
Warum wir Katholiken lästig sein sollten
22. April 2020 in Kommentar
Der Salzburger Erzbischof Lackner tat die zahlreichen brieflichen Bitten um öffentliche heilige Messen als lästig ab. Waren wir vielleicht noch nicht lästig genug? - Ein Gastkommentar von Michael Koder
Salzburg (kath.net)
Nach und nach werden in unseren Nachbarländern bzw. -bundesländern öffentliche Gottesdienste vom Staat wieder erlaubt bzw. zumindest vom jeweiligen Bischof oder der Bischofskonferenz gefordert, siehe die aktuelle Entwicklung in vielen deutschen Bundesländern (Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Bayern) und sogar in dem von der Epidemie so schwer getroffenen Italien.
Selbst dort trauen sich die Bischöfe, ab 4. Mai wieder Messen anzupeilen. Was passiert in Österreich, das ja angeblich die Seuche erfolgreicher als andere Länder bekämpft habe? Laut Homepage der Bischofskonferenz wird beraten, man werde sich danach mit der Bundesregierung abstimmen. Kein Hinweis also auf eine Forderung, kein Hinweis darauf, öffentlich für etwas eintreten zu wollen. Und dies, obwohl sich auch im sonst so genügsamen Österreich schon Unmut gegen das Fehlen von Gottesdiensten regt: junge Katholiken haben nun ein Video veröffentlicht, in dem sie die Bischöfe eindringlich darum bitten, ihnen die heilige Messe zurückzugeben, kath.net hat berichtet.
Die Botschaft ist umrahmt von vielen Ideen, wie dies in Einklang mit den Hygienevorschriften gebracht werden kann (von Gästeliste via Doodle über Türsteher bis zu selbst mitgebrachten Desinfektionsmitteln).
Auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner scheint den Unmut der Gläubigen wahrzunehmen, wie er am Barmherzigkeitssonntag in einer von der Home Church Salzburg übertragenen Messe konstatierte. Die offenbar zahlreichen Briefe besorgter bis verzweifelter Katholiken tat er aber wörtlich als lästig ab.
Ist es wirklich so abwegig, darauf hinzuweisen, dass die heilige Messe genauso wie ein Einkauf im Supermarkt oder der Besuch eines Arztes ein lebensnotwendiges Grundbedürfnis darstellt, das der gläubigen Bevölkerung nicht vorenthalten werden sollte? Ist es nicht ein falsches Signal der Amtsträger, dass die Kirche derzeit nur im sozialen Bereich präsent ist, sich aber aus ihrem Kerngebiet, dem geistlichen Bereich, so stark zurückzieht? Online-Gottesdienste können die persönliche Mitfeier und den Empfang der heiligen Kommunion nicht ersetzen; technische Probleme stören immer wieder die Andacht, viele haben gar nicht die notwendigen technischen Möglichkeiten, dieser Ersatz ist also eine große Zumutung für uns, das gläubige Gottesvolk.
Und fördern wir mit unseren Kirchenbeiträgen nur das soziale Engagement der Kirche, und nicht auch ein breites geistliches Angebot? Möglicherweise würde im kirchlichen Amtsapparat ein Umdenken einsetzen, wenn man als Beitragszahler den wochenlangen Ausfall geistlicher Veranstaltungen als einen Grund für eine Beitragsreduktion geltend machen würde. Waren wir vielleicht noch nicht lästig genug?
Bei jeder Heiligen Messe beten wir im Hochgebet auch für unsere Bischöfe. Ich denke, wir dürfen und sollen dabei aber nicht nur für das Heil unserer amtierenden Bischöfe beten, sondern auch um solche Bischöfe, die das gläubige Gottesvolk in rechter Weise leiten. Das schließt also auch die Bitte darum ein, dass Gott diejenigen Amtsträger, die in ihrer Leitung nicht die Wahrheit vor Augen haben können oder wollen, absetzen möge. Eine solche Bitte kann uns das Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Status quo nehmen. Sie ist nicht anmaßend, wenn wir uns bewusst bleiben, dass wir Menschen ein solches Urteil über einen Bischof nicht treffen können; aber wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott das Flehen seiner Herde um gute Hirten erhört.
Ein Nachtrag von heute: Mittlerweile hat Bundeskanzler Kurz angekündigt, dass ab 15. Mai Gottesdienste unter gewissen Auflagen und Sicherheitsvorschriften wieder stattfinden könnten. Fragwürdig bleibt, warum - anders als in Deutschland oder Italien - erst der 15. Mai angepeilt wird, und vor allem die Optik: wieso diese für Katholiken so freudige Nachricht zuerst der Kanzler ankündigt und die Bischofskonferenz - ohne ein Wort der Freude oder Erleichterung zu verlieren - lediglich im Nachhinein "bestätigt". So entsteht leider der Gesamteindruck, dass seitens der Bischöfe weder ein zähes Ringen mit der Regierung stattgefunden hat noch die Öffnung der Gottesdienste als lang ersehnte Errungenschaft gesehen wird.
VIDEO:
Erzbischof Lackner über "lästige Briefe"

© 2020 www.kath.net