstbesuches) und der Verfassung mag vielleicht daran liegen, dass den verantwortlichen Würdenträgern die hl. Eucharistie nicht, wie oft betont, so schmerzlich fehlt, wie dem einfachen Gottesvolk. Wenn man die Gottesdienstübertragungen im Internet mitverfolgte, gewinnt man leicht den Eindruck, dass es außer an der umständehalber etwas kleineren Staffage an wirklich nichts gemangelt hat. Die Gläubigen jedoch mussten sich mit Fernsehübertragungen und Internetangeboten ins heimische Wohnzimmer begnügen. Die Bischöfe wurden zwar nicht müde, diese ebenso wie andere Surrogate der persönlichen Teilnahme an der Heiligen Messe schmackhaft zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu jedoch in dankenswerter Klarheit angemerkt, dass das Fehlen der Heiligen Messe für einen Katholiken nicht durch alternative Formen der Glaubensbetätigung
kompensiert werden kann.
So bleibt der fade Geschmack im Mund: Die von kirchlicher Seite verspielte zweite Monatshälfte im April 2020 nimmt den Gläubigen für diese Zeitspanne ihr verfassungsmäßiges Recht auf Teilnahme an Gottesdiensten.
Michael F. Feldkamp (Berlin) studierte in Rom (Gregoriana) und in Bonn. Er ist promovierter Historiker und Autor zahlreicher Bücher zur Verfassungsgeschichte, Zeitgeschichte und kirchlichen Rechtsgeschichte.
© 2020 www.kath.net