Der Muezzinruf ist „eine Negativaussage bzgl. anderen Religionen“

27. April 2020 in Aktuelles


Augsburger Theologe Johannes Hartl: Er wäre auch dagegen, „das erste Gebot mehrmals täglich per Lautsprecher über die Dächer zu proklamieren, obgleich es meinem persönlichen Glauben als Christ entspräche“.


Frankfurt-Augsburg (kath.net) Der Muezzinruf mit seinem „Text des Adhān ist eben nicht nur ein spirituelles Signal über den eigenen Glauben, sondern eine Negativaussage bzgl. anderen Religionen. Da scheint mir die Frage berechtigt, ob dieser Ruf in den öffentlichen Raum eines freiheitlichen, christl. geprägten Landes passt.“ Das schreibt der Augsburger Theologe und Gebetshausleiter Johannes Hartl auf Twitter. Er reagierte damit auf einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter dem ursprünglichen Titel: „‚Trost für Muslime‘ – Leise ruft der Muezzin“, der statuierte, dass der öffentliche Muezzinruf für Muslime in der dieses Jahr durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkten Ramadam-Zeit ein Trost sei. Hartl widersprach diesem Ansatz: „Es geht beim Muezzinruf aber eben nicht primär um ‚Trost‘. Der Ausruf ‚Allahu Akbar‘ bedeutet: ‚es gibt keinen Gott außer Allah‘. Es ist eine letztlich imperialistische Proklamation im öffentlichen Raum und allein schon deshalb deutlich vom Glockenläuten verschieden.“

In der angeregten Twitter-Diskussion über seine Statements kam der Einwand, dass es ja auch „aus Sicht der christlichen Kirche“ „keinen Gott außer Gott“ gebe. Dazu erläuterte Hartl: „Aber dies wird normalerweise nicht mit Lautsprechern von Dächern herab verkündet.“ Er wolle dabei „von der Bedeutung des öffentlichen Raums her“ argumentieren. „In einer geschlossenen Gebetsversammlung etwas zu sagen, ist verschieden von einem öffentlichen Ausrufen. Letzteres ist zusätzlich verschieden von einem rein akustischen Signal wie dem Läuten.“ „Den öffentlichen akustischen Raum mit der Botschaft ‚nur unsere Religion ist wahr‘ dauerhaft zu füllen, scheint mir unpassend in einem freiheitlich geprägten Land. Kirchenglocken tun das nicht auf gleiche Weise.“ Der Muezzinruf sei „aber eben nicht *nur* ein Aufruf zum Gebet, nicht einmal primär. Der Text des Adhān ist eine sehr eindeutige Proklamation. Die Frage, ob sie an so prominenter Stelle Platz im öffentlichen Raum eines freiheitlichen Staates haben sollte, scheint mir nicht unberechtigt.“ Er wäre auch dagegen, „das erste Gebot mehrmals täglich per Lautsprecher über die Dächer zu proklamieren, obgleich es meinem persönlichen Glauben als Christ entspräche“.

Ein Person, die mitdiskutierte, fragte unter Bezug auf den FAZ-Artikel: „Prima, wann kann man die Kirchenglocken in muslimisch geprägten Ländern hören?“

Die Berliner Imamin Seyran Ateş der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee schrieb zu diesem Thema auf Twitter: „Würde die Kirche darauf bestehen, statt mit Glocken künftig mit Lautsprecherstimme zum Gebet zu rufen, würde sie sich wohl ähnlicher Kritik ausgesetzt sehen. Außerdem ruft der #Muezzin nicht die Uhrzeit, sondern ein Glaubensbekenntnis.“

Hintergrund: Der Adhān-Gebetsruf, der von den Muezzinen ausgerufen wird, hat gemäß Wikipedia sowie muslimischen Quellen folgenden Text: „Allah ist groß. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Allah. Ich bezeuge, dass Mohammed Allahs Gesandter ist. Eilt zum Gebet. Eilt zur Seligkeit (Heil/Erfolg). Das Gebet ist besser als Schlaf. Allah ist groß (größer als alles und mit nichts vergleichbar). Es gibt keine Gottheit außer Allah.“


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