Aschenputtelchen ohne Stimme?

1. Mai 2020 in Kommentar


Viele Bischöfe weihen in Corona-Zeiten ihre Länder im Mai der Muttergottes. Wo bleiben die deutschsprachigen Länder? - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt


München (kath.net) Nordmamerikanische und kanadische Bischöfe weihen in Corona-Zeiten ihre Länder im Mai der Muttergottes, Polen wird der Muttergottes anvertraut – nicht zum ersten Mal wohlgemerkt. Wo bleiben die deutschsprachigen Länder? Sicher, zwei deutsche Bischöfe haben ihre Bistümer der Muttergottes anvertraut. Aber wo bleibt der Rest?

In einer Woche dürfen in Deutschland wieder öffentliche Messen gefeiert werden. Das ist für viele eine große Freude; für viele ist mehr als zuvor deutlich geworden, wie sehr die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens ist: Jesus selber. Leider sprudelt nicht das ganze Land über von der Freude an Jesus. Noch weniger scheint hierzulande die Muttergottes eine Bedeutung zu haben. Das ist schade. Dabei sie hat in der Heilsgeschichte eine unübertroffene Stellung. Alle Generationen laufen auf Maria zu. Jesus wäre ohne sie nicht gewesen. Der Mai beginnt; wie schön wäre es, wenn dieser Monat ein Fest für die Muttergottes werden würde - weltweit! Nicht nur in Amerika, Kanada und Polen.

Der Mond unter den Füßen, die Sonne als Kleid, die Sterne als Schmuck…: Hinter diesen Bildern steckt einen Person: Maria. Doch diese Bilder sind nicht einfach Bilder; es ist die Huldigung der gesamten erlösten Schöpfung, des Himmels und der Erde. Maria ist die Heilung der Welt zu verdanken. Darum ist der Höhepunkt des christlichen Lebens ohne Maria überhaupt nicht zu denken. Maria ist die erste Christusnachfolgerin, das erste vollkommene Christus-Nachbild. Darum schließt Christus-Nachfolge Marien-Nachfolge mit ein. Die beiden sind untrennbar. Aber der Reihe nach.

Der Erzengel Gabriel wäre nicht ein paar Häuser weitergegangen und hätte es woanders versucht, hätte Maria sich geweigert. Die Heilung der Menschheit hing von ihr ab! Als der Engel bei Maria eintrat und fragte, ob sie Mutter der Erlösers werden wollte, hätte sie viele Fragen stellen können. Sie stellte nur eine, eine ganz menschliche Frage, eine, die ihre Jungfräulichkeit betraf: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Die Antwort des Engels: „Für Gott ist nichts unmöglich“ genügte ihr. Sie vertraute Gott, der Liebe, vollkommen. Wie inspirierend und aufbauend ist doch dieses Vertrauen, das sich seinem Schöpfer bedingungslos hingibt, sich gleichsam in seine Arme fallen lässt in dem sicheren Wissen, dass er sie halten wird.

Wie frei und in tiefsten an die Liebe glaubend muss sie gewesen sein, um so vertrauensvoll einfach JA zu sagen? Maria hat die Freiheit der Kindergottes wirklich gelebt. Sie kreiste nicht um sich, sondern war grundsätzlich offen, auch für Unerwartetes und Unverständliches.

Sicher war sie überrascht, dass ausgerechnet sie, die Jungfrau, den verheißenen Messias empfangen und gebären sollte, auf den sie wie viele andere so sehr gewartet hat. Und dann wird sie die Pforte, durch die der Herr eintritt.

Von Anfang an ist sie ganz nah am Herzen Jesu, sie steht zu ihm, egal was passiert, sie steht bei ihm für andere ein und gibt die Gnaden, die sie empfangen hat, an andere weiter. Sie sekundiert ihn. Sie steht da, bei Jesus, in allen Schwierigkeiten und bis unters Kreuz - unseretwegen. Hier wird sie das, was sie schon immer war, nun offiziell: Mutter der ganzen Kirche, Mutter aller Glaubenden, Mutter Jesus, unseres Gottes, dem sie immer wieder ihr Ja sagte.

Weil sie ihr Fiat durch ihr ganzes Leben zog, werden manche werfen ihr vor, devot zu sein. Ein Aschenputtelchen ohne Stimme. Jesus hat sie sogar belehrt, als sie ihn als 12-Jährigen nach drei Tagen Suche im Tempel gefunden und gefragt hat: „Kind, warum hast Du uns das angetan?“ Jesus sagte: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist“? (Luk 2, 49)
Unverständliche Worte, die den Verstand herausfordern. Aber: Maria war nicht devot, sie hat die Antwort Jesus im Herzen behalten und vermutlich über sie nachgedacht. Auch sie hatte Fragen, hat gesucht, gerungen und gelitten. Wie wir kannte sie Freude, Trauer und Bitterkeit. Aber sie hat in allem Gott vertraut und alles Widrige in diesem Vertrauen angenommen, sie war stark, weil sie ihr Ziel immer vor Augen hatte: Gott. Maria hat vertraut, dass Gott weiß, was er tut, dass er liebt, dass bei IHM nichts zufällig, gedankenlos passiert. Und sie hat Gottes Liebe an andere weitergegeben.

Maria war ein Spiegel der Liebe Gottes. Sie war nicht schweig- und fügsam im passiven Sinn, wie ihr manchmal vorgeworfen wird, sondern sie war ruhig, aktiv und aufmerksam, kümmerte sich um Kranke und Betrübte, setzte sich bei Jesus für andere ein, sie hat sich nicht von unwesentlichen Dingen ablenken lassen und war ganz durchlässig für Gottes Wirken! Das Wunder bei der Hochzeit zu Kana war ihre Initiative! Glauben wir, dass sie auch heute in unseren Ländern Wunder erbitten kann?

Wir dürfen bei jeder Begegnung mit dem eucharistischen Jesus immer auch an Maria denken und ihr danken. Darum dürfen wir uns nach der Entbehrung der Eucharistie fragen: Kennen wir Maria wirklich? Wollen wir sie kennenlernen, uns ihr anvertrauen? Wir dürfen sie um Fürsprache bitten, mit ihr für alles danken, was auch immer passiert. Mit Maria dürfen wir uns im Gebet vereinen und uns von ihr in eine tiefere Beziehung zu Jesus führen lassen. Wenn das Gebet zur Quelle unserer Freude und unseres Friedens wird, kann kommen, was will: Wir werden standhaft bleiben und auch in schweren Zeiten Friede und Freude erfahren – und die Eucharistie wird zur echten Begegnung mit unserm Herrn.

Maria Vertrauen, ihre Art, das Leben anzunehmen und zu wirken, ist uns ein Wegweiser als Christen in der Nachfolge Jesu. Von ihr lernen wir hören, gehorchen, vertrauen, glauben, beten. Weil sie Jesus so nah ist, kann sie uns wie sonst niemand zu ihrem Sohn führen. Wo Jesus ist, da ist Maria und wo Maria ist, dort ist Jesus – und dort sind wir – auch in den Widrigkeiten des Lebens - dem Himmel ein Stückchen näher.


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